Niger: Die weltweit höchste Rate an Kinderehen

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“Er begrüßte mich mit einem erschreckenden Lächeln und sagte ‘Du wirst meine zweite Frau sein’” (UNFPA 2015). Diese Worte stammen von einem fünfzehnjährigen nigerianischen Mädchen mit dem Namen Amina Mahamane, die, wie zahlreiche andere Mädchen in Niger, zu einer Gruppe von Mädchen gehört, die besonders gefährdet sind, vor ihrem 18. Geburtstag zwangsverheiratet zu werden.

Kinderehe in Niger verstehen

Niger weist weltweit die höchste Rate an Kinderehen auf. Ein erschütternder Anteil von 76% der Mädchen wird vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet, während 28% sogar schon vor ihrem 15. Lebensjahr zu Ehefrauen werden (UNICEF 2016). Vor allem in ärmeren Familien in ländlichen Gegenden ist diese Praxis vorherrschend, da sie oftmals wenig Bildung haben und stark an traditionellen Werten festhalten. Insbesondere in den südlichen Gegenden Nigers ist der Anteil besonders hoch und beträgt in der Diffa Region sogar 89% (UNFPA 2012).

Die Gründe für solche hohen Werte sind tief in den kulturellen und sozialen Werten verankert und werden durch die rechtlichen, bildungstechnischen und wirtschaftlichen Zustände im Land untermauert. Mädchen werden oftmals als das Eigentum ihrer Eltern angesehen. Dementsprechend sind es in vielen Fällen die Eltern selbst, die für die Heirat ihrer jungen Töchter plädieren, mit der Begründung, dass dies im besten Interesse aller sei. Dies hängt mit der Annahme zusammen, dass die Ehe mit wirtschaftlichem Wohlstand und Sicherheit verbunden sei, was durch die Idee, dass Bildung für diese Mädchen nicht notwendig ist, bestärkt wird. Außerdem basiert diese elterliche Entscheidung auch auf der Angst der Eltern vor der Schande einer vorehelichen Schwangerschaft, sowie auf der Angst vor Unruhen, die durch Bürgerkriege und Naturkatastrophen hervorgerufen werden.

Wieso ist Kinderehe eine falsche Form von Schutz?

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Die bloße Existenz von Kinderehen schwächt die Rechte der jungen Bräute. Nicht nur ihre Kindheit wird ihnen verwehrt, ihnen werden auch die voraussichtlichen Möglichkeiten, wie z.B. Bildung,  genommen.

Ihre Gesundheit ist oftmals durch höhere Gesundheitsrisiken, die Mütter und Kinder betreffen, gefährdet, da diese Mädchen physisch und mental zu jung für sexuelle Interaktionen sind. Zudem besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie in Kontakt mit einer Geschlechtskrankheit, wie HIV, kommen. Außerdem sind sie oft physischem, emotionalem und mentalem Missbrauch ausgesetzt und sind in einigen Fällen sogar gefährdet, ein Leben in häuslicher oder sexueller Sklaverei zu führen.

Die negativen Effekte einer Kinderehe können sich auch im Erwachsenenalter auswirken, was zu einem Leben voller Entbehrungen und Benachteiligungen führt. Dies wurde durch Studien belegt, die besagen, dass diese Praxis wie ein Zyklus zwischen Generationen wirkt, der Armut produziert, während es außerdem die Unterordnung von Frauen gegenüber Männern manifestiert, indem das Mädchen dem Brautpreis entsprechend an den Mann verkauft wird, den sie heiraten soll (Silva-de-Alwis 2008).

Gegen Zwangsehe in Niger kämpfen: Ein multidimensionaler Ansatz

Aus diesen Gründen ist es äußerst wichtig, die Anzahl der Kinderehen zu reduzieren und zu verhindern, dass auch zukünftig nigerianische Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet werden. Dies fordert Strategien, die die Kinderehen von verschiedenen Seiten angehen und die die Hauptgründe ansprechen, indem sie eine Reihe von unterschiedlichen Akteuren in den Prozess einbinden.

Zunächst ist es wichtig, das übergreifende System zu stärken und zu reformieren, indem das legale Mindestalter für eine Ehe auf 18 Jahre angehoben wird. Außerdem muss sichergestellt werden, dass eine adäquate Umsetzung und ein Kontrollmechanismus vorhanden sind. Zudem müssen die tief verankerten traditionellen und kulturellen Überzeugungen, die zur Kinderehe führen, bekämpft werden, indem man auf der Gemeinschaftsebene mit lokalen Anführern und allen Teilen der Bevölkerung zusammenarbeitet. Drittens müssen Alternativen gefördert werden, die die Teilnahme von Mädchen an Schulen ermöglichen und wirtschaftliche Möglichkeiten für Mädchen verbessern. Es sollten strategische Pläne vorhanden sein, um besser auf Naturkatastrophen zu reagieren, da dies nicht nur Mädchen und Frauen unterstützt, sondern auch die Denkweise der Familien ändern wird, die ihre Mädchen aus Sicherheitsgründen verheiraten wollen. Zuletzt sollten Unterkünfte für Mädchen eingeführt werden, die sich trotz des kulturellen Drucks entscheiden, dieser Praxis zu entfliehen und Schutz zu suchen.

Diese allumfassende Strategie könnte sich ausweiten und somit auch die erschreckende Anzahl an Mädchen senken, die sich im Griff dieser tief verankerten und zerstörerischen Praxis befinden, die ihnen letztendlich ihre inhärenten Rechte verwehrt.

Geschrieben von: Joséphine Dodd
   Übersetzt von: Sylvia Riewendt
   Überprüft von: Anna Gottmann

Silva-de-Alwis, Rangista (2008) ‘Child Marriage and the Law’ Division of Policy and Planning. United Nations Children’s Fund (UNICEF), New York

UNICEF (2016) State of the World’s Children, report

UNFPA (2012) Marrying too young. United Nations Populations Fund: New York

UNFPA (2015) ‘16 Girls, 16 Stories of Resistence”, Tagaza Djibo, United Nations Population Fund. November 25 2015. Niger.