Internationale Rechtsvorschriften für Kinder

Ein wesentlicher Bestandteil der Verwirklichung der Rechtsstaatlichkeit und der damit verbundenen Ziele liegt in der Behandlung von Kindern durch nationale Rechts-, Sozial- und Justizsysteme sowie Sicherheitsorgane. Kinderrechte werden durch verschiedene Satzungen und Übereinkommen weltweit sichergestellt, darunter auch solche, die sich auf das Justizsystem beziehen. Zusätzlich, und das ist entscheidend – gibt es internationale Regeln, an denen sich die Rechtssysteme für Kinder orientieren und den Staaten eine Regierungsform vorschreiben, die die Kinderrechte respektiert und ihr Wohlergehen sicherstellt.

Kinderrechte in aller Welt

Weltweit sind die Kinderrechte in erster Linie in verschiedenen Rechtsinstrumenten verankert, und durch diese Vereinbarungen und Satzungen werden somit ihre Grundrechte garantiert.

  • In Amerika: die Freiheitschartas der USA, die Amerikanische Menschenrechtskonvention und die Kanadische Charta für Rechte und Freiheiten. 
  • In Europa: die Europäische Menschenrechtskonvention.
  • In Afrika: die Afrikanische Charta für Menschenrechte und die Afrikanische Charta für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes.
  • In Nordafrika und Westasien: die Arabische Charta für die Rechte des Kindes.
  • In Asien: die ASEAN – Menschenrechtserklärung und die ASEAN-Richtlinien für ein gewaltfreies Konzept bei der Erziehung, Betreuung und Entwicklung von Kindern in allen Schichten.

Dadurch haben die Regierungen die Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass jedes Kind in seinem Land alle in der Konvention verankerten Rechte uneingeschränkt genießen kann.

Das Konzept zur Gerechtigkeit für Kinder 

Das Ziel des Konzepts „Gerechtigkeit für Kinder“ ist, sicherzustellen, dass Kinder, die in der Kinderrechtskonvention (KRK) als alle Personen unter 18 Jahren definiert sind, von den Rechtssystemen einschließlich der Sicherheits- und Sozialhilfebereich, besser betreut und geschützt werden.

Ziel ist es insbesondere, die vollständige Umsetzung internationaler Standards für alle Kinder zu gewährleisten, die als Opfer, Zeugen und vermeintliche Täter mit der Justiz und den zusammenhängenden Systemen in Kontakt kommen, oder aus anderen Gründen, die ein Eingreifen der Justiz, der Behörden oder nichtstaatlicher Stellen erforderlich machen, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Betreuung, ihres Sorgerechts oder ihres Schutzes. (Generalsekretär der Vereinten Nationen, 2008)

Das UN-Konzept zur Gerechtigkeit für Kinder besteht aus zwei Säulen, die sicherstellen sollen, dass Kinder durch die Justizsysteme besser gefördert und abgesichert werden.

Die erste hat das Ziel, eine höhere Aufmerksamkeit für Kinder bei Initiativen zur Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, und die zweite beschreibt zusätzlich erforderliche Maßnahmen, um die Bemühungen zur Rechtsstaatlichkeit bezüglich der Gerechtigkeit für Kinder zu verstärken und die uneingeschränkte Achtung für ihre Rechte zu gewährleisten. Diese beiden Bereiche sind mit dem Rahmen zur Intensivierung der Rechtsstaatlichkeit verflochten. (Generalsekretär der Vereinten Nationen, 2008)

Die Konventionen der Vereinten Nationen

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KRK) besteht aus 54 Artikeln, in  denen die Kinderrechte dargelegt sind und wie die Regierungen zusammenarbeiten sollten, um sie allen Kindern zugänglich zu machen. (Save the Children n.d.). Gemäß der Konvention sind die Regierungen verpflichtet, den Grundbedarf der Kinder zu decken und sie zu unterstützen, ihr gesamtes Potenzial entfalten zu können. Zu den in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Rechten der Kinder im Bereich Justiz gehören:

  • Schutz und Betreuung durch die Eltern, oder bei Bedarf durch andere Personen, die durchgängig die entsprechenden Standards erfüllen.
  • Zusicherung durch die Regierungen, alles in ihre Macht Stehende zu tun, um zu gewährleisten, dass jedes Kind in seinem Land alle in diesem Abkommen festgelegten Rechte genießen kann.
  • Die Kinder haben das Recht, ihre Meinung zu Themen, die sie betreffen, frei zu äußern. Die Erwachsenen müssen diese Meinung ernst nehmen.
  • Staatlicher Schutz vor Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung durch Betreuungspersonen. (UNICEF n.d.)

Die Konvention für Kinderrechte trat im September 1990 offiziell in Kraft und wurde von 195 Ländern ratifiziert, womit sie der am häufigsten ratifizierte Menschenrechtsvertrag der Welt ist. Nur zwei Länder, die Vereinigten Staaten und Somalia, haben das Abkommen nicht unterzeichnet.

Darüber hinaus gibt es drei Vereinbarungen, so genannte Fakultativprotokolle, die die Kinderrechtskonvention stark machen und weitere besondere Rechte für Kinder hinzufügen. Sie sind fakultativ, weil die Regierungen, die das Abkommen ratifizieren, entscheiden können, ob sie diese Fakultativprotokolle unterzeichnen wollen oder nicht. (UNICEF UK, 2019)  Diese sind:

Richtlinien, Grundsätze und Rechtsvorschriften

Es gibt zahlreiche internationale Regeln über die Rechte des Kindes, und diese sind notwendig, da sie darauf hinweisen, wie Staaten mit Kindern umgehen sollen, die aus beliebigen Gründen mit dem Rechtssystem zu tun haben. Die nachstehenden Richtlinien und Vorschriften werden allgemein als „Soft Law“ bezeichnet, da sie als Orientierungshilfe dienen, aber nicht rechtsverbindlich sind.

  • Die Riad-Richtlinien (UN-Richtlinien zur Prävention von Jugendkriminalität): Die Riad-Richtlinien bekräftigen die Priorität, die Jugendkriminalität zu senken, um die Zahl der Straftaten zu reduzieren, die Notwendigkeit, die Richtlinien mit einem kindzentrierten Ansatz umzusetzen, und die Mitverantwortung für das Wohlergehen von Kindern von frühester Kindheit an.
  • Die Peking-Regeln (UN- Standard-Mindestvorschriften für die Jugendgerichtsbarkeit): Die Peking-Regeln bieten den Vertragsstaaten Richtlinien für die Ausgestaltung des Jugendstrafrechtssystems an und legen zahlreiche grundlegende Regeln für ein solches System vor.
  • Die Havanna-Regeln (UN-Regeln zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug): Die Havanna-Regeln wurden eingeführt, um den Einsatz von Alternativen zur Inhaftierung von Kindern zu fördern und den Schutz der Grundrechte von inhaftierten Jugendlichen zu garantieren.
  • Die Tokio-Regeln (UN-Standard-Mindestvorschriften für Maßnahmen ohne Freiheitsentzug): Die Tokio-Regeln enthalten eine Reihe von Grundprinzipien,  die den Einsatz von Maßnahmen und Sanktionen ohne Freiheitsentzug fördern sollen, sowie Mindestgarantien für Personen, die alternativen Maßnahmen zur Freiheitsstrafe unterliegen.
  • Die Richtlinien für Maßnahmen bei Kindern im Strafrechtssystem: Diese Richtlinien bieten einen Rahmen für die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und für die Verfolgung der im Übereinkommen festgelegten Ziele sowie für die Unterstützung der Vertragsstaaten bei der erfolgreichen Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes.
  • Die Grundsätze der Vereinten Nationen für die Anwendung von Programmen der opferorientierten Justiz in Strafsachen: Die Grundsätze bestärken die Vertragsstaaten, Wiedergutmachung zu leisten, wenn ausreichend Beweise vorliegen, um den Täter anzuklagen, und wenn Opfer und Täter uneingeschränkter und freiwillig zustimmen. Außerdem ermutigen die Grundsätze die Vertragsstaaten zur weiteren Erarbeitung von Wiedergutmachungsprogrammen.
  • Die Leitlinien für die Justiz in Fällen, in denen Kinder Opfer und Zeugen von Straftaten sind: Diese Leitlinien gewährleisten, dass Erwachsene im Justizwesen mit dem Kind sowohl an einem Ort, an dem es sich wohl und sicher fühlt, als auch in einer Sprache sprechen, die das Kind während des Justizverfahrens verwendet und versteht (Joutsen, 2017).

Obwohl das Regelwerk theoretisch fundiert ist, verspricht es Gerechtigkeit, die in der Praxis nicht gegeben ist. Einige Vorschriften und Richtlinien sind für Kinder schlicht nicht zugänglich, weil sie ihre Rechte nicht kennen, sich nicht an einen Anwalt wenden können oder aus finanziellen Gründen. Dies gilt besonders für gefährdete Kinder, darunter Kinder von Minderheiten, Kinder mit Behinderungen, Kinder von Migranten, und Kinder, die in Gefängnissen, Haftanstalten oder an anderen Orten eingesperrt sind, wo ihnen die Freiheit entzogen wird.

Auch die Justizsysteme sind nicht ausreichend dafür gerüstet, um auf die Rechte und Bedürfnisse von Kindern einzugehen. Justizfachleute – Polizei, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Richter – verfügen nicht immer über die erforderliche Spezialausbildung, um überlebenden Kindern, Opfern, Zeugen oder vermeintlichen Tätern beizustehen. 

Viele verstehen nicht, mit welcher geschlechtsspezifischen Verletzlichkeit Kinder konfrontiert sind, wenn sie mit dem Justizsystem in Kontakt treten. Mancherorts werden selbst Sozialarbeiter:innen, die als erste Anlaufstelle für Kinder in Not ausgebildet sind, nicht anerkannt oder verfügen nicht über ausreichende Mittel, um ihnen bei der Suche nach Schutz und Gerechtigkeit zuverlässig zu helfen. (UNICEF n.d.)

Auf dem Weg zu einer kinderfreundlichen Justiz 

Alle  Staaten sollten dafür sorgen, dass Kinder zu einer „erreichbaren, altersgerechten, prompten, gewissenhaften, an die Bedürfnisse und Rechte des Kindes angepassten und darauf ausgerichteten Justiz“ Zugang haben und mit einbezogen werden (UNICEF, 2022). Indem die Staaten die in verschiedenen Chartas und Konventionen verankerten Rechte für Kinder garantieren, und an den bestehenden Leitlinien und Regeln der Kinderjustiz festhalten, können sie sicherstellen, dass alle Kinder Zugang zu fachkundigen und leistungsfähigen Justizsystemen haben, bei denen das Wohl des Kindes den Schwerpunkt bildet.

Die Kommission für die Rechte des Kindes betont vor allem, dass die Gesetze geändert werden müssen, um das Recht der Kinder auf Anhörung zu verbessern, dass politische Strategien entwickelt werden müssen, dass mehr Mittel bereitgestellt werden müssen und dass diesem Recht in der Praxis grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

Während die Standards und Normen der Vereinten Nationen zum Jugendstrafrecht eine Änderung in der Herangehensweise abstecken, müssen die Vertragsstaaten diesen Maßstab einhalten und ihre Gesetze, Vorschriften und Richtlinien anpassen, um das Wohl der Kinder zu wahren und zu respektieren.

Geschrieben von Moïra Phuöng Van de Poël

Internes Korrekturlesen durch Aditi Partha

Übersetzt von Doris Fischer

Korrekturgelesen von Claudia Flanner

Zuletzt aktualisiert am 9 Juni 2024

Literaturverzeichnis:

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