Liebe, ein universelles Heilmittel, um Andersartigkeit zu verkraften ?

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Cody liebt wie viele Kinder das Wasser, er liebt es zu schwimmen, auf dem Trampolin zu springen, die Welt um ihn herum zu erforschen, Musik zu hören, zu fischen, zu reiten, Zeit mit seinem Vater und seinen Großeltern zu verbringen. Cody ist ein besonderes Kind, denn er leidet unter einer seltenen angeborenen Fehlbildung, der sogenannten bilateralen Anophtalmie, d.h. er wurde ohne beide Augenanlagen geboren. Später wurde bei ihm Autismus diagnostiziert, was ihn zu einem einzigartigen Fall macht.

Den Menschen, die Cody begegnen, ist sofort klar, dass er nicht so ist wie andere Kinder. Wenn sie ihn recht häufig voller Traurigkeit betrachten und ihn im Vergleich zu anderen Kindern als andersartig einschätzen, liegt das daran, dass sie sich nicht die Zeit nehmen, ihn kennen zu lernen und zu erkenne, in welcher Hinsicht er ganz unglaublich ist. Da sie davon überzeugt sind, dass Cody sie nicht versteht, lassen sie ihn links liegen. Wie andere Kinder, die unter einem Handikap leiden, benötigt Cody spezielle Aufmerksamkeit und geschultes Personal, das es ihm ermöglicht, seine Kapazitäten zu entwickeln und zu kommunizieren.

In der öffentlichen Schule, in die er jeden Tag geht, gehört er zu dem „Ressourcen Raum“, das ist eine spezielle Klasse mit spezialisierten Lehrern, wie sein Lehrer für das Sichtfeld oder ein Lehrer, der ihm beibringt, den Stock zu benutzen und sich selbständig fort zu bewegen.

Seine Schule bietet ein zweigleisiges Programm an, das es ihm ermöglicht, dem spezialisierten Unterricht zu folgen und ebenfalls viele Dinge mit den anderen Schulkindern zu teilen, Dinge, die er toll findet.

Das einzigartige Handicap, unter dem Cody leidet, bleibt eine Herausforderung, nicht nur hinsichtlich seiner Behandlung sondern auch, weil es wenige Leute gibt, die über die notwendige Erfahrung verfügen, um ihm helfen zu können. Gegenwärtig arbeitet er mit einem Paar zusammen, das ihm beibringt, taktile Dinge als Symbole zur Kommunikation einzusetzen. Das ist ein langer Weg, aber es ist eine neue Methode, die Erfolge zeigt.

In einem Interview mit Humanium erzählt Corinne Martens, die Mutter von Cody, von den Schwierigkeiten, auf die sie trifft und wie sich ihr Leben nach der Geburt ihres zweiten Kindes total verändert hat. Wie jede Mutter mit dieser Art von Herausforderung braucht sie mehr Zeit und Anstrengungen, um Cody großzuziehen, als sie benötigt hat, um sich um ihre ältere Tochter Jessica zu kümmern.

Während Cody in der Schule ist oder bei einer seiner Therapien, ist sie halbtags berufstätig und wenn sie nach Hause kommt, dann übt sie mit ihm, die angelernten Fähigkeiten für seine Kommunikationsversuche umzusetzen.

Das soziale Leben und das Familienleben wurden total auf den Kopf gestellt. Alle Aktivitäten müssen geplant werden und beanspruchen im Prinzip alle Zeit, die zur Verfügung steht. Es braucht Geduld und es ist manchmal frustrierend, vor allem für Jessica, die sich wegen der ganzen Aufmerksamkeit, die ihr Bruder benötigt und auf Grund der Tatsache, das sie nicht denselben Aktivitäten wie die anderen Familien nachgehen können, vernachläßigt fühlt.

Glücklicherweise bezieht die Familie Unterstützung, sie konnte sich in Gesprächskreisen über ihre Probleme austauschen, an Workshops teilnehmen und on-line Hilfe erhalten. All dieses hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Die kanadische Regierung selbst hilft allen Eltern in solchen Situationen und bietet ihnen die notwendige Unterstützung an, damit ihre Kinder von den richtigen Personen mit entsprechender, auch therapeutischer Ausbildung betreut werden und sie sogar von Sitzungen zu Hause profitieren. Das Ziel ist, dass die Kinder lernen zu kommunizieren, sich zu orientieren und die notwendigen Kompetenzen zur Selbständigkeit entwickeln.

Über ihre Rolle als Mutter hinaus setzt sich die Mutter von Cody für die Belange von Kindern ein. Sie fragt nach bei allen Stiftungen und Organisationen, die gewillt sind, mit ihr zusammenzuarbeiten, nicht nur in finanzieller Hinsicht, um die hohen Kosten abzudecken, die durch das Handicap entstehen (Augenprothesen, orthopädische Schuhe, Behandlungen, spezielle Ausbildung), sondern auch, um eine Botschaft zu vermitten und über das Leben von Cody Zeugnis abzulegen.

Stolz konstatiert sie die Fortschritte ihres Sohnes. Sie hat gelernt, ihn zu verstehen und seine Körpersprache zu lesen. Sie weiss, dass er glücklich ist, wenn er bei der Hausarbeit mitmachen kann und mitten drin ist. Nach und nach wird er selbständiger und nur dafür will sie weiter kämpfen.

Ich stelle mir vor und ich hoffe, dass er seine Selbständigkeit weiter entwickeln wird, damit er noch mehr vom Leben hat. Ich bin stolz darauf, zu diesem Wachstumsprozess beizutragen. Ich weiss nicht, ob er eines Tages komplett selbständig sein wird, ich glaube, dass er immer jemanden als Hilfe brauchen wird, aber ich bin sicher, dass er weiter von der Gesellschaft mit anderen profitieren wird, vor allem durch diejenigen, die ihn lieben.

Überall gibt es Kinder, die unter einem Handicap leiden und mit großen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Wenn ich Artikel darüber lese und sehe, dass sie in Einrichtungen untergebracht sind und nicht inmitten ihrer Familie, bricht es mir das Herz. Ich höre immer wieder von Eltern, die sagen, dass Ärzte und Fachleute sie dazu gedrängt haben, auf ihr Kind auf Grund der Stigmatisierung von behinderten Kindern oder unzureichende Hilfe der Regierung zu verzichten. Es muss ausserdordentlich schwer sein, auf sein Kind zu verzichten mit dem Gefühl, dass man keine andere Wahl hat.

Die Dinge müssen geändert werden. Diese Kinder brauchen Liebe und Unterstützung. Sie brauchen auch finanzielle Mittel um zu wachsen und zu lernen. Sie benötigen ein zu Hause, in ihrer Familie, als Teil der Gemeinschaft.

Artikel 23 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist den Kindern gewidmet, die geistig oder körperlich behindert sind. Er schreibt vor, dass die Regierungen die notwendige Hilfe zur Verfügung stellen müssen, damit jedes behinderte Kind ausreichend Zugang zu Erziehung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Rehabilitation, Vorbereitung auf eine Beschäftigung und Regenerationsmassnahmen hat, damit eine möglichst komplette soziale Integration sichergestellt werden kann. Kinder, die geistig oder körperlich behindert sind, müssen ein ausgefülltes und anständiges Lebens führen können, unter Bedingungen, die ihre Würde garantieren, ihre Selbständigkeit unterstützen und ihre aktive Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erleichtern.

Diese Rechte werden auf’s Spiel gesetzt, wenn Kinder in Pflegeeinrichtungen gesteckt werden, denn sie sind nicht mehr in der Situation, Ermutigung zu bekommen, Zuwendung, Anstösse, Hilfe und die Liebe ihrer Eltern, grundlegende Element für Wachstum und Entwicklung.

Häufig werden sie von Personal versorgt, das nicht über die notwendigen Qualifikationen verfügt, um den besonderen Bedürfnissen bei dem Verhalten, der Entwicklung und Erziehung von behinderten Kindern zu entsprechen. Zahlreiche Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch auf Grund von Personalmangel, Mangel an Zeit und fehlender Ausbildung wurden angeprangert.

Diese Kinder müssen in einem familiären Umfeld leben, das ihnen Liebe gibt und sie umsorgt. Die Familien müssen finanziell von der Regierung unterstützt werden, um für ihre Kinder die notwendige Pflege sicherzustellen und von der Arbeit entlastet zu werden. Sie brauchen auch Geld für Behandlungen und Aufwendungen für Ausbildung. Darüberhinaus werden spezielle Ausbildungsprogramme benötigt mit den Möglichkeiten einer regelrechten Integration. Gemeinschaftsprogramme müssen angepasste Möglichkeiten anbieten. Diese Kinder müssen täglich mit der Natur in Berührung kommen,, mit anderen, mit Gruppen, mit Lernprozessen, mit Musik, Büchern, Spielen und sie müssen mit anderen Kindern interagieren. Körper und Geist müssen durch Lernen und Übungen stimuliert werden. Sie müssen lernen, mit sich selbst pfleglich umzugehen und so ein Gefühl von Stolz und Erfolg entwickeln, damit sie das Gefühl haben, ihr Leben und ihre Identität selbst in der Hand zu haben.

Mit ganzem Herzen bin ich bei den Kindern, die von ihren Familien getrennt sind und in Einrichtungen leben, wo sie häufig in Stich gelassen, schlecht behandelt und vernachlässigt werden. Wenn ich die Möglichkeit und Mittel hätte, würde ich sie alle zu ihren Familien zurückbringen und diese Einrichtungen schließen. Wenn ich ausreichend Gehör fände, würde ich die Regierungen davon überzeugen, die Rechte der behinderten Kinder zu schützen, die Gelder, die für die Einrichtungen vorgesehen sind, umzudirigieren und sie den Familien der behinderten Kinder und deren Umfeld zu geben.

Wenn ich, trotz der Entfernung, die Liebe, die ich im Herzen trage, kommunizieren könnte, wäre meine Botschaft an die Eltern folgende : « Spüren sie die Liebe und die Freude, die ich für mein Kind im Herzen trage. Ihr Kind ist ein kostbares Geschenk, voller Liebe und Verheißung. Sie haben eine ganz besondere Aufgabe, nehmen sie sie an, kämpfen sie und vor allem, seien sie dankbar. Ihr Kind braucht Sie ganz dringend, lassen Sie es nicht gehen. »

QUELLE: Persönliches Interview mit Corinne Martens

Geschrieben von : María Elena Ramírez
Übersetzt von : Susanne Schröder