Alles beginnt mit einem Traum – Betrachtungen über Ruanda

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Vicdan Merter, Life Coach, Istanbul, Türkei

 

Meine Geschichte mit Ruanda begann 2015 mit einem Traum, als Arndt Soret, Vorstandsvorsitzender von Humanium e.V., ein paar Freunde und ich uns mit einem gemeinsamen Interesse zusammentaten: Kindern ein zuhause schaffen!” Im Jahre 2017 war es für mich soweit, ich kam mit Arndt nach Ruanda, mit dem Ziel Humanium bei der Verwirklichung der Kinderrechte zu unterstützen. 2019 war ich nun das zweite Mal dort.

Ruanda ist ein kleiner Fleck in der Mitte Afrikas, ein wunderschönes Land voller Geschichte – es wird als Land „der 1000 Hügel“ beschrieben. Bei meinem ersten Besuch war ich sehr positiv überrascht von der tropischen Natur, sowie der Freundlichkeit und Sanftheit der Einwohner. Ruanda ist eine Nation, die mit der fürchterlichen Erfahrung des Völkermords von 1995 leben muss, der 90% der Bevölkerung traumatisiert gelassen hat. Dennoch sind die Ruander fest entschlossen dieses Stigma hinter sich zu lassen und eine Gemeinschaft des ‚Wir’, des Zusammenhaltes, zu schaffen. Das wird deutlich in einer Kultur der Kollaboration, der Akzeptanz, des Zusammenhaltens und der Offenheit. Dabei wird Unterstützung begrüßt, und die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Bestrebungen:

  • Einmal im Monat gibt es einen ‚Gemeinschaftstag’, an welchem alle Ruander ihre Städte säubern und die Straßen reparieren. Das ist ein Dienst der Bürger für ihr Land und bedeutet, dass es am Samstag kaum Verkehr gibt, da jeder bis 11h mit dem Gemeinschaftsdienst beschäftigt ist.
  • Wenn nötig, unterstützen kommunale Führungspersonen, Freunde und Familienmitglieder ihre Mitbewohner über ein Netzwerk.
  • Schulen, die mit Humanium arbeiten, haben Parlamente gegründet, welche aus Klassenvertretern bestehen. Diese kümmern sich um Mitschüler, die Hilfe benötigen.
  • Es wurden Kinderkrippen geschaffen, welche von Eltern geleitet werden, die sich dabei abwechseln. Das ermöglicht Müttern ihr Land zu bewirtschaften, oder anderen Tätigkeiten nachgehen.
  • Es gibt keine, oder kaum Waisenhäuser; die Regierung schafft Heime für Kinder, oder unterstützt die Adoption von Kindern durch Familien. Eine Ruanderin erzählte mir zum Beispiel, dass sie einen 4 Monate alten Jungen adoptiert hat, der auf der Straße gefunden wurde. Sie zieht ihn jetzt zusammen mit ihrer eigenen Tochter auf.

Ruanda baut auf die Kraft der Einheit und Kollaboration; Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ist ein Resultat des Völkermords. Das hört sich wie ein Widerspruch an, aber Menschen sind von Natur aus kreativ und ideenreich etwas Neues zu erschaffen!

Ruandas größte Herausforderung ist Armut und Hunger, was sich auf die Kinderrechte auswirkt. Es gibt viele Ortschaften ohne Elektrizität und Wasser, aber man kann sehen, dass sich die Armutsrate reduziert, und mehr und mehr kommunale Führungspersonen und Familien arbeiteten daran die Rechte für Kinder zu verwirklichen. Ich war überglücklich, Eltern zu sehen, die der Ausbildung ihrer Kinder den Vorrang geben, sowie kommunale Führungspersonen, die sich aktiv für Kinderschutz, Meinungsfreiheit und das Recht auf Identität aktiv einsetzen und kommunizieren.

Außerdem gibt es jetzt Initiativen für berufliches Training (z.B. als Schneider, Friseur), um bessere Möglichkeiten zu schaffen einen Lebensunterhalt zu verdienen. Weiterhin gibt es Kooperativen für Handarbeiten, Gemüseanbau, oder um Familien den Besitz von Ziegen oder Geflügel zu ermöglichen. Diese Initiativen wirken sich positiv auf die Ernährung der Kinder aus und verdeutlichen einen klaren Bedarf für Mikrofinanzsysteme in Ruanda.

Während unserer 3 stündigen Workshops mit verschiedenen Gruppen, kommunalen Führungspersonen, Eltern, jugendlichen Müttern, Studenten und Lehrern, werden die Schwierigkeiten Ruandas bezüglich der Kinderrechte eindeutig klar. Auf der Humanium Karte der Kinderrechte ist Ruanda ‚rot’ (Punkt 2 auf einer Skala von 5). Nach all den Jahren von Humanium und AVSI’s (lokaler Partner) Zusammenarbeit mit verschiedenen Gemeinden, kennt jeder die 8 Kinderrechte die wir propagieren. Wir bauen auf diese Kenntnisse mit weiterführenden Rollenspielen, in welchen jede Gruppe ihr größtes Kinderrecht Problem darstellt. Da wir mit Übersetzern arbeiten, sind Rollenspiele ein wunderbares Medium um wirklich zu erfassen, was das Hauptproblem ist. In unseren Workshops wird sichergestellt, dass jeder gehört wird und sich wahrgenommen fühlt, und ich konnte die positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Teilnehmer sehen. Die Gruppenarbeit schafft auf eine einzigartige Weise Kommunikation, Mitgefühl, Vertrauen, Verbindung, und berührt dadurch die Herzen der Teilnehmer. Wir sehen unsere Rolle darin Beistand für den weiteren Weg zu leisten und Leiden zu vermindern. Denn, man muss es ehrlich sagen – die Menschen in Ruanda leiden! Wir versuchen ihnen Hoffnung zu geben und sie zu befähigen ihre Zukunft zu gestalten; gleichzeitig gestehen wir ihnen Verletzlichkeit zu, und die Möglichkeit um Hilfe zu bitten, wenn nötig. In unseren Workshops schaffen wir ein Gefühl der Gemeinsamkeit, so dass der Einzelne sich nicht alleine, sondern unterstützt und umsorgt fühlt. Das ist ein großer Beitrag dazu eine Kultur zu schaffen, in welcher Menschen füreinander da sind, sie von Niedergeschlagenheit zu befreien, und ihnen Kraft und Hoffnung zu vermitteln.

Wenn ich auf meine 15 Tage in Ruanda zurückschaue, auf die weiten Distanzen zwischen Städten und Dörfern, dann hört sich das alles wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. Dennoch spüre ich Dankbarkeit, dass ich eine Verbindung mit so wunderbaren Menschen aufgebaut habe und etwas magische Hoffnung verteilen konnte. Ich habe Geschichten gehört, die mir tief ans Herz gingen, ich war gefordert und außerhalb meiner Komfort Zone. Gleichzeitig habe ich viele Glücksmomente erlebt, wenn ich die Hoffnung und Dankbarkeit in den Augen der Menschen sah, in ihrem Lächeln, in ihren Liedern und Tänzen.

 

Mein Wunsch für Ruanda ist, dass die Menschen weiterhin zusammenarbeiten und Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen, um damit letztendlich die Kinderrechte zu verbessern! Wir haben kleine Veränderungen in ihrem Denken bewirkt und ich glaube, dass sie daraus Kraft schöpfen können ihre eigene Zukunft zu gestalten. Die Versprechen die ich gehört habe lassen mich glauben, dass sie JA zum Leben und JA zur Verantwortung sagen werden – und das wiederum inspiriert mich mehr zu arbeiten und nach Ruanda zurückzukehren. Zusammen sind wir stärker !

 

 

Übersetzt von Sibylle Daymond

Bewertet von Arndt Soret