Der Exekutivausschuss für die Rechte des Kindes (CDENF) hat eine Reihe von Webinaren zu den dringendsten Herausforderungen im Zusammenhang mit den Rechten der Kinder angesichts der COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen. Am 22. März 2021 nahm Humanium an dem ersten derartigen Webinar unter dem Titel „Überwindung von Bildungsherausforderungen“ teil.
Webinare zu Herausforderungen im Bereich der Kinderrechte während der Pandemie
Auf seiner Plenarsitzung im November 2020 genehmigte der Exekutivausschuss für die Rechte des Kindes (CDENF) ein Strategiepapier zur Organisation von drei praktischen Webinaren zu den dringendsten Fragen im Zusammenhang mit Kinderrechten im Rahmen von COVID-19. Die für diesen Austausch ausgewählten Schwerpunkte sind der Zugang zu Bildung, der Schutz vor Gewalt innerhalb der Familie mit Schwerpunkt auf gefährdeten Kindern und der psychischen Gesundheit von Kindern sowie deren Bedarf an speziellen Unterstützungsdiensten (Council of Europe, 2021).
Humanium hat aktiv am ersten Webinar unter dem Titel „Überwindung von Bildungsherausforderungen“ teilgenommen. Ziel des Webinars war es, gemeinsam folgende Punkte zu reflektieren und deren Leitlinien zu erarbeiten:
- Umsetzung des Rechts der Kinder auf Bildung während der Pandemie unter Berücksichtigung möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit der Bildungssysteme an ähnliche Krisen in der Zukunft;
- Vereinbarkeit von Gesundheitspolitik und Leben im Klassenzimmer unter Berücksichtigung der grundlegenden Sozial- und Schutzbedürfnisse der Kinder sowie der psychischen Gesundheit der Schüler während der Lockdowns (WHO, 2021);
- Krisenbewältigungsstrategien und langfristige Verbesserungen, einschließlich sozialer Eingliederung, Evaluierung der Politik, pädagogischer Ansätze, technologischer Ausrüstung, Finanzierungslücken oder Beteiligung der Eltern am Schulsystem (Council of Europe, 2021)
Während des Webinars gab es einen gewinnbringenden Austausch über bewährte Verfahren zwischen den Teilnehmern, die Antworten auf Bildungsfragen in der aktuellen Gesundheitskrise gaben.
Teilnahme von Kindern während des ersten Webinars
Eines der Ergebnisse dieses Webinars war die Zusammenführung von nationalen CDENF-Delegationen, Teilnehmern, Beobachtern und internationaler Experten sowie Kindern, die konstruktive Diskussionen zu einer Reihe wichtiger Themen führten. Diese betrafen unter anderem den Zugang zu Bildung, digitalen Unterricht und Heimunterricht, Inklusion und Sicherheit. Es wurde der Schluss gezogen, dass es notwendig sei, gemeinsam mit Kindern auf eine bessere Zukunft für Kinder hinzuarbeiten.
Insbesondere zwei Kinder ergriffen während des Webinars das Wort, um ihre Stimmen zu Gehör zu bringen.
Gustavo[1] (12 Jahre) betonte, dass Schüler und Lehrer zu Beginn der Pandemie nicht die Zeit hatten, sich auf die Umstellung auf Online-Klassen vorzubereiten und dass die Kinder verwirrt waren. Er erklärte auch, dass manche Schüler nicht über die notwendige Ausrüstung für das Online-Lernen sowie einen eigenen Raum zum Lernen verfügten. Darüber hinaus sprach er über das Gefühl der Isolation, das viele Schüler zu dieser Zeit verspürten, während er das Publikum Folgendes fragte:
„Da ich der Meinung bin, dass Länder ihre Prioritäten nicht definieren, möchte ich fragen, was Ihrer Meinung nach die Priorität eines Landes sein sollte, das von einer Pandemie betroffen ist.“
– Steering Committee for the Rights of the Child (CDENF), 2021
Anna (13 Jahre) bekräftigte, dass es schwierig sei, den Bedürfnissen einzelner Kinder in einer Online-Umgebung gerecht zu werden. Das Lernen zu Hause garantiere auch keine angemessene Integration. Die sozialen Herausforderungen der Pandemie wurden als immens beschrieben und beeinträchtigen auch außerschulische Aktivitäten. Schulen seien in der Regel die stabilsten Umgebungen, in denen Kinder lebten, und daher wirke sich ihre Schließung stark auf alle aus (Steering Committee for the Rights of the Child (CDENF), 2021).
Risiken und Herausforderungen des Fernunterrichts
„Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, unseren Kindern Bildung zu bieten, um sicherzustellen, dass sie bestmöglich ausgerüstet sind, um ihre eigene Zukunft gestalten zu können. Viel zu viele Kinder leben heute unter häuslichen Bedingungen, die sie daran hindern, die Ausbildung zu erhalten, die sie verdienen. Die COVID-19-Krise hat eine bereits viel zu große Lücke verschärft.“
– Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Europäischen Kommission
Ab März 2020 hatten Schulschließungen als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie zur Folge, dass weltweit mehr als 90% der an Schulen angemeldeten Kinder und Jugendliche das Klassenzimmer verlassen mussten. Diese anhaltende Unterbrechung hat große Besorgnis ausgelöst, da Studien zu den Auswirkungen der Schließung von Bildungseinrichtungen zeigen, dass selbst kurze Schulunterbrechungen zu erheblichen Bildungsverlusten für Kinder und Jugendliche führen können (Council of Europe, 2021).
Tatsächlich haben die konkreten Einschränkungen der Freiheiten der Menschen die Möglichkeit, qualitativ hochwertige bildende und pädagogische Vorschläge zu erstellen, stark beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Kinder auf Entdeckung und Forschung gefährdet. Es ist wichtig zu bedenken, dass Schulschließungen langfristige Auswirkungen haben und sowohl Benachteiligung auf der kognitiven, sozialen und emotionalen Ebene verstärken (Council of Europe, 2020).
Da Bildung, nicht wie Produktionstätigkeiten aufhören konnte, musste sie sich an die kontingente Situation anpassen. Um die Auswirkungen von Schulschließungen abzuschwächen, haben Länder auf der ganzen Welt rasch in Fernunterricht und Learning Solutions investiert, die über eine Vielzahl von Kanälen bereitgestellt werden. Hierzu zählen Online-Plattformen, Fernseh- und Radioprogramme sowie papierbasierte Lernmaterialien, die zu Hause verwendet werden können (Council of Europe, 2021).
Digitale Bildung ist in der Tat seit Jahren ein Hauptthema der europäischen Politik. Der jüngste Aktionsplan der Kommission für digitale Bildung 2021-2027 mit dem Titel „Überdenken der allgemeinen und beruflichen Bildung für das digitale Zeitalter“ bekräftigt die zentrale Bedeutung des Themas der digitalen Innovation in der europäischen Bildung und Trainingssystemen. Darüber hinaus werden die Herausforderungen hervorgehoben, denen sich die politischen Entscheidungsträger in der Zeit nach COVID stellen müssen (European Parliament, 2020).
Außerdem wird die Überlegung des Europäischen Parlaments und der EU-Institutionen zur Einführung des Internetzugangs als grundlegendes Recht für alle als wesentlich angesehen. Das ist insbesondere der Fall, da dies die soziale Eingliederung fördert und Ungleichheiten verringert, einen gleichberechtigten Zugang zum Lernen gewährleistet und die digitalen Kompetenzen verbessern würde (European Parliament, 2020).
Trotz der großen Chancen, die digitale Technologien in diesen schwierigen Zeiten der Pandemie bieten, müssen bei der Lösung des Problems des Fernlernens jedoch verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Es ist wichtig, einen Moment innezuhalten und uns zu fragen, ob die heutigen didaktischen und methodischen Mängel als dauerhafte Merkmale im Lebenslauf dieser Kinder verbleiben werden; ob die während der Schuljahre entwickelte Sozialität von diesen Veränderungen betroffen sein wird, ob ein zu starkes Aussetzen gegenüber technologischer Geräte die Kommunikationsfähigkeit des Kindes nicht beeinträchtigt und ob eine Schule, die den Kontakt ausschließt, kein Vorbote zukünftiger Phobien sein wird (OECD, 2021).
Negative Folgen des digitalen Lernens
Tatsächlich gibt es viele berechtigte und angemessene Bedenken hinsichtlich des digitalen Lernens (Unicef, 2021). Erstens ist die Motivation der Schüler zurückgegangen und ein Investitionsabbau in schulische Verpflichtungen ist zu konstatieren. Schulen sind auch der reale Ort menschlicher Beziehungen zwischen Gleichaltrigen sowie zwischen Erwachsenen und Kindern; der Ort, an dem der Aspekt der Sozialität aufgebaut wird. Die Unmöglichkeit, dies aus der Ferne zu tun, kann dazu führen, dass ein Gefühl der Isolation entsteht. Ergänzend zu spezifischen unvermeidbaren Problemen mag dieses Gefühl zu einem überzogenen Individualismus führen, der schwer mit der Gemeinschaft und dem sozialen Geist zu vereinbaren ist.
Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für Technologiesucht. Psychologen haben regelmäßig Informationskampagnen durchgeführt, um die Risiken eines unangemessenen und unkontrollierten Ausgesetztseins gegenüber dem Netz und technologischen Instrumenten für Kinder und Jugendliche zu beschreiben. Eine weitere Konsequenz des Fernlernens ist das Risiko von Schulabbruch bzw. Klassenwiederholung: Es mag nur an der Ausstattung fehlen, um eine Verbindung herzustellen oder eine Familie geben, die die Bildungslaufbahn nicht verfolgt und die Möglichkeit des schulischen Nachlassens ist sehr wahrscheinlich.
In Wirklichkeit gibt es viele Probleme, denen eine Familie gegenübertritt, damit ihre Kinder am Fernunterricht teilnehmen können: Sie müssen in einem Gebiet leben, das über eine qualitativ hochwertige Internetverbindung verfügt, einen ausreichend stabilen Vertrag mit einem Telefonanbieter haben, einen Computer/ein Tablet für jedes Kind haben, zusätzlich zu dem, das für das „Smart Working“ der Eltern erforderlich sein mag, usw.
Die Konvergenz dieser Risiken hat das Auftreten von diskriminierenden Verhaltensweisen zunehmend gefördert. Sie müssen beim Befassen mit dem Wiederaufschwung nach COVID-19 unbedingt berücksichtigt werden und eine große Nachhaltigkeit und Inklusivität sollte angestrebt werden (OECD, 2020).
Qualitativ hochwertige Bildung von heute formt starke Erwachsene von morgen
Investitionen in die Zukunft von Kindern können die treibende Kraft für die psychologische und motivierende Genesung einer ganzen Gemeinschaft sein, die Bildung in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt. Nach der Familie ist die Schule die erste Instanz, die das Kind anerkennt. Sie hat daher eine zentrale prägende Aufgabe in seiner Entwicklung, nicht nur in Bezug auf das Lernen, sondern auch in Bezug auf die Beziehungen, die Kinder in ihrem Leben eingehen werden.
Tatsächlich legt die Schule die methodischen und strategischen Grundlagen, auf denen zukünftige Erwachsene ihre Arbeitswelt aufbauen werden. Daher ist es wichtig, eine Schule zu haben, die weiß, wie man bei zukünftigen Ereignissen organisiert und funktionsfähig ist. Welche Art von Bürgern wird sie sonst in die Gesellschaft von morgen heranführen? Während der abschließenden Bemerkungen dieses wichtigen Webinars stellte sich als Hauptargument heraus, dass der heutige Bildungsansatz die Art von Gesellschaft widerspiegeln muss, die wir morgen sein möchten.
Humanium setzt sich dafür ein, dass Kinder eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhalten und die Herausforderungen von COVID-19 erfolgreich bewältigen. Wenn Sie unsere weiteren Aktionen und Projekte unterstützen möchten, damit internationale Kinderrechtsgesetze im digitalen Zeitalter berücksichtigt werden können, abonnieren Sie unseren Newsletter oder werden Sie Mitglied. Um auch die laufende Arbeit von Humanium zu unterstützen und zur Umsetzung von Kinderrechtsprojekten beizutragen, erwägen Sie eine Spende zu machen und schließen Sie sich uns an, um weltweit für Kinderrechte einzutreten.
Geschrieben von Federica Versea
Übersetzt von Carolyn Deloffre
Korrektur gelesen von Cordula Altekrueger
Quellenangaben:
Council of Europe. (2021). COVID-19 and Children’s Rights: Overcoming education challenges.
European Parliament. (2020). Rethinking education in the digital age.
OECD. (2020). The impact of COVID-19 on Education – Insights from Education at a glance 2020.
[1] Die Namen der Teilnehmer wurden aus Gründen der Vertraulichkeit geändert.