Schwierige Bedingungen für Kinder in griechischen Flüchtlingslagern

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Die europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz hat im November 2016 Empfehlungen zu ihrer generellen Politik zum Schutz von Migranten gegenüber Diskriminierung (Nr. 16) verabschiedet.  Dieses Instrument richtet besonderes Augenmerk auf den Schutz von Migrantenkindern ohne gültige Aufenthaltserlaubnis.  Letztere gehören zu den am meisten Gefährdeten, weil sie häufig unbegleitet sind[1].

Bild 1- Flüchtlingskonzept. Silhouette von bedürftigen Flüchtlingskindern nahe des Grenzzauns bei Sonnenuntergang

Migrantenkinder sind häufig am meisten gefährdet

Bedauerlicherweise erhalten Migrantenkinder, die unbegleitet, also ohne Eltern oder Angehörige sind, nachdem sie zahlreichen Prüfungen ausgesetzt waren und endlich griechischen Boden erreicht haben, dieselbe Behandlung wie Erwachsene. Gleich nach ihrer Ankunft auf den griechischen Inseln werden sie gemäß der aktuellen Flüchtlingspolitik  in den Zellen der Polizeistationen und in Internierungslagern eingesperrt. In Haft sind sie einem vermehrten Risiko von Missbrauch und Vernachlässigung ausgesetzt. Diese Kinder leben unter unzureichenden sanitären Bedingungen mit Erwachsenen zusammen, die nicht zur Familie oder zur Verwandtschaft gehören. Diese Bedingungen begünstigen den Missbrauch, dem sie ausgesetzt sind und die schlechte Behandlung seitens der Polizei.

Gemäss Artikel 3 der Internationalen Kinderrechtskonvention muss das Berücksichtigen des Interesses des Kindes bei allen Entscheidungen seitens öffentlicher oder privater Institutionen Priorität haben. Bedauerlicherweise wird dieses Prinzip bei den Asyl- oder Migrationsverfahren häufig vernachlässigt. Mit der Masssenankunft von Migranten hat der Platzmangel dazu geführt, dass es Probleme gibt, alle Migrantenkinder separat an geeigneten Orten unterzubringen. Auch wenn das griechische Recht bestätigt, dass die Haft eine Ausnahme als letztes Mittel der Wahl darstellt, erlaubt es trotzdem das präventive Einsperren dieser Kinder für 25 Tage und dies kann um weitere 20 Tage verlängert werden. So hatte die griechische Regierung 2013 damit begonnen, Kinder während längerer Zeit in speziellen Räumen auf Polizeirevieren einzusperren oder sie in den Empfangs- und Identifikationszentren  (hotspots) festzuhalten. So  werden manche Kinder den ganzen Tag über eingesperrt mit nur 30 Minuten Ausgang pro Tag. Darüber hinaus sind in den Haftzentren Bettwäsche und Produkte zur persönlichen Hygiene unzureichend[2]

Im August 2017 hatte die griechische Regierung versprochen, alle unbegleiteten Kinder in speziellen Unterkünften oder Schutzzonen unterzubringen. Trotzdem waren bis zum letzten Dezember (2017) immer noch 54 unbegleitete Kinder auf Polizeiposten oder in  Auffanglagern für Flüchtlinge vorbeugend inhaftiert.

Langfristig hat die Haft einen negativen Einfluss auf die Kinder, sie behindert ihre Entwicklung und begünstigt Ängste und Depression, aber auch posttraumatischen Stress und Erinnerungslücken. Die Mehrheit dieser Kinder hat beim Versuch, dem Krieg zu entkommen, Schreckliches erlebt. Bei ihrer Ankunft vor Ort haben sie keinen Zugang zu richtiger medizinischer Behandlung, psychologischer Betreuung oder rechtlicher Unterstützung.  Nur sehr wenige kennen überhaupt den Grund für ihre Haft  oder für wie lange sie in Haft sein würden. Diese Inhaftierung bedeutet eine Verletzung der Kinderrechte, wie es der Generalsekretär der Vereinten Nationen bestätigt.[3]  Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hebt ebenfalls hervor, dass das vorbeugende Wegsperren von unbegleiteten Kindern in Haftanstalten  für Erwachsene eine inhumane Behandlung ist.

Für die griechischen Behörden ist es höchste Zeit, dass sie ihre Praktiken der vorbeugenden Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen überprüfen.

Was muss Griechenland tun?

Um ihren Verpflichtungen in Sachen Kinderrechte nachzukommen, muss Griechenland für die Kinder, die immer noch in Haft sind, offene Einrichtungen bereitstellen. Das bedeutet, dass sie mehr sichere Unterkünfte bereitstellen und Alternativen zur Inhaftierung finden müssen, die es diesen Kinder ermöglichen, sich auf angemessene Art und Weise frei zu bewegen und nicht derselben Behandlung wie ein Gefangener zu unterliegen.

Der Europarat hat eine Strategie (2016-2021) für das Respektieren der Kinderrechte erarbeitet, von der wir hoffen, dass Griechenland ihr so schnell wie möglich nachkommen wird : diese bekräftigt, dass das Prinzip des übergeordneten Interesses des Kindes die allererste Erwägung bei allen kindbezogenen Entscheidungen sein muss. Sie präzisiert, dass Kinder Informationen erhalten müssen, die ihrem Verständnis angepasst sind und Verfahren und Leistungen erhalten müssen, die an  ihren Bedürfnissen und Gefährdungen ausgerichtet sind .[4]

Nach  Human Rights Watch könnte Griechenland auch ein System von Gast- oder Patenfamilien einrichten, von dem sowohl  Migrantenkinder ohne Aufenthaltserlaubnis als auch griechische Kinder profitieren würden.[5]

In den Auffanglagern sind besonders Mädchen und Frauen von Gewalt bedroht

Ein anderer Aspekt ist, dass für die geflüchteten Mädchen und Frauen auf Grund der Überbelegung der ‘hotspots’ (Auffanglager) auf den griechischen Inseln  das Risiko von Sexualdelikten besonders hoch ist.  Das Uno Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat Freitag, den 16. Februar 2018 seine Besorgnis über die Sicherheit von Kindern und Frauen in diesen Lagern erklärt. Es hat 622 Zeugenaussagen von Opfern sexueller Gewalt unter den Flüchtlingen, die 2017 nach Griechenland gekommen sind, gesammelt. Ein Drittel der Personen beklagen, dass sie in Griechenland in den Auffanglagern angegriffen wurden. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. [6] Nach Cécile Pouilly, der Sprecherin von UNHCR, sind Toiletten und Latrinen nach Einbruch der Dunkelheit No go Zonen für Frauen und Kinder, zumindest wenn sie nicht begleitet werden, selbst das Duschen tagsüber  kann gefährlich sein.

Bild 2 – EIDOMENI, Griechenland – 17. März 2015: Ein lachendes kleines Mädchen vor seinem Zelt im Flüchtlingslager.

Leider hat sich die griechische Regierung, indem sie den UNHCR Bericht in Frage gestellt hat,  wenig kooperativ gezeigt. Das Ministerium für Flüchtlingspolitik greift den Bericht als weder « fundiert » noch « wissenschaftlich begründet » an. Dennoch : Andere Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) haben dieselben Vorbehalte erhoben. HRW hat 2016 beschrieben, wie in dem ‘hotspot’ von Moria auf der Insel Lesbos Zelte direkt auf den Strassen des Camps errichtet wurden. In einer festen Lagerhalle, in der die Flüchtlinge untergebracht waren, wurden Decken aufgehängt, nur um ein Minimum an Privatsphäre zu erreichen. Und das Camp, das für 2330 Personen ausgerichtet ist, beherbergte mehr als 6000 Personen. Die Toiletten waren verdreckt und die Menschen kämpften um Zugang zu Trinkwasser.[7]

Um Frauen und Kinder zu schützen, übt UNHCR Druck auf die griechischen Behören aus, damit einschneidende Massnahmen ergriffen werden: vor allem,  dass Frauen nicht gezwungen werden, Unterkünfte mit ihnen unbekannten Männern zu teilen und dass getrennte Duschbereiche garantiert werden.  Ebenso verlangen sie die Ausweitung von moralischer Rückendeckung, Aufstockung von Polizeipräsenz und Personal zur Bekämpfung von Sexualdelikten.[8]

Und um Kinder vor Missbrauch zu schützen, hat das UNHCR bereits 2015 dazu aufgerufen, die Inhaftierung von Kindern zusammen mit Erwachsenen zu unterlassen.

Es bedarf noch vieler Anstrengungen, um diese Kinder zu schützen:  von der Änderung von Verwaltungsvorschriften, nach denen sie wie Gefangene einsperrt werden, bis zur Mobilisierung weiterer Mittel zu ihrem Schutz und zu ihrer Sicherheit. Diese Kinder, die von so weit hergekommen sind, träumen nur davon, in Würde zu leben.

 

Redigiert von: Menatalla Nour

Deutsche Übersetzung: Susanne Schröder

Korrekturgelesen: Sina Acksen

 

[1] „Irregular migrant children are among the most vulnerable“, says Council of Europe’s Anti-racism Commission. (14. November 2016).   Internetadresse :  https://www.coe.int/en/web/children/-/european-day-to-end-child-sex-abuse-irregular-migrant-children-are-among-the-most-vulnerable-says-council-of-europe-s-anti-racism-commission.

[2] Comité pour la Prévention contre la Torture. (26. September 2017). Report to the Greek government on the visits to Greece carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment. Internetadresse: https://rm.coe.int/pdf/168074f85d

[3] Conseil de l’Europe | Grèce: le comité anti-torture critique le traitement des migrants en situation irrégulière et le maintien en rétention de mineurs. (26. September 2017).   Internetadresse:   https://asile.ch/2017/09/26/conseil-de-leurope-grece-comite-anti-torture-critique-traitement-migrants-situation-irreguliere-maintien-retention-de-mineurs/.

Conseil de l’Europe. (n.d). The Parliamentary Campaign to End Immigration Detention of Children http://website-pace.net/en_GB/web/apce/children-in-detention.

[4] Council of Europe Strategy for the right of the Child (2016-2021). (März 2016).   Internetadresse: https://rm.coe.int/168066cff8

[5] Tilianaki, M. (23. Januar 2018). Asylum-Seeking Kids Locked Up in Greece.   Internetadresse : https://www.hrw.org/news/2018/01/23/asylum-seeking-kids-locked-greece

[6] L’ONU alerte sur des violences sexuelles qui visent les réfugiés en Grèce (9. Februar 2018)

https://www.lexpress.fr/actualite/monde/europe/l-onu-alerte-sur-des-violences-sexuelles-qui-visent-les-refugies-en-grece_1983672.html

[7] Margolis, H. (14. Februar 2018). Misery for Women and Girls in Greece’s Island Paradise.   Internetadresse :

https://www.hrw.org/news/2018/02/14/misery-women-and-girls-greeces-island-paradise.

[8] Grèce : le HCR alerte sur les violences sexuelles dans les centres d’accueil de réfugiés à Lesbos et Samos. (9.Februar 2018).   Internetadresse :  https://news.un.org/fr/story/2018/02/1005241