Lateinamerikas Wasserverschmutzungskrise und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern

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Umweltkrisen der heutigen Zeit wie Klimawandel, Boden- und Wasserverschmutzung und der massive Verlust an biologischer Vielfalt tragen zu 26% der jährlichen Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren bei, was etwa 1,5 Millionen Todesfälle pro Jahr ausmacht. Zwei Drittel dieser Todesfälle treten in den Entwicklungsländern auf (Ortega-Garcia, 2019). Ein großer Prozentsatz dieser Todesfälle steht in direktem Zusammenhang mit den Auswirkungen der Wasserverschmutzung, einer besonders akuten Krise, die derzeit in Lateinamerika herrscht.

Wasser ist ein grundlegender Bestandteil im Leben eines Kindes: eine gesundheitsgerechte Wasserqualität wird für sichere Abwassersysteme und für den menschlichen Konsum benötigt, doch ohne den Zugang zu Wasser können Kinder nicht zur Schule gehen, da sie oft für die Beschaffung von sauberem Wasser für ihre Familien verantwortlich sind. Dementsprechend ist die Wasserverschmutzungskrise, die in Lateinamerika herrscht, gleichzeitig eine Krise, die die Kinder und die Bildung betrifft.

Überblick über die „Stille Wasserkrise“

Lateinamerika verfügt über etwa 30% der weltweiten Süßwasserquellen, doch das Land kämpft still gegen eine Wasserkrise, eine Krise, die irreversible gesundheitliche Auswirkungen auf das Leben von Kindern hat. Kern der Krise ist die Tatsache, dass weniger als 40% des Wassers der Region für den menschlichen Verbrauch unbehandelt bleiben. Dadurch gelangt verschmutztes Wasser in Seen, Flüsse und Ozeane, das mit menschlichen und tierischen Abfällen kontaminiert ist und das über die Wassersysteme in viele Haushalte gelangt (Americas Quarterly, 2019; Harvard Review of Latin America, 2013).

Darüber hinaus sind große Wasserreservoirs wie der Fluss Medellin in Kolumbien, die Guanabara-Bucht in Brasilien und der Fluss Riachuelo in Argentinien allesamt einer weitreichenden Verschmutzung durch Industrie und Menschen ausgesetzt, die kontaminierte Wasserquellen hervorbringt, die aufgrund der toxischen Belastung und anderer schwerwiegender Gesundheitsrisiken für die Nutzung und zum Verbrauch nicht als sicher zu bezeichnen sind. Einfach ausgedrückt: Weder das Wasser aus den Flüssen noch das Leitungswasser kann von Millionen von Lateinamerikanern sicher getrunken werden. Es gibt einige Probleme, die die Wasserquellen bedrohen und diese Probleme sind typisch für die lateinamerikanische Region.

Pädiatrische Umweltgesundheit

Obwohl Lateinamerika nur 8% der Gesamtbevölkerung der Welt ausmacht, leben Millionen von Menschen, etwa 36 Millionen, täglich ohne sauberes Trinkwasser. Zudem haben etwa 110 Millionen Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, insbesondere zu Toiletten (Academy of Nutrition and Dietetics, 2016).

Die Auswirkungen von unsicherem Trinkwasser sind gravierend, denn die Daten zeigen, dass etwa jedes Jahr zwei Millionen Menschen, meist Kinder unter 5 Jahren, an wasserbedingten Krankheiten sterben (Harvard Review of Latin America, 2013). Erkenntnissen der WHO zufolge werden 26% der Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren auf schlechte Umweltfaktoren zurückgeführt, wie die Luft- und Wasserverschmutzung, die Entwaldung, der schlechte Zustand der Meere und Ozeane, die die Hauptbedrohungen für die pädiatrische Umweltgesundheit darstellen (Ortega-Garcia, 2019).

Insbesondere eine schlechte Wasserversorgung und unsauberes Trinkwasser verursachen Durchfallerkrankungen bei Kindern und sind weltweit für einen von neun Todesfällen von Kindern verantwortlich (Academy of Nutrition and Dietetics, 2016). Forschungsarbeiten aus dem Jahr 2010 zeigen beispielsweise, dass in Lateinamerika und der Karibik 12.000 Kinder unter 5 Jahren an Durchfallerkrankungen starben (Academy of Nutrition and Dietetics, 2016).

Es muss betont werden, dass Kleinkinder am anfälligsten für Dehydrierung und Nährstoffverluste sind, die mit Durchfall einhergehen. Wenn diese, durch Wasser bedingte Erkrankung im Frühstadium der Kindheit andauert, kann sie die Aufnahme von Schlüsselnährstoffen verhindern, was wiederum zu Anämie, Unterernährung und Entwicklungsproblemen führt (Schady, 2015). Dementsprechend ist die Wasserverschmutzung neben der Luftverschmutzung eine der Hauptursachen für Erkrankungen und den Tod von Kindern in Lateinamerika. Die Pan American Health Organization schätzt, dass auf dem amerikanischen Kontinent (Karibik und Lateinamerika) jedes Jahr fast 100.000 Kinder unter 5 Jahren an diesen Umweltgefahren sterben (Laborde et al., 2015).

Regionenspezifische Herausforderungen

Dürren, Klimawandel, mangelnde Abwasserbehandlung, Verschmutzung durch den Menschen, Ölverschmutzungen und die Einleitung von Industrie- und Schwermetallabfällen in Gewässer sind die Hauptursachen für die Wasserverschmutzung in Lateinamerika (Americas Quarterly, 2019). Diese Verschmutzungsquellen belasten die Gewässer Lateinamerikas und es bleibt ein stilles Problem, das der Medienberichterstattung verborgen bleibt.

Ein weiteres, neu entstehendes Umweltproblem sind Sondermülldeponien. Die Pan American Health Organization berichtet, dass 45% aller Feststoffabfälle auf Deponien oder in Wasserwegen entsorgt werden, die durch den Kontakt mit biologischen Arbeitsstoffen und toxischen Chemikalien eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen (Froes Asmus, 2016). In den meisten Ländern Lateinamerikas ist es zudem gängige Praxis, ungeklärte Abwässer ohne ordnungsgemäße Behandlung in Seen, Flüsse und Bäche zu leiten, was für Haushalte, die an diesen Gewässern liegen und die auch für die Trinkwasserversorgung auf sie angewiesen sind, ein ernsthaftes Problem darstellt (Schady, 2015).

Wenn zusätzlich ungünstige sozioökonomische Bedingungen wie Armut und geringe Produktivität in der Landwirtschaft mit der entstehenden Bedrohung durch den Klimawandel einhergehen, werden die Auswirkungen der Wasserverschmutzung akut (Laborde et al., 2015). Kinder sind besonders anfällig für Herausforderungen des Klimawandels und extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und Überschwemmungen, da diese unterschiedliche und lokale Auswirkungen auf Gemeinschaften haben, wie z.B. Probleme mit Nahrungsmittelknappheit und dem landwirtschaftlichen Wachstum, die sich langfristig auf künftige Generationen auswirken (Ortega-Garcia, 2019).

Das grundlegende Problem, das der Wasserkrise in Lateinamerika zugrunde liegt, ist der mangelnde Zugang zu Leitungswasser und sanitären Einrichtungen in städtischen im Vergleich zu ländlichen Gebieten. Nur 80 % der städtischen Regionen haben Zugang zu Leitungswasser, wobei die Daten zeigen, dass Länder mit höherem Einkommensniveau über eine bessere Infrastruktur für Leitungs- und Abwassersysteme verfügen (Schady, 2015). In Ländern wie Uruguay, Honduras und Brasilien sind Wasserinfrastruktursysteme in städtischen Regionen weiter verbreitet und verfügbar als in ländlichen Regionen.

Armut und Umweltverschmutzung werden künftig mit wirtschaftlich gefährdeten Gebieten in Zusammenhang gebracht mit minderwertigen Leitungs- und Abwassersystemen. Die Anwesenheit umweltverschmutzender Industrien in einigen Regionen schafft auch die Voraussetzungen für Kinderarbeit, bei der Kinder aus armen Haushalten arbeiten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Eine regionale, forschungsbasierte Studie zeigt, dass ärmere Haushalte nicht aufgrund von Einkommensunterschieden, sondern aufgrund geografischer Ungleichheiten einen eingeschränkten Zugang zu Leitungs- und Abwassersystemen haben (Schady, 2015). So verhindern vor allem geografische Barrieren den Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, da ländliche Gebiete nicht innerhalb der Reichweite dieser öffentlichen Dienstleistungen liegen (Schady, 2015).

So gibt es beispielsweise in Ländern wie Kolumbien, Honduras und Peru keine richtige Wasserinfrastruktur und Kinder und Familien haben keine andere Wahl, als die öffentliche Defäkation zu praktizieren. Die Zugänglichkeit zu sanitären Einrichtungen ist in allen ländlichen Regionen lateinamerikanischer Länder ausgesprochen gering, wobei weniger als die Hälfte der ländlichen Gemeinden in Peru, Nicaragua, Paraguay und Bolivien Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen haben. Im Gegensatz dazu ist der Zugang zu leitungsgebundenen Wasser- und Sanitärsystemen in Brasilien höher als in Panama.

Die geringe Produktivität im Agrargeschäft in Verbindung mit dem Mangel an öffentlichen Dienstleistungen in sozial isolierten Gebieten erhöht die Verletzlichkeit von Kindern weiter (Laborde et al., 2015). Dennoch ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass staatliche Behörden selbst in städtischen Wohngebieten Lateinamerikas aufgrund des rapiden Anstiegs der Stadtbevölkerung mit der wachsenden Bevölkerung nicht Schritt halten können. Deshalb stehen keine angemessenen Wassersysteme und Infrastrukturen zur Verfügung (Harvard Review of Latin America, 2013).

Lateinamerikas Wasserkrise ist eine Krise der Kinder

Die Wasserkrise in Lateinamerika sollte auch als „Krise der Kinder“ bezeichnet werden, da Wasser für Kinder eine entscheidende Ressource ist, um die Schule besuchen zu können. In Haushalten ohne sauberes Trinkwasser und ohne Toiletten helfen viele Kinder ihren Müttern beim Wasserholen und verbringen Stunden damit, Wasser aus Bächen und Seen in ihre Häuser zu tragen und gehen deshalb nicht zur Schule (Harvard Review of Latin America, 2013).

Mädchen und vor allem Mädchen im Teenageralter sind aufgrund ihrer Menstruationszyklen besonders anfällig für schlechte sanitäre Verhältnisse, die verhindern, dass sie die Schule besuchen können. Mädchen sind einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn sie während der Menstruation in öffentlichen Bereichen defäkieren und sich reinigen müssen, wodurch sie nicht nur hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit gefährdet sind, sondern auch hinsichtlich sexueller Gewalt. Darüber hinaus ist Wasser im schulischen Umfeld ein zentrales und grundlegendes Bedürfnis von Kindern, die unter prekären sozioökonomischen Bedingungen und auf dem Land leben (Ortega-Garcia, 2019).

Einfach ausgedrückt: Der Zugang zu sauberem Wasser und Abwassersystemen hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Alltag der Kinder, insbesondere auf das Leben von Mädchen. Es gab verschiedene Reaktionen auf die Wasserkrise in Lateinamerika, wie das Graben von Brunnen, Reinigungstabletten und die Installation von Pumpen. Diese Projekte sind zwar nach wie vor nützlich, doch sie stellen ein Puzzle von Lösungen der Wasserkrise in Lateinamerika dar und bilden kein umfassendes Konzept, das die Wasserkrise lösen kann (Harvard Review of Latin America, 2013).

Humanium arbeitet weiterhin in lokalen und ländlichen Gemeinschaften, um Veränderungen durch Standortprojekte zu bewirken, wie z.B. das „Rwanda Water Project“, das dauerhafte Lösungen für wasserbasierte Probleme schafft. Die Ziele dieses Wasserprojekts bestehen darin, zwei Wasserversorgungssysteme in den Distrikten Gatsibo und Gicumbi durch Rohrleitungen wiederherzustellen, die Sanierung von Tanks zu erreichen, ein tragfähiges Wasserversorgungsmanagement zu ermöglichen und durch Aktivitäten in lokalen Schulen ein Bewusstsein zu schaffen. Wasserverschmutzungskrisen finden auf globaler Ebene statt und die lokalen Gemeinschaften brauchen sauberes Trinkwasser. Bitte spenden Sie an Humanium, um Projekte wie das „Rwanda Water Project“ zu unterstützen.

Verfasst von Jennifer Prashad

Übersetzt von Katrin Glatzer

Korrektur gelesen von Jana Ruf

Referenzen:

Academy of Nutrition and Dietetics, “Water Safety and Sanitation in Central America” (n.d.).

AQ Editors, “New AQ: Latin America’s Invisible Crisis” (2019, October 15). Americas Quartley.

Laborde, A. et al. (2015). “Children’s Health in Latin America: The Influence of Environmental Exposures.” Environmental Health Perspectives, 123(3), 201-209.

Froes Asmus, C., Camara, V. & Landrigan, P. (2016). “A Systematic Review of Children’s Environmental Health in Brazil.” Annals of Global Health, 82(1), 132-148.

Leal, S. (2013). “Water Quality: A New Solution for the Developing World?” ReVista: Harvard Review of Latin America.

O’Boyle, B. (2019). “Oil, Sewage, Heavy Metals: The Pollution Plaguing Latin America’s Water”.

Ortega-Garcia, J. A., et al. (2019). “Threats, challenges and opportunities for paediatric environmental health in Europe, Latin America and the Caribbean” Spanish Association of Paediatrics, 90(2), 124.e1-124.e11. 

Schady, N. (2015). “Does Access to Better Water and Sanitation Infrastructure Improve Child Outcomes? Evidence from Latin America and the Caribbean.” Inter-American Development Bank, IDB Working Paper Series No. IDB-WB-603. (Washington, DC: Inter-American Development Bank).

Treaster, J. B. (2013). “First Take: The Struggle for Clean Drinking Water in Latin America,”

ReVista: Harvard Review of Latin America.

“A Children’s and Education Crisis,” (n.d.).