Brexit: Eine Herausforderung für die Wahrung der Kinderrechte in Großbritannien

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Ein besorgniserregender und unsicherer Ausgang für den Brexit

Am 23. Juni 2016 haben 51,9% der britischen Bevölkerung beschlossen, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen soll. In den letzten drei Jahren haben anhaltende Debatten und Diskussionen zwischen dem europäischen und dem britischen Parlament zu einem hohen Maß an Unsicherheit, Zweifeln und Besorgnis über das Verfahren geführt. Dies lässt sowohl die Bürger der EU als auch die Bürger des Vereinigten Königreichs weiter im Unklaren, darüber was letztendlich geschehen wird, sobald die UK die Europäische Union endgültig verlassen hat. Bis heute müssen die britische Regierung um Premierministerin Theresa May und der Europäische Rat, angeführt von Donald Tusk, noch eine Einigung über die Bedingungen des Austritts erzielen. Ohne solch eine Einigung wird die UK gezwungen sein, die EU ohne ein Abkommen zu verlassen. Das offizielle Austrittsdatum, der 29. März 2019, rückt immer näher, während die Besorgnis aller Beteiligten Akteure weiter steigt..

 

Das EU-Siedlungsschema: Ein Versuch, die Bevölkerung zu beschwichtigen

Im Januar 2019 versuchte die britische Regierung die Unsicherheit innerhalb der Bevölkerung zu adressieren, indem sie den in Großbritannien lebenden europäischen Bürgern die Sorge um die Staatsangehörigkeit nehmen wollte. Das EU-Siedlungsschema soll dabei die fast 3,5 Millionen im Vereinigten Königreich lebenden europäischen Bürger registrieren. Hierbei können EU Bürger entweder einen „festen Status“ beantragen, sofern sie bereits mindestens fünf Jahre im Vereinigten Königreich gelebt haben, oder einen „vorläufigen Status“, wenn sie diese Kriterien noch nicht erfüllen (Innenministerium, 2019). Mit dieser Vereinbarung hoffte die britische Regierung, die europäischen Expats im Vereinigten Königreich zu beruhigen, erreichte jedoch genau das Gegenteil; Sorgen um die Wahrung der für alle EU Bürger geltenden Rechte, speziell in Bezug auf die Staatsangehörigkeit, wurden lauter.

 

Gefährdung von Kinderrechten durch dieses Schema

Trotz der Bemühungen, das Verfahren so einfach, effektiv und zugänglich wie möglich zu gestalten, wird der Regierung vorgeworfen, schutzbedürftige Gruppen dabei zu exkludieren und die Augen vor der Komplexität der Lebensbedingungen einiger Bürger zu verschließen. Tatsächlich leben von den 900.000 europäischen Kindern im Vereinigten Königreich rund 5000 getrennt von ihren Eltern, in Pflegeheimen, kennen nur einen Elternteil oder kommen aus benachteiligten Verhältnissen. Aus diesen Gründen kann es bei Registrierungsversuchen aufgrund fehlender Dokumente über die eigene Abstammung oder eines ständigen Wechsels der institutionellen Rahmenbedingungen zu zahlreichen Schwierigkeiten kommen (Coram Children’s Legal Center, 2019). Die Coram Organisation führte eine Studie durch und stellte dabei fest, dass einem Fünftel der Kinder die erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung stehen und mehr als die Hälfte rechtlichen Beistand benötigten. Selbst für den Fall, dass die Kinder, die in Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen aufgewachsen sind, über alle erforderlichen Nachweise und finanziellen Mittel verfügen, laufen sie dennoch Gefahr, dass ihr Antrag aufgrund früherer strafrechtlicher Delikte abgelehnt wird (Coram Children´s Legal Center, 2019). Schätzungen zufolge könnten nach dem 29. März etwa 100.000 Kinder undokumentiert bleiben.

Daher wird die Regierung aufgefordert, das EU-Siedlungsschema zu überarbeiten und an schutzbedürftige Gruppen anzupassen, da ein solcher Umstand den Kindern nicht nur die Staatsbürgerschaft entziehen würde, sondern auch den Zugang zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt sowie zu angemessenem Wohnraum erheblich beeinträchtigen würde.

 

Kinderrechte treten bei der Diskussion um den Brexit in den Hintergrund

Das Recht auf Staatsangehörigkeit ist jedoch nicht das einzige Feld, auf dem Unsicherheiten und Sorgen hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen dem Brexit und Kinderrechten bestehen. In jüngsten Berichten wird die Furcht vor einer gerichtlichen Erosion sowie einer Rückentwicklung eben dieser Rechte innerhalb des Vereinigten Königreiches nach dem Brexit hervorgehoben, die durch eine Reihe europäischer Gesetztestexte geschützt sind. Diese werden jedoch nicht in britische Gesetztestexte übertragen, wie z.B. Artikel 24 der EU Charta zur Förderung der Bedeutung und allgemeinen Geltung des Kindeswohles bei allen institutionellen Entscheidungen (Children’s Right Alliance for England, 2019). Darüber hinaus äußerten zahlreiche Institutionen ihre Unzufriedenheit mit der schieren Präsenz der Diskussionen um den Brexit innerhalb des Unterhauses (Parlament) auf Kosten wichtiger Fragen in Bezug auf das Thema Kinderrechte. Diese gewinnen in Großbritannien jedoch stark an Bedeutung und erfordern sofortige Aufmerksamkeit, beispielsweise das zunehmende Ausmaß von Obdachlosigkeit unterhalb von Kindern oder Kinderarmut. Zum Vergleich, die Anzahl von Kindern in relativer Armut betrug 2014-15 rund 3,9 Millionen und stieg in dem Jahr, in dem für den Brexit gestimmt wurde, auf 4,1 Millionen an, der höchste Stand seit 2010 (End Child Poverty, 2017).

 

Es ist daher offensichtlich, dass sich der Brexit auch auf die Kinderrechte auswirken wird, nun liegt es jedoch in der Hand der britischen Regierung, die Interessen der Kinder nicht aus den Augen zu verlieren, während sie parallel über die Zukunft Großbritanniens außerhalb Europas entscheiden.

 

Wir bei Humanium haben es uns zum Ziel gesetzt, die Rechte eines jeden Kindes auf der Welt zu verteidigen, indem wir das Bewusstsein der Menschen stärken, direkt vor Ort sind sowie daran arbeiten, die Wahrnehmung zu ändern.

 

Geschrieben von Maureen Fauconnier
Übersetzt von Florian Stuhldreier

 

 

Quellenangaben:

Home office, “Settled and pre-settled status for EU citizens and their families”, [Online] 2019, https://www.gov.uk/settled-status-eu-citizens-families

Coram Children’s Legal Centre, “Uncertain futures: the EU settlement scheme and children and young people’s right to remain in the UK”, [Online] 2019, https://www.childrenslegalcentre.com/wp-content/uploads/2019/03/EUSS-briefing_Mar2019_FINAL.pdf

Children’s Right Alliance for England, “State of Children’s Rights in England, 2018, Executive summary”, [Online] 2018, http://www.crae.org.uk/media/127101/B1_CRAE_EXEC-SUM_2018_WEB.pdf

End Child Poverty, “ 4 million children now living in poverty in the UK”, [Online] 2017, https://www.endchildpoverty.org.uk/4-million-children-now-living-in-poverty-in-the-uk/