Rekordraten an mangelernährten Kindern in Pakistan

Posted on Posted in Gesundheit, Kinderrechte

Mangelernährung ist ein kritisches Problem in Pakistan, insbesondere bei Kindern (ANII, 2024). Jüngste Berichte weisen sogar auf die höchsten dokumentierten Raten von Mangelernährung hin, die jemals im Land verzeichnet wurden. Es handelt sich um eine komplexe Krise, bei der mehrere Faktoren zur Mangelernährung beitragen. 

Mangelernährung bei Kindern weltweit

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge wird Mangelernährung als Mangel, Überschuss oder Ungleichgewicht in der Energie- und/oder Nährstoffzufuhr einer Person definiert (WHO, 2024). Mangelernährung umfasst auch Unterernährung, die sich in hohen Raten von «Stunting» (Unterentwicklung), «Wasting» (Auszehrung) und Untergewicht bei Kindern äußert.

Kinder sind weltweit von Mangelernährung betroffen. Eine internationale Studie aus dem Jahr 2022 schätzt, dass 149 Millionen Kinder unter 5 Jahren unterentwickelt (zu klein für ihr Alter), 45 Millionen ausgezehrt (zu dünn für ihre Größe) und 37 Millionen übergewichtig sind oder mit Fettleibigkeit leben. Fast die Hälfte der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren ist auf Unterernährung zurückzuführen.

Pakistan hat weltweit den dritthöchsten Anteil an unterentwickelten Kindern (Ahmed, 2023). Ein UNICEF-Bericht für den Zeitraum 2018-2022 weist darauf hin, dass 38 % der Kinder in Pakistan an Unterentwicklung, auch bekannt als chronische Mangelernährung, leiden (UNICEF, 2019). 

Ursachen der Mangelernährung in Pakistan

In Pakistan sind die Raten der Mangelernährung in ländlichen und verarmten Gebieten am höchsten, insbesondere in Provinzen wie Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Allein in Sindh sind über 50 % der Kinder behindert, was auf langfristige Mangelernährung hinweist.

Faktoren wie Ernährungsunsicherheit, schlechte sanitäre Verhältnisse und mangelnde Gesundheitsversorgung tragen zu dem hohen Prozentsatz mangelernährter Kinder in Pakistan bei. Viele Haushalte leiden unter Nahrungsmittelknappheit und können sich keine ausgewogene Ernährung leisten. Diese Haushalte verfügen häufig über verunreinigte Wasserquellen und unzureichende sanitäre Einrichtungen, was zu Infektionen führen kann, die die Mangelernährung verschlimmern. Der eingeschränkte oder fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung verschlimmert die Mangelernährungsraten.

Auch die pakistanische Wirtschaft trägt zum Anstieg der Mangelernährung bei Kindern bei. Die anhaltende Wirtschaftskrise, die Inflation und die Armut haben den Zugang zu Nahrungsmitteln und deren Erschwinglichkeit verschlechtert, was zu Ernährungsmängeln bei Kindern führt. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel und Arbeitslosigkeit haben die Familien gezwungen, weniger nahrhafte Lebensmittel zu kaufen und stattdessen auf billigere, weniger nahrhafte Optionen zurückzugreifen.

Die Rolle der mütterlichen Ernährung bei der Prävention von Mangelernährung bei Kindern

Ein weiterer wichtiger Faktor, der zur Mangelernährung von Kindern in Pakistan beiträgt, ist die unzureichende Ernährung von Müttern (Irfan, 2024). Unter mütterlicher Ernährung versteht man die Ernährungsbedürfnisse von Frauen vor und während der Schwangerschaft sowie in der Zeit nach der Entbindung. Eine angemessene mütterliche Ernährung ist von entscheidender Bedeutung für die Verhinderung von Unterentwicklung und Auszehrung bei Kindern (UNICEF & Regierung von Pakistan, 2022). 

Bei Kindern mangelernährter Frauen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie kognitive Beeinträchtigungen haben, kleinwüchsig sind, eine geringere Widerstandskraft gegen Infektionen aufweisen und im Laufe ihres Lebens ein höheres Krankheits- und Todesrisiko haben. In Pakistan sind zahlreiche Mikronährstoffmängel verbreitet. Ungefähr eine von drei Müttern ist mangelernährt, und etwa die Hälfte dieser Mütter leidet an Anämie.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit in Pakistan

Der Klimawandel ist ein weiterer Faktor, der sich auf die Mangelernährungsraten auswirkt (Agosti, 2023). Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die Ökosysteme üben Druck auf die Nahrungsmittelproduktion und die Ernährungssicherheit aus. Temperaturanstieg und Überschwemmungen führen zu einem Rückgang der Ernteerträge, des Viehbestands und der Agroforstwirtschaft, was sich wiederum auf die Quantität, Qualität, Vielfalt, Nährstoffdichte, Sicherheit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln auswirkt (Vermeulen, 2012). 

Durch den Klimawandel verursachte Katastrophen in Pakistan verschärfen Nährstoffmängel und chronische Unterernährung bei Kindern. Nach den Überschwemmungen im August 2022, die ein Drittel Pakistans unter Wasser setzten, meldeten die Gesundheitseinrichtungen beispielsweise ein alarmierendes Ausmaß an schwerer akuter Mangelernährung bei Kindern in den betroffenen Gebieten (UNICEF, 2022). Über 15 Millionen Kinder waren von den Überschwemmungen betroffen, die 9,4 Millionen Hektar Ernten und mehr als 1,1 Millionen Nutztiere zerstörten (Toole, 2023). Im Jahr nach den Überschwemmungen stieg die Rate der Mangelernährung bei Kindern um 50 %.

Langfristige Auswirkungen von Mangelernährung bei Kindern

Unterernährung bei Kindern wirkt sich kurzfristig auf Krankheit und Sterblichkeit aus und hat darüber hinaus schwerwiegende langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit (Agostoni, 2023). Von der Schwangerschaft bis zu den ersten Lebensjahren kann die Mangelernährung zu schlimmen kognitiven Folgen für die Entwicklung des kindlichen Gehirns führen.

Mangelernährung kann zu einer Verringerung der Gehirngröße und zu Veränderungen der Gehirnstruktur führen, was sich auf die Lernfähigkeit, das Gedächtnis und die Verarbeitungsgeschwindigkeit auswirken kann. Diese langfristigen Auswirkungen beeinflussen die schulischen Leistungen, die Lese- und Schreibfähigkeiten sowie die Rechenfertigkeiten. 

Mangelernährung beeinträchtigt zudem die Immunfunktion und macht Kinder anfälliger für Infektionen und Krankheiten wie Durchfall, Lungenentzündung und Malaria. Diese Anfälligkeit kann fortbestehen und ihr Risiko für ernsthafte Gesundheitsprobleme während ihres gesamten Lebens erhöhen.

Mangelernährung in der Kindheit kann beispielsweise zu einem höheren Risiko führen, im Erwachsenenalter chronische Krankheiten wie Herzkrankheiten, Diabetes und Bluthochdruck zu entwickeln. Mangelernährung kann auch zu einer höheren Rate an psychischen Problemen wie Angstzuständen, Depressionen und Verhaltensproblemen beitragen. 

Diese langfristigen gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung im Kindesalter führen zu einem höheren Bedarf an medizinischer Versorgung und damit verbundenen Kosten, was die Ressourcen der Familien und die öffentlichen Gesundheitssysteme überfordern kann. Die Beeinträchtigung des körperlichen und kognitiven Potenzials, die mit der Mangelernährung in der Kindheit einhergeht, trägt auch dazu bei, dass die Produktivität, die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Einkommensmöglichkeiten lebenslang eingeschränkt sind. Dies führt zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen und verstärkt den Armutskreislauf.

Staatliche Interventionen und Lösungen

Die pakistanische Regierung hat zusammen mit internationalen Organisationen mehrere Ernährungsprogramme ins Leben gerufen (UNICEF & Regierung von Pakistan, 2022). Es hat sich gezeigt, dass ernährungsspezifische Interventionen und Sozialschutzprogramme dazu beitragen, die Mangelernährung von Müttern und Kindern zu bekämpfen.

Diese Maßnahmen bekämpfen zwar die steigenden Mangelernährungsraten, werden aber weiterhin uneinheitlich umgesetzt, und in ländlichen Gebieten ist die Versorgung oft unzureichend. Trotz laufender Bemühungen bleibt die Mangelernährungskrise in Pakistan bestehen und erfordert nachhaltige Maßnahmen, die sich auf Ernährungssicherheit, Gesundheitsversorgung und Armutsbekämpfung konzentrieren.

Weitere Maßnahmen sind erforderlich

Regierungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Mangelernährung in Pakistan müssen die vielfältigen Faktoren angehen, die zu der Krise beitragen (UNICEF & Government of Pakistan, 2022). Dazu gehören die Förderung eines gesunden Wachstums in den ersten Lebensjahren und eine nachhaltige, kulturell angemessene Ernährung während des gesamten Lebens von Kindern und Eltern (Agostoni, 2023). 

Besonders wichtig sind Maßnahmen zur Unterstützung von Müttern. Zu diesen Strategien gehören beispielsweise die Erhöhung der finanziellen Mittel für das Stillen und eine nährstoffreiche Ernährung von Müttern und Kindern, die Einrichtung und Verbesserung spezieller Entbindungseinrichtungen zur Unterstützung von Frauen in ländlichen Gebieten, die Einführung einer besseren Familienurlaubspolitik und die Stärkung von Gemeinschaftsnetzwerken.

Die Regierung sollte sich auch auf Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft und Viehzucht konzentrieren, um die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit zu fördern. Die Regierung kann sich auf Erhaltungsstrategien in der Landwirtschaft, der Agroforstwirtschaft und der Agrarökologie stützen, um der durch die konventionelle Landwirtschaft verursachte Degradation entgegenzuwirken und die Pflanzenvielfalt zu erhöhen.

Sicherstellung der Gesundheit und des Zukunftspotenzials von Kindern in Pakistan

Die kurz- und langfristigen Auswirkungen von Mangelernährung im Kindesalter beeinträchtigen das Wohlergehen der Kinder erheblich. Die Mangelernährungskrise in Pakistan hat viele Gesichter und beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit und das Potenzial des Einzelnen, sondern auch die Produktivität der Gesellschaft und die wirtschaftliche Stabilität. Eine frühzeitige Bekämpfung durch angemessene Ernährung, Gesundheitserziehung und Unterstützungssysteme ist entscheidend, um den Kreislauf zu durchbrechen und den pakistanischen Kindern eine gesündere und produktivere Zukunft zu sichern.

Humanium arbeitet unermüdlich daran, das Recht der Kinder auf Ernährung und Gesundheit weltweit zu fördern. Die Methodik von Humanium wurde von Menschenrechtsverteidigern entwickelt und konzentriert sich auf den Schutz und die Unterstützung von Kindern, um sie zu befähigen, ihre Ziele innerhalb ihrer lokalen Gemeinschaften zu erreichen. Unterstützen Sie Humanium bei der Jugendarbeit – durch Spenden, Freiwilligenarbeit oder eine Mitgliedschaft

Verfasst von Kathleen Tereposky

Übersetzt von Daria Hagemann

Korrektur gelesen von Beate Dessewffy

Literaturverzeichnis:

Agostoni, C. et al. (January 13, 2023). Interlinkages between Climate Change and Food Systems: The Impact on Child Malnutrition-Narrative Review. . Retrieved from the National Library of Medicine at https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9865989/, accessed on October 15, 2024.

Ahmed, N.  et al. (September 20, 2023). Treatment Outcomes of Severe Acute Malnutrition and Its Determinants Among Paediatric Patients in Quetta City, Pakistan. Retrieved from the National Library of Medicine at https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10518357/#:~:text=Shifting%20our%20concern%20to%20SAM,deaths%20per%201000%20live%20births.&text=Pakistan%20has%20the%20third%2Dhighest,globally%2C%20behind%20Nigeria%20and%20India, accessed on October 5, 2024.

ANI News. (August 16, 2024). Pakistan is facing malnutrition crisis, new report reveals. Retrieved from ANI News at https://www.aninews.in/news/world/asia/pakistan-is-facing-malnutrition-crisis-new-report-reveals20240816223147/, accessed on October 5, 2024.

Brazier, AKM, et al. (November 6, 2020). Micronutrient Status and Dietary Diversity of Women of Reproductive Age in Rural Pakistan. Retrieved from the National Library of Medicine at https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7694683/, accessed on October 5, 2024.

Irfan, W. (2024). Malnourished mothers, starving babies: How ‘hidden hunger’ is endangering Pakistan’s future generations. Retrieved from DAWN at https://www.dawn.com/news/1821416, accessed on October 5, 2024. 

Toole, M. (November 21, 2023). A year after Pakistan’s floods, 44% of children have stunted growth. What can be done about it? Retrieved from The Conversation at https://theconversation.com/a-year-after-pakistans-floods-44-of-children-have-stunted-growth-what-can-be-done-about-it-218123, accessed on October 15, 2024.

UNICEF & Government of Pakistan. (2022). Pakistan Maternal Nutrition Strategy 2022-27. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.org/pakistan/reports/pakistan-maternal-nutrition-strategy-2022-27, accessed on October 5, 2024. 

UNICEF. (2019). Every Child Survives and Thrives – Nutrition. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.org/pakistan/media/1771/file/Every%20Child%20Survives%20and%20Thrives%20-%20Nutrition.pdf, accessed on October 5, 2024.

UNICEF. (October 21, 2022). More than 1 in 9 children in flood-affected areas of Pakistan suffering from severe acute malnutrition. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.org/press-releases/more-1-9-children-flood-affected-areas-pakistan-suffering-severe-acute-malnutrition, accessed on October 15, 2024.

Vermeulen, S.J. et al. (2012). Climate Change and Food Systems. Retrieved from Annual Review of Environment and Resources at https://www.annualreviews.org/content/journals/10.1146/annurev-environ-020411-130608#abstract_content, accessed on October 15, 2024.

World Health Organization (“WHO”). (March 1, 2024). Malnutrition. Retrieved from the World Health Organization at  https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/malnutrition/, accessed on October 29, 2024.