Frauen Aus Gambia Sprechen Über Die Sexuelle Gewalt Des Ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh

Posted on Posted in Gewalt, Menschenrechte

Neue Beweise haben offenbart, wie der ehemalige gambische Präsident Yahya Jammeh während seiner 22-jährigen Diktatur wiederholt sexuellen Missbrauch verübt und junge Frauen gewaltsam festgehalten hat.

„Und als ich schrie, dass ich sterben würde, sagte er: „Nein, es macht Spaß.“ Und zu den Leuten, die sich fragen, warum ich das so lebhaft und laut ausspreche: ich sage es, weil es an der Zeit ist, dass wir das hören. Es ist an der Zeit, dass wir uns alle unwohl fühlen, denn das Wohlbefinden hatte bisher katastrophale Folgen.“

Toufah (Fatou Network, 2019)

Die von Human Rights Watch und Trial International gesammelten Beweise – dank der überlebenden Frauen, die über ihre Erfahrungen gesprochen haben – zeigen eine kalkulierte Instrumentalisierung staatlicher Institutionen sowie des Büros des gambischen Präsidenten, um einen Kreislauf sexueller Gewalt und Belästigung zu entwickeln, der von Yahya Jammeh in Gang gesetzt wurde.

Wir müssen über sexuelle Gewalt sprechen

Drei Frauenberichte über den ungeheuerlichen Missbrauch, den sie, wie sie angaben, erlitten haben, lassen das Blut kochen und gleichzeitig gefrieren. Fatoumatta, Bintu und Toufah haben ihre Stimmen erhoben und ihre Erfahrungen mitgeteilt, um Gerechtigkeit walten und Jammeh die Konsequenzen für seine Handlungen tragen zu lassen. Es ist unbedingt nötig, dass diese Stimmen gehört werden.
Sexuelle Gewalt ist schwer zu thematisieren, vor allem mit Jugendlichen und Kindern. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass wir im Dialog das Tabu immer wieder brechen. Wir können und dürfen die Realität nicht ignorieren, dass viel zu viele Menschen auf der ganzen Welt, abscheulicher sexueller Misshandlung und Missbrauch ausgesetzt sind. Das Schweigen oder das Vermeiden unangenehmer Gespräche erlaubt es nur, dass die Verbrechen fortgesetzt werden und drängt ihre Überlebenden dazu, sich allein den Folgen zu stellen.

Ein korrumpiertes System, um Missbrauch fortzusetzen

Seit dem Ende der Herrschaft Jammehs im Jahr 2017 hat der Wechsel der politischen Führung allmählich dazu geführt, die für sein Amt charakteristische Kultur der Angst und des Missbrauchs zu lockern. Erst jetzt beginnen Frauen darüber zu sprechen, was sie überlebt haben.
Neben denen, die ihre Geschichten erzählt haben, wurden viele weitere Berichte über Jammeh‘s Missbrauch von hohen Beamten der gambischen Protokollabteilung, ehemaligen Mitgliedern der Präsidentengarde und ehemaligen Mitarbeitern des Senats bestätigt. Institutionen wie das Bildungsministerium, die Protokollabteilung (die Mädchen, die dort arbeiteten, können mit „Sexsklavinnen“ verglichen werden) und das Sicherheitspersonal dienten alle dazu, ein Mikrosystem zu schaffen, das Jammeh‘s sexuellen Missbrauch an jungen Frauen erleichtern sollte (Human Rights Watch, 2019).
Die Beweise, die sich aus der Untersuchung von Human Rights Watch und Trial International ergeben, zeigen ein klares Muster, wie Jammeh Frauen nötigte und seine immense Macht ausnutzte, indem er ihnen Karrierechancen und eine Existenzgrundlage in Aussicht stellte; Versprechen, welche Teil seines systematischen sexuellen Missbrauchs waren.
Marion Volkmann-Brandau, Forscherin von Human Rights Watch, erklärt, dass Jammeh „ein wiederholtes, raffiniertes Sexualraubtier“ gewesen zu sein scheint, das „Frauen gefangen, vergewaltigt und sexuell ausgebeutet hat“ (Human Rights Watch, 2019). Marion sprach persönlich mit den drei Frauen und nahm ihre Erfahrungsberichte auf.

Fatou ‘Toufah’ Jallow

Fatou Jallow, die den Namen Toufah trägt, ist mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. In Toufahs Erfahrungsbericht beschrieb sie, wie sie einen vom Staat gesponserten Schönheitswettbewerb gewonnen hatte, der Stipendien gewährte, und wie sie anschließend an Treffen im Bildungsministerium teilnahm, die sich auf ihre gemeinnützigen Aufgaben als Schönheitskönigin bezogen. Daraufhin zeigte sich Jammeh immer informeller, näherte sich ihr an und bot ihr Geschenke an, dann eine Tätigkeit in der Protokollabteilung und schließlich machte er ihr einen Heiratsantrag, den Toufah ablehnte (Human Rights Watch, 2019).

„Alles, was ich in seinen Augen sah, war ein Gefühl der Wut über die Tatsache, dass ich die Kühnheit besaß, irgendwie nein zu ihm – dem Präsidenten – zu sagen.“Diese Weigerung provozierte eine perverse gewalttätige Vergeltung, als er Toufah körperlich und verbal missbrauchte, bevor er sie sexuell verletzte und vergewaltigte. Toufah war 18 Jahre alt.

„Ich blutete und flehte und schrie, ich sagte tausend Mal, dass es mir leid tat, ich wehrte mich“… „und er tat, was er tun wollte, und ich schrie, und irgendwann konnte ich meine Schreie nicht mehr hören. Er sagte mir, dass mich sowieso niemand hören würde.“ (Fatou-Netzwerk, 2019; Human Rights Watch, 2019)

Fatoumatta Sandeng

Fatoumatta Sandeng ist eine Sängerin, deren Fernsehauftritte Yahya Jammeh auf sie aufmerksam machten. Er ließ sie vier Tage lang in einem Hotelzimmer in seinem Heimatdorf Kanilai festhalten. Fatoumatta konnte schließlich zufälligerweise das Zimmer verlassen, als Jammeh unerwartet aufgehalten wurde und nie im Hotel ankam. Fatoumatta, die zu verängstigt war, um sich der verweigerten Erlaubnis zu entziehen und das Hotelzimmer zu verlassen, nutzte seine Abwesenheit, um zu behaupten, dass ihre Anwesenheit bei einem Konzert erforderlich sei. Ihre Freilassung erfolgte unter der Bedingung, dass sie versprach, zu ihm zurückzukehren. Fatoumatta war damals 21 Jahre alt. (Human Rights Watch, 2019)

Bintu

Eine Frau namens „Bintu“, die über zwei Jahre als „Protokollmädchen“ im Staatsgebäude arbeitete, war von Jammeh ein Stipendium für ein Auslandsstudium versprochen worden, weil sie an einer Universität in den USA aufgenommen worden war. Bintu erzählte, wie der Präsident sie und andere Mädchen auf Reisen nach Kanilai mitnahm, wo sie sah, wie Frauen nacheinander in seine Privatwohnung zum Sex gerufen wurden. Schließlich war sie diejenige, die in Jammeh‘s Zimmer gerufen wurde. Er wies sie an, sich auszuziehen, spritzte gesegnetes Wasser auf ihren Körper und erklärte, dass dies zum Schutz ihrer Person sei. Er befahl ihr dann, in der folgenden Nacht zurückzukehren, bei der er begann, Bintu sexuell zu berühren. Sie widersetzte sich; eine Reaktion, die Jammeh so wütend machte, dass er sie nicht nur aus der Residenz werfen ließ, sondern auch ihr Stipendium annullierte und sie von ihrer Arbeit im Abgeordnetenhaus entließ. (Human Rights Watch, 2019)

Ein Weg zur Gerechtigkeit

Die gambische Wahrheits-, Versöhnungs- und Wiedergutmachungskommission (TRCC) untersucht derzeit die während der Herrschaft Jammehs begangenen Verbrechen.
Frauen wie Fatoumatta, Bintu und Toufah, die ihre Erfahrungen äußern, hoffen, „Akteurin[nen] des Wandels“ zu sein und ermutigen andere, sich zu melden und ihre Täter vor Gericht zu bringen, um Wiedergutmachung zu erhalten.
Die Kampagne #Jammeh2Justice versucht, genau das zu tun und Fatoumatta fungiert als eine ihrer Sprecherinnen. Toufah will einen kompletten Systemwechsel: Es wird berichtet, dass sie die Kultur des Schweigens über Vergewaltigung und sexuelle Gewalt brechen will und sie hat wiederholt gesagt, dass sie reden muss, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Überlebende von Missbrauch, damit gambische Frauen beginnen können, ihre Geschichten, ihre Erzählungen und ihre Macht zurückzuerhalten.

„Ich werde diese Geschichte noch einmal erzählen und ich werde diese Geschichte besitzen. Meine Gerechtigkeit beinhaltet vor allem einen kompletten Systemwechsel. Und ja, ich habe Angst. Ich habe Angst. Aber ich will, dass die nächste Person nach mir etwas weniger Angst hat als ich.“ – Toufah (Human Rights Watch, 2019)

Humanium zeigt Solidarität

Humanium sieht es als eine entscheidende Verpflichtung an, sowohl Überlebende von sexuellem Missbrauch zu unterstützen als auch alles zu tun, um weitere Gewalttaten zu verhindern. Wir bekunden laut und öffentlich unsere Solidarität mit Fatoumatta, Bintu und Toufah, in der Hoffnung, dass die Wiedererzählung ihrer Erfahrungen dazu beitragen wird, ihre Erzählungen auf der ganzen Welt zu verstärken.
Wenn Sie von einem Kind oder Jugendlichen wissen, die von Missbrauch betroffen sind oder deren Rechte verletzt wurden, zögern Sie nicht, sich an die Humanium-Helpline zu wenden, wo wir unser Bestes tun, um Ihnen eine persönliche Orientierung und Beratung zu geben.

Verfasst von Josie Thum
Übersetzt von Bettina Wind
Korrektur gelesen von Anita Bramburger

Zitate
Al Jazeera, ‘Gambia’s Jammeh ‘handpicked’ women for rape, abuse’ (2019), Retrieved from: https://www.aljazeera.com/news/2019/06/gambia-jammeh-handpicked-women-rape-abuse-190626115131413.html, accessed 01.07.2019.
Al Jazeera, (Photograph), ‘Yayeh Jammeh’ (2018), Retrieved from: https://www.aljazeera.com/news/2018/12/gambian-president-yahya-jammeh-blocked-entering-181211064353455.html, accessed 01.07.2019.
BBC, ‘I refused to marry yahoo jammed then he raped me’ (2019), Retrieved from: https://www.bbc.co.uk/news/av/world-africa-48773609/i-refused-to-marry-yahya-jammeh-then-he-raped-me, accessed 01.07.2019.
BBC, ‘Beauty queen ‘raped by Gambia’s ex-President Jammeh’ (2019), Retrieved from: https://www.bbc.co.uk/news/world-africa-48757981, accessed 01.07.2019.
The Guardian, ‘Gambian pageant winner accuses ex-president Yahya Jammeh of rape’, Retrieved from: https://www.theguardian.com/global-development/2019/jun/26/gambian-beauty-queen-accuses-ex-president-yahya-jammeh-of-rape, accessed 01.07.2019.
The Fatu Network, ‘Fatou Jallow gives graphic account of how Jammeh allegedly raped her’ (2019), Retrieved from: https://www.youtube.com/watch?v=FbcJP3YW0ic, accessed 01.07.2019.
Human Rights Watch, ‘Gambia’s women break their silence’ (2019), Retrieved from: https://www.hrw.org/news/2019/06/26/gambias-women-break-their-silence, accessed 01.07.2019.
Human Rights Watch, (Photograph) ‘Fatou “Toufah” Jallow’, (2019). © 2019 Human Rights Watch, Retrieved from: https://www.hrw.org/news/2019/06/26/gambias-women-break-their-silence, accessed 01.07.2019.
New York Times, ‘A Beauty Queen Accuses Former Gambian President of Rape: ‘I Literally Stumbled Out of There’ (2019), Retrieved from: https://www.nytimes.com/2019/06/25/world/africa/fatou-jallow-yahya-jammeh-gambia.html, accessed 01.07.2019.