Humanium Helpline – Beratung und Hilfe von Menschen für Menschen

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Oft ist die tatsächliche Hilfe nicht der juristische Rat, nicht der Kontakt zu einer regionalen NGO oder zu einem Anwalt. Was wirklich hilft, ist das Gefühl gehört und verstanden zu werden. Mit großen Sorgen nicht ganz allein zu sein“, sagt Anja Finke, die für Humanium seit Anfang des Jahres ehrenamtlich die Helpline betreut. Die geborene Wiesbadenerin hat in Genf Jura studiert und lebt jetzt in Frankreich, in Bellegarde-sur-Valserine. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen. Über die Menschen, die Hilfe suchen. Und über die, die Hilfe anbieten.

Die Humanium Helpline ist ein Kernelement des weltweiten Einsatzes von Humanium für Kinderrechte. Über ein Kontaktformular auf der Internetseite (https://www.humanium.org/de/helpline) können Verstöße gegen Kinderrechte gemeldet werden – in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Die Mitarbeiter der Helpline, Juristen und Jurastudierende im Praktikum, beraten schriftlich. Sie erteilen Auskunft, vermitteln Kontakte und setzen sich mit den Ratsuchenden für das gemeinsame Ziel ein: Die Verteidigung der Kinderrechte, weltweit.

 

Anja, wie genau helft Ihr bei der Helpline den Ratsuchenden?

Die Helpline bietet Menschen aus der ganzen Welt eine schriftliche, kostenlose Rechtsberatung. Wir vertreten nicht vor Gericht und wir übernehmen keine „Fälle“. Unsere Aufgabe ist es in erster Linie Lösungsansätze aufzuzeigen. Wir können aus unserem weltweiten Netzwerk Kontakte vermitteln, zum Beispiel zu regionalen NGOs oder zu ehrenamtlichen Anwälten vor Ort. Auch zuständige Behörden können wir benennen. Oft hilft es schon, einen allgemeinen Durchblick in den Strukturen und auf die Rechtslage zu verschaffen. Mit unserer Unterstützung können die Ratsuchenden sich und die Interessen der Kinder verteidigen.

 

Was sind das für Anfragen, die Ihr bekommt und von wo kommen sie?

Die Anfragen kommen tatsächlich aus aller Welt. Manchmal schreiben Erwachsene für Kinder, oft sind es Familienmitglieder oder Nachbarn. Genauso oft melden sich die Betroffenen selbst. Es geht um Fälle von Kindesmissbrauch, um Sorgerechtsstreitigkeiten oder Kindesentführungen ins Ausland. Manchmal melden sich Migranten, die Fragen haben zu Familiennachzug oder Staatsangehörigkeit. Letzten Monat hat man sich an uns gewandt, um eine Zwangsheirat in Uganda zu verhindern. Und aus Ruanda hat sich ein Vater gemeldet, dessen kleines Baby zusammen mit der Mutter im Gefängnis sein muss. Mütter schreiben uns, weil der Kindsvater verschwunden ist oder keinen Unterhalt zahlt. Adoptionsfragen werden an uns herangetragen oder man fragt uns, welche Rechte eine Familie bei einer Zwangsräumung hat. Du siehst – es ist wirklich sehr verschieden.

 

Kinderrechtsverletzungen geschehen immer nur ganz weit weg, nicht bei uns in Europa, könnte man meinen?

Ja, so denkt man, aber so ist es nicht. Kürzlich hat sich ein junges Mädchen an uns gewandt, weil sie Opfer von Cybermobbing geworden ist. Sie hat sich für einen Chat mit der Webcam gefilmt und wurde dann erpresst. Das kommt sehr oft vor, hier bei uns, in Europa, in diesem Fall in Frankreich. Sie hat sich an uns gewandt, nachdem man ihr vorher bei einer Telefonhotline das Gefühl vermittelt hatte, selbst schuld zu sein.

In so einem Fall macht alleine die Haltung den Unterschied. Zum einen konnten wir konkret helfen, weil wir ihr verschiedene Stellen vor Ort genannt haben, die ihr weitergeholfen haben. Aber entscheidender war, glaube ich, dass da Menschen waren, die wertfrei zugehört und verstanden haben.

 

Eine große Dankbarkeit, ernst genommen zu werden?

Ja, genau. Und das geht ganz vielen unserer „Klienten“ so. Wir können mit Zuwendung und mit für uns alltäglichen Mitteln, mit ein bisschen Recherche und unserem Wissen so vielen Menschen helfen. Denn was selbstverständlich für uns ist, ist für viele, viele Menschen eine riesige Hürde. Sei es durch fehlende Geldmittel, Mobilität, Zugang zum Internet, Sprachbarrieren, Rechtsverständnis, was auch immer.

Ich kann oft mit wenigen Minuten Recherche die richtige Stelle nennen, an die Flüchtlinge sich wenden müssen. Oder Schulkindern helfen, die mehr über Kinderrechte erfahren wollen. Auch das geschieht oft.

 

Schulkindern helfen, das klingt einfach und schön. Aber bei den anderen Anliegen, die Du mir eben genannt hast, waren schon ein paar schwere Brocken dabei. Wie schaffst Du es, emotionalen Abstand zu den „Kracher-Themen“ zu halten?

Das ist eine gute Frage, es berührt einen schon, natürlich. Aber ich muss es mir ja nicht nur passiv anhören, ich kann ja aktiv helfen. Und alle diese Themen, mit denen wir uns bei Humanium beschäftigen zeigen mir, wie viel noch zu tun ist bis weltweit Kinderrechte respektiert werden. Jedes Anliegen ist daher zugleich ein Ansporn weiterzumachen.

Am schwierigsten ist es, wenn die Rechtslage eigentlich klar ist, ich aber schon voraussehe, dass diese Info der anfragenden Person nicht helfen kann, weil der Zugang zur Justiz in ihrer Heimat unzureichend ist. Ich kann also beraten, die Rechtslage erklären, weiß aber quasi schon, dass das nichts helfen wird. Das ist traurig.

Aber das ich gar nicht helfen kann, ist noch nie vorgekommen. Zumindest können wir immer Kontakte vermitteln, zu lokalen NGOs die Safe-Spaces anbieten, zum Beispiel für Mädchen, die zwangsverheiratet werden sollen.

 

Es geht Euch also primär gar nicht um juristische, sondern eher um pragmatische Lösungen?

Wir wollen in erster Linie, dass es den Menschen, den Kindern besser geht. Wenn das erreicht ist, ist die juristische Klärung zweitrangig. Zum Beispiel vermitteln wir in Sorgerechtsfällen oder Entführungen ganz oft an Stellen, die in Familienmediation geschult sind, damit zuallererst versucht wird, eine Lösung im Guten zu finden.

 

Ihr versteht euch als Vermittler, höre ich heraus.

Wir sind erste Anlaufstelle und Wegweiser zu einer guten Lösung. Wir behandeln die angefragten Fälle keinesfalls von A bis Z, das ist nicht unsere Aufgabe. Wenn es konkret wird, greift unsere Partnerschaft mit L´AADH.

Die „Alliance des Avocats pour les Droits de l`Homme“ koordiniert für Humanium eine neutrale, kostenlose und vertrauliche juristische Unterstützung bei der Bearbeitung von Hilfegesuchen im Zusammenhang mit der Verletzung der Rechte eines Kindes. L’AADH stützt sich auf ein Netzwerk von mehr als 26000 ehrenamtlichen Anwälten.

 

Dass die Hilfe ehrenamtlich ist, ist immer entscheidend?

Ja, denn unsere Rechtsberatung richtet sich an arme Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können. Deswegen ist leider auch das Kontaktformular der Helpline so umfangreich. Wir wissen, dass es viele Ratsuchende überfordert und leider eine Barriere ist, aber wir benötigen die Informationen zu Einkommen oder bereits eingeschalteten Anwälten vor allem dann, wenn wir an die L´AADH übergeben.

Aber erstmal versuchen wir, die Fälle intern zu klären. Humanium hat glücklicherweise sehr familiäre Strukturen und einer beiden Gründer, Arndt Soret, ist Anwalt und unterstützt die Helpline.

Aber, wie gesagt, oft braucht es gar keinen Anwalt, sondern nur jemanden, der Verständnis hat und zuhört.

 

Dein Job für die Helpline ist sicherlich kein „business-as-usual“. Was treibt dich an, Humanium zu unterstützen?

Ich kenne die weltweite Lage der Kinderrechte und versuche, das Positive zu sehen. Wenn ich in nur einem von 50 oder sogar 100 Fällen helfen kann, dann ist das ein Erfolg. Ich weiß, dass wir nur mit kleinen Schritten und mit wenigen Tropfen im Ozean die Lage der Kinder weltweit verbessern. Aber nichts zu tun ist keine Alternative! Und, wenn ich das noch sagen darf, ich würde mir wünschen, dass noch viel mehr Menschen das so sehen und Humanium mit einer Spende (https://www.humanium.org/de/spenden), einer Patenschaft (https://www.humanium.org/de/pate-werden-2) oder ehrenamtlich (https://www.humanium.org/de/internships) unterstützen. Danke schön!

 

Geschrieben von: Andrea Goffart