Die Rechte indigener Völker: vom Erfolg zum Privileg

Posted on Posted in Gesundheit, Kinderrechte, Umwelt

Indigene Völker ist ein kontroverser Begriff. Gemäß des renommierten Merriam-Webster Wörterbuches bedeutet indigen „eingeboren“, „angeboren“, „einer Region angehörend“. Synonyme sind „eingeboren” und “einheimisch”. Es ist ein Adjektiv, das aufgrund seiner Mehrdeutigkeit im Laufe der Geschichte instrumentalisiert wurde. Erinnern Sie sich nur an das Henne-Ei-Dilemma. Was war zuerst da? Wer sind die wirklichen Einheimischen, wer die wirklichen Eingeborenen?

Letzten Endes sind Eroberungen und Besatzungen seit Jahrtausenden eine gängige Praxis zur Überschreitung von Kulturen und Zivilisationen. Fast jede Kultur, die bis heute überlebt hat, vernichtete zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte eine andere Kultur. Interessanterweise sind es immer die Privilegierten, die auf diese Weise argumentieren.

In der englischen Sprache gibt es hier ein interessantes Beispiel. Das Wort „peoples“ (Völker) sieht mit einem an das Wort „people“ (Menschen/Volk) angehängten –s harmlos aus. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen. Dieser eine Konsonant beinhaltet eine erhebliche Brisanz. Das Wort „peoples“ im Gegensatz zu „people“ deutet Verwandtschaft, Gemeinschaft und Zugehörigkeit an. Für die Mächtigen, die ihre Macht erhalten indem sie sich an die Maxime des Teilens und Herrschens aus der altgriechischen Kriegsführung halten, verkörpert „peoples“ den Erzfeind. Macht wird durch Spaltung erhalten.

Seit Anfang September werden wir Konsument*innen der westlichen Medien mit Berichten über die Regenwaldbrände im Amazonas bombardiert. Während die Menge der Nachrichten beinahe einen Sättigungspunkt erreicht hat, gibt es nur einige wenige Formate, die sich mit dem Schicksal der indigenen Gemeinschaften des Amazonas auseinandersetzen. Während sich der französische und brasilianische Präsident der Mittäterschaft an der Katastrophe und des Kolonialismus beschuldigen, werden die Menschenrechte der Menschen, die den Regenwald gezähmt haben, vergessen.

Der Internationale Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besagt, dass indigene Völker das Recht haben „frei über ihren politischen Status zu entscheiden und in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten“.

Um ehrlich zu sein, könnte der französische Präsident genauso ein Mittäter sein, wie sein brasilianisches Gegenüber (denken Sie an die französischen Petroleumriesen und Automobilhersteller, die die globale Erderwärmung durch die Verbrennung immenser Mengen an fossilen Brennstoffen anheizen) und der brasilianische Präsident ebenfalls ein Kolonialist, wie sein französischer Kollege (denken Sie daran, dass es ihm nicht gelingt, international anerkannte Rechte indigener Völker zu implementieren).

Der Spruch man solle erst einmal vor der eigenen Haustür kehren könnte uns an die Beziehungen der mächtigen Eliten zu indigenen Gemeinschaften weltweit erinnern: der Eingriff von Dritten (Staaten) wird kaum toleriert und Selbstkritik wird nur wenig geübt. Schuldzuweisungen sind weit verbreitet, aber Schuldzuweisungen von Seiten indigener Völker werden meistens ausgelassen.

Indigene Stimmen werden oft auf ein Niveau reduziert, Schreie einiger bedrohter Primaten, die nicht für sich selbst sprechen können, zu sein, um Eingeborene darzustellen, als seien sie von Natur aus verletzlich und ausgenutzt von ihren so genannten zivilisierten Herrscher*innen. Kontrovers ist, dass bedrohte Tierarten im „Bereich Gefährdung“ viel gemeinsam haben mit indigenen Völkern.

Abholzung und der Verlust des Lebensraums werden vorrangig als Aspekte des Naturschutzes verstanden, obwohl sie sich genauso negativ auf die eingeborenen Gemeinschaften, die als Jäger*innen, Sammler*innen und Subsistenzlandwirt*innen in den immer weiter schrumpfenden Ecken dieses Planeten leben, auswirken. Es scheint an der Zeit zu sein noch einmal zu überprüfen, wo uns unsere kapitalistische und größenwahnsinnige Weltsicht hinführt. Ob wir uns in Richtung universellem Wohlstands oder an den Rand des Abgrunds bewegen. Und ob wir wirklich die Bedeutung des Wortes Wohlstand verstehen.

Zehn einfache Dinge, die Sie für indigene Völker tun können – und vielleicht auch wollen:

  1. Seien Sie neugierig und hören Sie auf ihre Stimmen, zum Beispiel indem Sie zugehörigen Facebook-Gruppen beitreten.
  2. Teilen Sie indigene Geschichten und sprechen Sie in den sozialen Medien über indigene Themen.
  3. Unterschreiben Sie Petitionen, die von indigenen Aktivist*innen initiiert worden sind.
  4. Erzählen Sie Ihren Kindern über indigene Völker, ihre Rechte und ihre Kämpfe.
  5. Spenden Sie für und/oder engagieren Sie sich ehrenamtlich für indigene Organisationen und NGOs.
  6. Kaufen Sie lokale Produkte solange Transportunternehmen sich nicht umweltbewusst verhalten. Vielleicht sogar noch danach.
  7. Meiden Sie es die Versuche der Tourismusbranche zu unterstützen, einheimische Menschen als Ware zu präsentieren.
  8. Boykottieren Sie Produkte, die aus vom Aussterben bedrohten tropischen Baumarten hergestellt werden.
  9. Kaufen Sie “fair trade” und, wenn möglich, biologisch angebaut.
  10. Kaufen Sie keine exotischen Haustiere, die in der Wildnis gefangen wurden.

Dieser Artikel wurde für Humanium geschrieben. Bei Humanium fördern wir das Recht auf Leben für jeden Menschen und die Konservierung der Natur mit allem und jeder/m, der/die Teil von ihr ist. Das Jahr 2019 markiert das 30. Jubiläum der Kinderrechtskonvention mit Veranstaltungen in Genf und New York. Wir hoffen, dass auch Sie Teil dieser wichtigen Feierlichkeiten waren, indem Sie teilgenommen, geteilt und diskutiert haben.

Geschrieben von Matyas Baan

Übersetzt von Andrea Quaden