Kinder in Island

Kinder in Island

Die Verwirklichung der Kinderrechte in Island

 

In den letzten Jahren hat sich die isländische Regierung für den Schutz der Kinderrechte stark gemacht. Sie hat viele Maßnahmen zum Schutz von Kindern verabschiedet und bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, deren Interessen in den Mittelpunkt gerückt. Trotzdem muss das Land noch immer einiges verbessern, vor allem mit Blick auf Rechtsprechung, die sexuelle Ausbeutung von Kindern und ihre bestmögliche Versorgung.

 Carte_ISLANDE

Index der Realisierung von Kinderrechten:9,08/ 10
Grüner Bereich: Guter Zustand

Bevölkerung: 311000
Bev. 0-14 Jahren: 20,7 %

Lebenserwartung: 82,1 Jahre
Kindersterblichkeit: 2 ‰

Hauptprobleme, mit denen Kinder in Island konfrontiert sind:

Finanzkrise und Armut

Nach dem Zusammenbruch des isländischen Bankensystems im Jahre 2008 wurde das Land von einer schweren Finanzkrise erschüttert. Der Staat kürzte seine Ausgaben, viele Familien verarmten. Die Regierung bemühte sich, die Menschen zu unterstützen, die am härtesten getroffen wurden, und seither hat es einige Verbesserungen gegeben. Doch viele Kinder mussten und müssen sehr unter den Folgen der Krise leiden. In den Bereichen Bildung und medizinische Versorgung hat sich die Situation für sie verschlechtert.

Die Sozialhilfen, mit denen die ärmsten Familien und Alleinerziehenden unterstützt werden sollen, reichen nicht aus, um den Kindern eine angemessene Entwicklung zu ermöglichen. Auch die Versorgung behinderter Kinder hat sich seit der Krise verschlechtert. Besonders in Schulen fehlen oft die Mittel, um ihren besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist zwar in einigen Aspekten besser geworden, allerdings ist die Zahl der stark übergewichtigen Kinder und Jugendlichen nach wie vor sehr hoch. Einer Studie von 2006 zufolge gelten 14,5% der Kinder im Alter von elf bis 15 Jahren als fettleibig oder übergewichtig. Dieses unnötige Übergewicht verursacht weitere ernsthafte Gesundheitsprobleme wie Herz-, Lungen- und Gelenkbeschwerden.

Viele junge Isländer leiden außerdem an psychischen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität. Die zunehmenden Patientenzahlen bringen das Fachpersonal an seine Kapazitätsgrenzen, sodass es immer schwieriger wird, Behandlungstermine oder –plätze zu bekommen. Daraus folgt außerdem in direkter Konsequenz, dass eine Behandlung der betroffenen Kinder immer häufiger über Medikamente abgewickelt wird. Diese wiederum können negative Auswirkungen auf das Nervensystem haben.

Auch die Zahl der Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche bei Teenagern zwischen 15 und 19 Jahren ist in Island relativ hoch (1,5% der Mädchen bekommen in diesem Alter ein Kind). Die Zahlen zeigen, dass die Aufklärungsarbeit verstärkt und der Zugang zu Verhütungsmitteln vereinfacht werden muss.

Rechtsprechung

Nicht immer erreichen den isländischen Kinderrechtsbeauftragten einzelne Beschwerden. Kinder, die eine Verletzung ihrer Rechte anzeigen wollen, müssen sich durch ein komplexes Beschwerdesystem verschiedener Regierungseinrichtungen arbeiten.

Auch werden Kinder, die als Zeugen aussagen, nicht immer korrekt behandelt und geschützt. Oft trauen sie sich deshalb nicht, auszusagen, was sie gesehen haben. Darüber hinaus ist das Rechtssystem nicht optimal auf Minderjährige eingestellt. Deshalb ist nicht immer gewährleistet, dass während eines Prozesses im besten Interesse des Kindes verhandelt und entschieden wird.

Island hat außerdem nach wie vor seinen Vorbehalt gegen Artikel 37 der Kinderrechtskonvention nicht zurückgezogen. Darin geht es um die getrennte Unterbringung von Kindern und Minderjährigen in Vollzugsanstalten. Kinder unter 18 Jahren sind zusammen mit Erwachsenen untergebracht. Dadurch ist die Gefahr groß, dass sie Opfer von Aggressionen werden.

Schlussendlich fehlt es auch an Hilfsangeboten für die Wiedereingliederung straffällig gewordener Jugendlicher, die aus alternativen Erziehungsmaßnahmen entlassen werden. Deshalb haben diese Kinder – ohne Anlaufstelle – oft Probleme, sich wieder in die Gesellschaft einzufinden.

Gewalt

Auch wenn in Island nicht viele Kinder selbst Opfer von Gewalt werden, so erleben sie doch oft Gewalt zwischen Erwachsenen. Vor dem Gesetzgeber gilt ein Kind erst dann als Opfer, wenn es selbst Ziel eines tätlichen Übergriffs geworden ist. Gewalt zwischen Elternteilen findet deshalb in Sorgerechtsverhandlungen nur selten Berücksichtigung. Dabei können solche Gewalterfahrungen schwerwiegende psychische Folgen für die Kinder haben.

Kinderarbeit

In Island fangen viele Kinder sehr früh an zu arbeiten, zum Teil schon mit 13 Jahren. Die Arbeitsbedingungen sind in der Regel in Ordnung. Es kommt aber in einigen Fällen zu nicht kindgerechten Arbeitsvereinbarungen, die lange Arbeitszeiten oder ernste Unfallrisiken zur Folge haben und durch die die Kinder potenziell Belästigungen ausgesetzt sind. Manchmal müssen die Kinder in ihrem Job auch Verantwortung in einem Ausmaß übernehmen, dem Kinder ihres Alters nicht gewachsen sind.

Sexuelle Ausbeutung

Auch die letzten Änderungen der Strafgesetze, die Sexualdelikte betreffen, schützen Kinder zwischen 15 und 18 Jahren nicht ausreichend vor sexueller Ausbeutung. Vergewaltigungen und andere Fälle sexueller Belästigung Minderjähriger werden nicht systematisch vor Gericht gebracht, und noch seltener kommt es zu Verurteilungen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung gestiegen, die Zahl der Verurteilungen jedoch nicht. 70 Prozent der Fälle, die wegen Vergewaltigung (erwachsener und minderjähriger Opfer) verhandelt wurden, wurden zwischen 2006 und 2009 abgeschlossen, ohne dass es eine Strafe für den Täter gab.

Hinzu kommt, dass minderjährige Prostituierte viel zu oft nicht als Opfer, sondern als Straftäter betrachtet werden.

Außerdem gibt es in Island das Prinzip der doppelten Kriminalisierung. Eine Straftat, die im Ausland begangen wurde, wird nur dann vom nationalen Justizsystem bestraft, wenn die Tat auch in dem Land, wo sie begangen wurde, einen Straftatbestand darstellt. Das schmälert die Möglichkeiten, gegen Kinderhandel vorzugehen und Kinder vor Menschenhändlern, Prostitution und Pornografie zu schützen.

Umgang mit Ausländern

In der letzten Zeit sind viele Migranten nach Island gekommen. Seitdem haben Diskriminierung und Rassismus gegenüber Ausländern zugenommen. Da es keine Gesetze gibt, die dieses Thema regeln, ist es schwierig, diesen Anstieg zu stoppen.

Besorgniserregend ist, dass die Zahl der Schulabbrecher mit Migrationshintergrund in den weiterführenden Schulen überproportional hoch ist. Fehlende Unterstützung beim Erlernen der isländischen Sprache ist der Hauptgrund dafür. Bei Kindern aus Migrantenfamilien besteht auch die Gefahr, dass sie sozial ausgegrenzt oder Teil einer Parallelgesellschaft werden und mit anderen Gesellschaftsgruppen in Konflikt geraten.