Straßenkinder und obdachlose Kinder

Aus zahlreichen Gründen – vor allem Armut, Krieg, frühere Gewalt und Misshandlung, Ausbeutung und Verzweiflung – werden Kinder überall auf der Welt obdachlos und müssen sich auf der Straße durchschlagen. Einmal auf der Straße, können die Kinder in neue und sich ständig wiederholende Kreisläufe von Armut, Kriminalität, Misshandlung und Vernachlässigung geraten.

Auf der Straße sind obdachlose Kinder nicht nur potenziellen Gesundheitsrisiken stärker ausgesetzt, sondern sie werden aufgrund ihres gefährdeten und schutzlosen Zustands auch häufig von kriminellen Banden zur Zielscheibe. Alle Kinder haben das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und darauf, vor den Gefahren des Lebens auf der Straße geschützt zu werden.

Definition von Straßenkindern und obdachlosen Kindern 

Der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes  definiert Kinder, die auf der Straße leben, als: „(a) Kinder, die zum Leben und/oder Arbeiten auf die Straße angewiesen sind, sei es allein, mit Gleichaltrigen oder mit der Familie; und (b) eine breitere Schicht von Kindern, die eine starke Bindung an den öffentlichen Bereich aufgebaut haben und für die die Straße eine wichtige Rolle in ihrem täglichen Leben und ihrer Identität spielt.

Zu dieser breiteren Schicht gehören Kinder, die gelegentlich, aber nicht immer, auf der Straße leben und/oder arbeiten, sowie Kinder, die nicht auf der Straße leben oder arbeiten, aber regelmäßig Gleichaltrige, Geschwister oder Familienmitglieder auf der Straße unterstützen“ (Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes, 2017). 

Zwar gibt es im Rahmen des internationalen Rechts (Völkerrechts) keine strenge Definition von Obdachlosigkeit, doch wird der Begriff von verschiedenen internationalen Institutionen wie dem Institute of Global Homelessness, den Vereinten Nationen und der Europäischen Föderation der nationalen Obdachlosenorganisationen (FEANTSA) so verstanden, dass er auch Personen umfasst, die auf der Straße leben: „Personen, die auf der Straße, auf offenen Plätzen oder in Autos leben; Personen, die in vorübergehenden Notunterkünften, in Frauenhäusern, in Lagern oder anderen vorübergehenden Unterkünften für Binnenvertriebene, Flüchtlinge oder Migranten leben; und Personen, die in völlig ungeeigneten und unsicheren Unterkünften leben, wie z. B. Menschen in informellen Siedlungen“ (OHCHR, 2021).

Das globale Ausmaß von Straßenkindern und obdachlosen Kindern 

Es gibt keinen allgemein anerkannten Schätzwert für die tatsächliche Zahl der Straßenkinder und obdachlosen Kinder in der Welt. Genaue Daten sind nur schwer zu erfassen, da diese Kinder dem Staat in der Regel unbekannt sind und nicht erfasst werden. Untersuchungen zufolge, die von der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im Jahr 2016 durchgeführt wurden, gibt es weltweit etwa 150 Millionen Straßenkinder (Compass Children’s Charity, n.d). 

Ursachen für Straßenkinder und obdachlose Kinder 

Im Folgenden werden die häufigsten Ursachen für Straßenkinder und obdachlose Kinder nach der Definition des Consortium for Street Children aufgeführt (Consortium for Street Children, 2022).

  1. Armut – Kinder aus mittellosen Verhältnissen können dazu gezwungen sein, auf die Straße zu gehen, um Einkommen zu erzielen oder Nahrungsquellen für sich und ihre Familien zu finden. 
  2. Tod der Eltern oder Bezugspersonen – Kinder, die durch den Verlust ihrer Eltern oder Hauptbezugspersonen verwaist sind, können obdachlos werden, wenn das staatliche Fürsorgesystem keine angemessene Unterstützung bietet. 
  3. Vernachlässigung durch die Eltern – Kinder, die von ihren Eltern oder Hauptbezugspersonen vernachlässigt werden, haben unter Umständen keine andere Wahl, als sich auf der Straße durchzuschlagen, um für sich selbst zu sorgen. 
  4. Gewalt und Misshandlung von Kindern zu Hause oder in der Gemeinde – Kinder, die zu Hause oder in ihrer Gemeinde Opfer von Missbrauch werden, können auf der Straße Zuflucht suchen. 
  5. Sexuelle, körperliche oder emotionale Misshandlung – Kinder, die Opfer verschiedener Formen der Misshandlung geworden sind, können aus Sorge um ihre Sicherheit auf die Straße fliehen. 
  6. Urbanisierung – die Ausdehnung von Städten und städtischen Gebieten hat zu einem erheblichen Bevölkerungszuwachs und Überbevölkerung geführt, wobei viele Regierungen nicht in der Lage sind, diesem Zuwachs angemessen entgegenzuwirken. Kinder in solchen Gegenden sind daher stärker von Armut und Obdachlosigkeit bedroht. 
  7. HIV/AIDSKinder, die an HIV und AIDS erkrankt sind, können von ihren Familien und Gemeinden verlassen oder gemieden werden, wodurch sie obdachlos und ohne geeignete Unterkunft zurückbleiben.
  8. Erzwungene kriminelle Handlungen – Kinder können als Mittel zur Durchführung organisierter und unorganisierter krimineller Straftaten in Zusammenhang mit Geld, wie Diebstahl, Drogenhandel und Prostitution missbraucht werden. 
  9. Ablehnung durch die Familie aus so genannten „moralischen“ Gründen – Kinder können von ihren Angehörigen im Stich gelassen werden, wenn sie als Folge einer „unmoralischen“ Beziehung angesehen werden oder „unmoralische“ Handlungen begangen haben. So werden sie auf die Straße gesetzt.
  10. Mentale GesundheitKinder, die unter psychischen Problemen leiden, können sich dazu entschließen, ihre Gemeinden zu verlassen, sofern sie keine Unterstützung erhalten, oder sie werden aus ihren Gemeinden weggedrängt, wenn sie durch ihren Zustand stigmatisiert werden.
  11. DrogenmissbrauchKinder, die an Drogenabhängigkeit leiden, können auf die Straße gehen, um dort ihre Sucht zu stillen, oder sie werden aufgrund ihrer gewalttätigen Tendenzen von zu Hause vertrieben. 
  12. Sexuelle Orientierung oder GeschlechtsidentitätKinder, deren Geschlechtsidentität von ihren Gemeinden nicht akzeptiert wird, könnten auf die Straße gehen, um der Diskriminierung und Stigmatisierung zu entgehen.

Abgesehen von diesen allgemeinen Ursachen werden Kinder auch aufgrund folgender Umstände obdachlos:

  1. Krieg und Konflikte  – Unruhen, Aufstände und Kriege können Gesellschaften zerstören und Kinder obdachlos machen (Child Hope, 2022). 
  2. Umweltbedingte Vertreibung  – Naturkatastrophen, globale Erwärmung und mit dem Klimawandel zusammenhängende Krisen können Gemeinden vertreiben und zerstören und eine große Zahl von Kindern obdachlos machen, wenn die Regierung nicht in der Lage ist, Unterstützung zu leisten (Child Hope, 2022).

Bedrohungen, mit denen Straßenkinder und obdachlose Kinder zu kämpfen haben

Es gibt eine Reihe von Bedrohungen und Menschenrechtsverletzungen, denen Straßenkinder und obdachlose Kinder besonders ausgesetzt sind: Kinderhandel, Gewalt und Ausbeutung, Rekrutierung für Krieg und Konflikte, Diskriminierung und Mangel an Grundrechten beim Zugang zu Gesundheit, Bildung, angemessenen Lebensbedingungen und Nahrung (United Nations Human Rights Council, 2011). 

Das Recht auf Gesundheit 

Straßenkinder und obdachlose Kinder sind anfällig für mehrere ernsthafte gesundheitliche Risiken, darunter HIV/AIDS, sexuell übertragbare Krankheiten, Drogen- und Alkoholabhängigkeit und die Exposition gegenüber schädlichen Chemikalien und Schadstoffen als Begleiterscheinung ihres Lebensumfelds (United Nations Human Rights Council, 2011). 

Vor der COVID-19-Pandemie waren Asthma, mangelhafte Ernährung und Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündung bei Straßenkindern und obdachlosen Kindern weit verbreitet. Während der COVID-19-Pandemie wurden der Erhalt, die Förderung und der Schutz des Rechts auf Gesundheit und der Zugang zu angemessenen medizinischen Versorgungsleistungen für Straßenkinder und obdachlose Kinder in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt. Sie waren unverhältnismäßig stark vom Zugang zu Grundbedürfnissen wie der gesundheitlichen Versorgung, angemessenen sanitären Einrichtungen, sauberem Wasser und Nahrungsmitteln sowie der Unterstützung durch das Justizsystem betroffen (Consortium for Street Children, 2020). 

Straßenkinder und obdachlose Kinder haben es oft schwer, Zugang zu den wesentlichen Dienstleistungen des Gesundheitswesens zu erhalten, obwohl sie anfälliger und stärker von verschiedenen Krankheiten wie der COVID-19-Pandemie betroffen sind. Es gibt mehrere Risikofaktoren, die Straßenkinder und obdachlose Kinder für die Pandemie anfällig machen, darunter der fehlende Zugang zu sauberem Wasser und angemessenen sanitären Einrichtungen sowie die Unfähigkeit, sich aufgrund ihrer Lebensbedingungen sozial abzugrenzen oder selbst zu isolieren (Consortium for Street Children, 2020).   

Das Recht auf Bildung 

Straßenkinder und obdachlose Kinder sind mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert, die sie am Zugang zu Bildung hindern. Sie sind für die staatlichen Systeme oft „nicht existent“, da sie weder eine feste Adresse noch gültige Ausweispapiere haben.

Straßenkinder verpassen auch häufig mehrere Schuljahre und haben es schwerer, sich wieder in frühere Schuljahre zu integrieren. Diejenigen, die in das Schulsystem integriert werden können, sind mit Diskriminierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung durch Lehrkräfte und Schüler konfrontiert (Clark, 2019).

Bildungseinrichtungen sind, selbst wenn sie „kostenlos“ sind, oft mit einer Reihe versteckter Kosten verbunden, z. B. für Schuluniformen, Schreibwaren und Schulbücher. Dies hält Straßenkinder davon ab, das Schulsystem zu besuchen, es sei denn, sie können sich diese Kosten leisten und die Zeit opfern, die sie stattdessen dafür aufwenden würden, um Einkommen zu verdienen. Es ist unrealistisch, von mittellosen Straßenkindern zu erwarten, dass sie eine Vollzeitschule besuchen können, wenn sie gleichzeitig arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen (Clark, 2019).

Kinderhandel 

Der Kinderhandel ist sowohl eine Ursache als auch ein Produkt von Straßenkindern und Obdachlosigkeit. Der Menschenhandel vertreibt die Kinder aus ihren Gemeinden und macht sie oft obdachlos. Kinder, die bereits auf der Straße leben, sind anfällig für die Ausbeutung durch Menschenhändler, da sie keine Ausweispapiere und keinerlei Schutz durch ihre Eltern haben. Straßenkinder sind auch anfällig für Irreführung, und vor allem Mädchen werden von Menschenhändlern gezielt zur Prostitution gezwungen und als Sexarbeiterinnen eingesetzt. (Consortium for Street Children, 2020). 

Gewalt und Ausbeutung 

Aufgrund ihrer prekären Situation können Straßenkinder in einen Kreislauf von Gewalt und Ausbeutung geraten. Diese Art von Missbrauch zu Hause und in den Gemeinden treibt die Kinder auf die Straße, um dem Unheil zu entgehen.

Auf der Straße sind die Kinder jedoch ohne den Schutz ihrer Gemeinschaft einem noch höheren Risiko von Ausbeutung und Gewalt ausgesetzt (Consortium for Street Children, 2020). Dabei kann die Gewalt von kriminellen Akteuren ausgehen, die schutzbedürftige Kinder ausnutzen, um Profit zu machen, oder von Normalbürgern, die Straßenkinder als wertlos und ohne Bedeutung ansehen. 

Internationaler Tag der Straßenkinder 

Der Internationale Tag der Straßenkinder wurde erstmals am 12. April 2011 vom Consortium for Street Children ausgerufen. Es ist ein weltweit anerkannter Tag, der die Notlage von Straßenkindern auf der ganzen Welt anerkennt. Dieser Tag soll das Bewusstsein für Millionen von Straßenkindern auf der ganzen Welt und die Anerkennung ihrer Rechte schärfen (Global Dimension, n.d). 

Wichtige Dokumente und internationale Rechtsinstrumente 

Es gibt verschiedene internationale Rechtsinstrumente, die die Notlage von Straßenkindern und obdachlosen Kindern anerkennen und darauf entsprechend eingehen. Im Besonderen: 

Geschrieben von Vanessa Cezarita Cordeiro 

Intern bewertet von Aditi Partha

Übersetzt von Claudia Flanner 

Korrektur gelesen von Hettie M-J

Zuletzt aktualisiert am 19. Februar 2023

Literaturhinweise:

Child Hope. (2022). “Street children: children who depend on the streets to live and/or work.” Retrieved from Child Hope, accessed on 18 February 2023. 

Clark, J. (2019, September 27). “Realising street children’s right to education.” Retrieved from Consortium for Street Children, accessed on 15 February 2023. 

Compass Children’s Charity. (n.d). “Street children worldwide.” Retrieved from Compass Children’s Charity, accessed on 18 February 2023. 

Consortium for Street Children. (2020, April 30). “COVID-19: The right of street children to the highest attainable standard of health.” Retrieved from Consortium for Street Children, accessed on 15 February 2023. 

Consortium for Street Children. (2020, February 19). “Welcoming every child protected against trafficking (ECPAT) to the CSC network.” Retrieved from Consortium for Street Children, accessed on 18 February 2023. 

Global Dimension. (n.d). “International day for street children.” Retrieved from Global Dimension, accessed on 15 February 2023. 

United Nations Committee on the Rights of the Child. (2017, June 21). “General Comment No. 21 (2017) on children in street situations.” CRC/C/GC/21. Retrieved from United Nations Committee on the Rights of the Child, accessed on 5 February 2023. 

United Nations Human Rights Council. (2011, May 12). “Summary of the full-day meeting on the rights of the child report of the United Nations High Commissioner for Human Rights.” A/HRC/17/46. Retrieved from United Nations General Assembly, accessed on 15 February 2023. 

United Nations Human Rights Office of the High Commissioner. (2021). “Homelessness and human rights Special Rapporteur on the right to adequate housing.” Retrieved from United Nations Human Rights Office of the High Commissioner, accessed on 18 February 2023.