Inmitten des globalen Klimanotstands befindet sich der Amazonas-Regenwald in unmittelbarer und zunehmender Gefahr. Die beispiellose Zerstörung des Regenwaldes seit der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro wird wohl dieses Jahr noch weiter eskalieren und damit die Erosion von zahllosen Lebensgrundlagen und Rechten auf der gesamten Welt zur Folge haben.
Die globale Krise der Corona-Pandemie hat die unterfinanzierten Amazonasgebiete in Brasilien besonders getroffen, während der Amazonas-Regenwald – Heimat für mindestens 10% der biologischen Vielfalt der Welt – Opfer steigender Ausbeutung ist. Allein in den ersten vier Monaten von 2020 war die Abforstung des Amazonas-Regenwaldes 55% höher als letztes Jahr, in dem auch Abholzung in Rekordhöhe verzeichnet wurde (BBC, 2020).
Bolsonaros Präsidentschaft und der Amazonas-Regenwald in Gefahr
Brasiliens Anti-Umwelt-Präsident, Jair Bolsonaro, hat zur Nutzung des Regenwaldes aufgerufen, und sein Umweltminister Ricardo Salles hat vor Kurzem enthüllt, dass er die Corona-Pandemie als eine Gelegenheit sieht, sich für eine weitere Deregulierung der Umweltbestimmungen einzusetzen, da die Medien „nur über COVID-19″ sprechen; während zur Zeit des Schreibens 829000 Brasilianer unter dem Virus leiden (Frühling, 2020). Der Verlust des Regenwaldes hat, seitdem Bolsonaro das Amt 2019 übernommen hat, seinen höchsten Punkt seit elf Jahren erreicht, mit fast 10000 Quadratkilometern, die bis August 2019 zerstört wurden; was einer Rodungsfläche von zwei Fußballfeldern pro Minute entspricht (Watts, 2019). Bilder von durch Wildbrände zerstörten Landschaften sorgen weltweit für Schlagzeilen. Seitdem stieg auch die Zahl der an Atemwegserkrankungen erkrankten Kinder im Amazonas aufgrund der giftigen Luftverschmutzung der brennenden Wälder.
Bolsonaros Worte und Taten schwächten staatliche Umweltorganisationen, untergruben die Durchsetzung von Umweltrechten, kritisierten harsch und gefährdeten diejenigen, die für die Erhaltung des Regenwaldes arbeiten. Sie gaben auch „grünes Licht“ für kriminelle Holzfällernetzwerke (Human Rights Watch, 2019). Der Kampf um die Erhaltung oder Ausbeutung des Regenwaldes hat sich drastisch verstärkt.
Der Amazonas-Regenwald erstreckt sich über neun südamerikanische Länder, wobei 60% der Fläche in Brasilien liegt (und über 90% in den Staaten Suriname, Französisch-Guayana und Guyana Regenwaldgebiete sind). Abholzung, illegale Minenarbeiten, Landfreilegungen, Wildbrände und nachfolgende Verschlechterung des Ökosystems des Waldes tragen mit zur Dezimierung des weltgrößten Bodenkohlenstofflagers bei. Als Heimat der größten Vielfalt von Arten des gesamten Planets gibt ein Fünftel des Waldes nun mehr Kohlenstoff ab als er absorbiert und trägt damit zur rapiden Eskalation der globalen Klimanot bei (BBC, 2020).
Umweltverantwortung von Unternehmen
Laut NGO Amazon Watch gehören zu den Hauptfirmen, die die Abholzung des Amazonas-Regenwald finanzieren, BlackRock, BNP, JPMorgan Chase, HSBC, Santander und JBS, wobei der Guardian 2020 veröffentlichte, dass Banken mit Sitz in Großbritannien sowie Finanzhäuser ebenfalls 2 Milliarden Dollar an brasilianische Fleischfirmen für die Abholzung zahlten (Howard, 2020). Die Verantwortung internationaler Firmen, Politikern und Nationen muss zwingend verpflichtend sein, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden, um das zu erhalten, was von der Lunge der Erde noch vorhanden ist, wie auch verfolgte indigene Bevölkerungen und die jetzigen und künftigen Generationen des Planeten Erde zu schützen. Menschen überall auf der Welt haben die gemeinsame Kraft und Verantwortung, eine solche Rechenschaft zu verlangen.
Rechte der indigenen Bevölkerung und der Kinder im Amazonasgebiet
Die Folgen der Zerstörung des Amazonasgebiets sind von weltweiter Wirkung, werden aber besonders von der indigenen Bevölkerung gespürt, deren Gebiete gestohlen und zerstört werden und deren Rechte regelmäßig verletzt werden. Die aufziehende Gefahr, der die indigene Bevölkerung gegenübersteht, führte zu einer Unterschriftenaktion gegen Jair Bolsonaro vor dem internationalen Strafgerichtshof und verlangte eine Untersuchung der Angriffe auf Menschenrechte der indigenen Bevölkerung. Außerdem fußte sie auf der Erklärung, dass die indigenen Völker im Amazonas-Regenwald durch Bolsonaros Gesellschafts- und Umweltpolitik der Gefahr von Ethnozid und Völkermord ausgesetzt seien (Branford, 2020).
Isolierte indigene Völker wie die Moxihatetea sind besonders bedroht und die Abholzung in den hauptsächlich indigenen Gebieten des Amazonas stieg im vergangenen Jahr um 80%, was eine beispiellose Bedrohung für die Leben, Existenzen und fundamentalen Rechte von indigenen Völkern im Amazonasgebiet darstellt.
„Die Weißen können unser Haus nicht zerstören, denn wenn sie es tun, wird es für die ganze Welt nicht gut ausgehen. Wir kümmern uns um den Wald für alle, nicht nur für die Yanomami und die isolierten Völker. Wir arbeiten mit unseren Schamanen zusammen, die diese Dinge gut verstehen, die eine Weisheit besitzen, die aus dem Kontakt mit dem Land stammt.“
Davi Kopenawa, Yanomami-Anführer bei der UN (Branford, 2020)
Außerdem müssen indigene Erwachsene und Kinder, die sich um den Schutz ihrer Heimat im Regenwald bemühen, viel zu oft mit ihrem Leben bezahlen. Die Ermordung indigener Anführer im brasilianischen Amazonasgebiet erreichte 2019 ein Hoch der letzten zwanzig Jahre, nachdem die Leiche eines 15-jährigen Erisvan Guajajara gefunden wurde (Hanbury, 2019). Kinder, indigene Erwachsene, Menschen- und Umweltrechtskämpfer sind die hauptsächlichen Akteure des Regenwaldschutzes, manchmal als „Schützer“ des Waldes bezeichnet, und sind einem hohen Gewaltrisiko ausgesetzt.
Mehr als 300 Menschen wurden im letzten Jahrzehnt getötet. Aufgrund von Konflikten über Land und Ressourcen im Regenwald werden noch viel mehr Menschen Gewalt und Morddrohungen erleben, die straffrei ausgehen, wie Human Rights Watch (HRW) September 2019 in dessen Report Regenwald Mafia dokumentierte: Wie Gewalt und Straffreiheit die Abholzung des brasilianischen Amazonas befeuern, wobei HRW später die Zerstörung als „öffentlichen Sicherheitsnotfall“ bezeichnete (Human Rights Watch, 2020). Als Antwort auf den Mord an dem indigenen Führer Emrya Wajãpi hat die UN-Oberkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die brasilianische Regierung aufgefordert, entschiedener vorzugehen und erklärte:
„Es sollten wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um Leben und körperliche Unversehrtheit des Volkes der Waiapi zu retten. Ich fordere die Regierung dringend auf, entschlossen zu handeln, um die Invasion indigener Gebiete zu stoppen und ihre kollektiven Rechte auf ihr Land zu gewährleisten“.
Universal Rights Group, 2019
Der Kampf um den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und zur Eindämmung des klimatischen Notstands ist daher untrennbar mit dem Kampf für die Achtung der Rechte von Kindern und der indigenen Bevölkerung verbunden. Umweltrechte und Menschenrechte sind eng miteinander verflochten und der Kampf um Gerechtigkeit im Amazonas-Regenwald ist wichtiger als jemals zuvor.
Humanium setzt sich für die dringende und nachhaltige Verbesserung der Umweltrechte von Kindern ein. Wir sind stolz, eine Partnerschaft mit Children‘s Environmental Rights Initative zu führen und sind auch aktive Teilnehmer in einer gemeinsamen NGO-Arbeitsgruppe für Kinderrechte und Umwelt, die sich mit UN-Mechanismen für die Erfüllung der Kinderrechte befasst. Unser Nothilfeprojekt in Ruanda zielt darauf ab, die Auswirkungen des Coronavirus auf Kinder und Familien in dieser entscheidenden Zeit zu mildern.
Geschrieben von Josie Thum
Übersetzt von Marie Podewski
Korrektur gelesen von Bettina Wind
Bibliografie :
COSTA, Camilla (2020) Amazon under threat: Fires, loggers and now virus, BBC.
WATTS, Jonathan (2020) Amazon deforestation ‚at highest level in a decade‘, The Guardian.
HUMAN RIGHTS WATCH (2019) Brazil: Criminal Networks Target Rainforest Defenders.
PHILLIPS Dom (2020) Studies add to alarm over deforestation in Brazil under Bolsonaro, The Guardian.
UNIVERSAL RIGHTS GROUP (2019) The Amazon fires: the burning of rights.