Selbstmord bei Kindern in Japan: die häufigste Todesursache von Kindern

Posted on Posted in Uncategorized

Japan weist eine der höchsten Selbstmordraten auf. Einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation zufolge ist die Selbstmordrate 60 Prozent höher als der weltweite Durchschnitt (Lu, 2015). In diesem Land begehen durchschnittlich 70 Menschen täglich Selbstmord, darunter eine beunruhigende Zahl von Kindern (ibid.). Seit 2014 ist Selbstmord die erste Todesursache unter Kindern im Alter zwischen 10 und 19 Jahren (Oi, 2015) und die Selbstmordrate unter Kindern steigt trotz der allgemein zurückgehenden Selbstmordrate weiterhin an (Whitman, 2015)!

Die Hauptgründe für den Selbstmord bei Kindern sind vor allem schulische Probleme, wie etwa anspruchsvolle Schularbeiten oder Mobbing. Laut Kenzo Denda, Professor an der Hokkaido Universität, leidet in der Grundschule jedes zwölfte Kind und in der Sekundarstufe jedes vierte Kind an Depressionen, was viele dazu führt, Selbstmord zu begehen (Lu, 2015). Zudem ist ein Anstieg an Selbstmorden im September zu erkennen, nämlich wenn Kinder nach den Sommerferien in die Schule zurückgehen. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass japanische Kinder Selbstmord begehen, am 1. September höher als an jedem anderen Tag. Zu solchen Höchstwerten kommt es erneut im April, wenn Kinder das neue Schuljahr beginnen (Oi, 2015). Schulische Hintergründe und die Neigung zum Selbstmord unter Kindern sind ein Teil der japanischen Kultur.

Wie werden Kinder beeinflusst? Gruppenkultur und Leistungsdruck.

In Japan nimmt die Gruppenkultur einen wichtigen Platz ein. Dies bedeutet, dass jeder einer Gruppe angehören und die Regeln und Meinungen ihrer Mitglieder teilen muss. Folglich werden Personen, die sich von den anderen unterscheiden oder die nicht die Regeln der Gruppe befolgen, ausgeschlossen und zur Zielscheibe von Mobbing. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb manche nur zusehen und nicht reagieren. Wenn man nicht mit den anderen gemeinsam schikaniert, kann man leicht zum nächsten Opfer werden. Auch bei den Lehrern funktioniert dies ähnlich. Manchmal wissen sie durchaus, was geschieht, drücken jedoch ein Auge zu oder machen sogar beim Mobbing mit, um Probleme zu vermeiden.

Die Gruppenkultur ist auch mit Druck verbunden, da von den Schülern stets beste Leistungen erwartet werden und diejenigen, die Schwierigkeiten haben, keine Unterstützung bekommen und einfach mit dem Rest der Klasse mithalten müssen. Dieser Aspekt der japanischen Kultur erklärt zumindest teilweise die Probleme, denen Kindern in der Schule ausgesetzt sind und die dazu führen können, dass sie sich das Leben nehmen wollen (Oi, 2015).

Die Wahrnehmung vom Selbstmord in Japan

Im Vergleich zu Menschen der westlichen Kultur würden Japaner bei einer schwierigen Situation mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zum Selbstmord tendieren. Denn in Japan hat der Selbstmord eine andere Bedeutung und wird somit anders als im Westen wahrgenommen. Im Gegensatz zu christlichen Ländern wird der Selbstmord in Japan nicht als Sünde betrachtet. Vielmehr wird er als ein Weg verstanden, Verantwortung zu übernehmen und um Vergebung zu bitten. Der Selbstmord ist tief in der Kultur des Landes verankert. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an den Samurai, der Seppuku (1) begehen würde, um seinen Namen reinzuwaschen, oder an die Kamikaze-Piloten während des Zweiten Weltkrieges (Wingfield-Hayes, 2015).

Unbefriedigende Lösungen

Seit 2012 wird das Problem der Selbstmorde in Japan stark thematisiert und es wurden bereits Maßnahmen durch die Regierung umgesetzt, welche die Selbstmordrate bis 2025 um 20 % senken sollen (Lu, 2015). Diese Maßnahmen scheinen auch schon Ergebnisse zu bringen, da die allgemeine Selbstmordrate bereits zurückgeht. Doch diese Maßnahmen konzentrieren sich auf Erwachsene und sind für Kinder ungeeignet. So steigt die Selbstmordrate trotz der Anstrengungen Japans unter Kindern weiterhin an. Mit politischen Maßnahmen kann das Land versuchen, die Selbstmordrate unter Kindern zu reduzieren, doch es handelt sich um ein historisches Phänomen, das mit der Entwicklung der Gesellschaft im Schulsystem zusammenhängt. Somit wird das Problem weiterhin bestehen, wenn die Menschen ihre Denkweise nicht ändern.

Kinder denken, sie hätten entweder die Wahl, zur Schule zu gehen oder sich das Leben zu nehmen. Und da sie es nicht ertragen können, wieder zur Schule zurückzukehren, entscheiden sie sich für das letztere. Wohltätigkeitsvereine wollen Kinder auf Alternativen aufmerksam machen und empfehlen ihnen, zu Hause zu bleiben (Lu, 2015). So konnten Kinder, denen die Eltern erlaubten, zu Hause zu bleiben, diese Situation umgehen. Nanae wurde von ihrer Mutter unterstützt, als sie sich entschloss, ein Jahr lang die Schule nicht zu besuchen. Jetzt lernt sie wieder und singt in einer Band. Sie konnte diese schwierigen Zeiten überstehen, indem sie über das Internet über ihre Probleme redete. Im Gegenzug versucht sie jetzt anderen Kindern, die gemobbt werden, zu helfen, indem sie ihre Erfahrungen in einem Blog beschreibt (Wright, 2015). Dies ist momentan die einzige Lösung, die Kindern in solchen Fällen angeboten wird: nicht in die Schule zu gehen und sich Unterstützung zu holen. Doch es handelt sich um eine vorübergehende Lösung. Kinder haben das Recht, in die Schule zu gehen, und sollten von diesem Recht Gebrauch machen können, ohne Angst oder Scham zu verspüren. Die Regierung versucht, Strategien umzusetzen, um den Dialog über geistige Krankheiten im Land zu fördern. Wir können also nur hoffen, dass dies den Betroffenen, und somit auch den Kindern hilft.

(1) Eine ritualisierte Art des Selbstmordes, auch als Harakiri bekannt, bei dem ein Samurai sich mit Ehre den Bauch aufschlitzt , wenn er Schande über sich gebracht hat, oder um zu vermeiden, in feindliche Gefangenschaft zu gelangen.

Geschrieben von : Lucy Autin
Übersetzt von : Elena M. Pérez Almeida
Überprüft von : Ines Kaltenbach (Jomot – Service de langues et communication)

 

 

Kuchikomi. (21/11/2009). Children’s depression and suicide a worsening problem. [Online Zeitungsartikel] Abgerufen von Japan Today: https://www.japantoday.com/category/kuchikomi/view/childrens-depression-and-suicide-a-worsening-problem

Lu, S. (22/10/2015). The mystery behind Japan’s high suicide rates among kids. [Online Zeitungsartikel]. Abgerufen von Wilson Quaterly: http://wilsonquarterly.com/stories/the-mystery-behind-japans-high-suicide-rates-among-kids/

Oi, M. (21/08/2015). Tackling the deadliest day for Japanese teenagers.[Online Zeitungsartikel] Abgerufen von BBC: http://www.bbc.com/news/world-asia-34105044

Whitman, E. (19/08/2015). Japan School Children Suicides: After Vacation, Many Young Students Kill Themselves, Study Finds. [Online Zeitungsartikel] Abgerufen von IBTimes: http://www.ibtimes.com/japan-school-children-suicides-after-vacation-many-young-students-kill-themselves-2059931

Wingfield-Hayes, R. (3/07/2015). Why does Japan have such a high suicide rate? [Online Zeitungsartikel] Abgerufen von BBC: http://www.bbc.com/news/world-33362387

Wright, R. (1/09/2015). Japan’s worst day for teen suicides [Online Zeitungsartikel] Abgerufen von CNN: http://edition.cnn.com/2015/09/01/asia/japan-teen-suicides/