Junge Umweltrechtsverteidiger*innen setzen sich auf jedem Kontinent der Erde für den Schutz und die Förderung von Menschen- und Umweltrechten ein. Diese Kinder arbeiten oft unter großem persönlichen Risiko von Repressalien, mit dem Ziel die Rechte heutiger und zukünftiger Generationen zu verteidigen.
Kinder setzen sich für Umweltschutz ein
Junge Umweltaktivist*innen erinnern einerseits auf tragische Weise an das Ausmaß der globalen Klimanotlage, andererseits sind sie große Hoffnungsträger für die Zukunft unseres Planeten und alles Leben, das er enthält. Die untrennbare Verknüpfung zwischen Umweltgerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit kann nicht länger ignoriert werden, und junge Umweltaktivist*innen wissen dies nur zu gut.
« Ich will eine bessere Zukunft. Ich will meine Zukunft retten. Ich will unsere Zukunft retten. Ich möchte die Zukunft aller Kinder und aller Menschen zukünftiger Generationen retten».
Ridhima Pandey,11 Jahre alt (Amnesty International, 2019).
Kinder engagieren sich seit vielen Generationen für den Umweltschutz. Ungerechtigkeiten und Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der andauernden Klimanotlage sind verheerend. Nach dem Zeitalter des Kolonialismus verbreitete sich der Neoliberalismus auf der ganzen Welt und die industrielle Produktion wurde massiv gesteigert, wodurch es zur industriellen Revolutionen kam. Diese Entwicklung und der unzureichend regulierte Konsumkapitalismus haben nicht nur zur dauerhaften Zerstörung natürlicher Lebensräume geführt, sondern hatten auch eine verheerende Wirkung auf Häuser, Gemeinden und das Wohl von Menschen, Tieren und Pflanzen auf der ganzen Welt (Galeano, 1971).
Wer sind die Kinder, die sich für das Umweltrecht einsetzen?
Jedes Kind kann ein Umweltrechtsverteidiger sein. Es handelt sich nicht um einen offiziellen Titel oder eine offizielle Kategorie. Der Begriff umfasst Kinder, die als Aktivist*innen, Autor*innen, Redner*innen, Organisator*innen und in vielen weiteren Bereichen tätig sind (Generalversammlung der Vereinten Nationen, 2019). Ein junger Umweltrechtsverteidiger ist ein Menschenrechtsverteidiger, der unter 18 Jahre alt ist und sich auf Umweltaspekte konzentriert. Es gibt keine Definition der Begriffe „Menschenrechtsverteidiger“ oder „Umweltrechtsverteidiger“. In erster Linie sind es die Handlungen eines Kindes oder Jugendlichen, die ihn oder sie zu einem Umweltrechtsverteidiger machen (OHCHR, 2019).
„Es wird nicht viel darüber gesprochen welche Auswirkungen die Klimakrise auf schwarze, braune und indigene Gemeinden und Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen hat […]. Wenn wir im Zuge der Klimakrise nicht über diese Gruppen sprechen, dann wird das Ganze schnell zu einem „Thema für weiße Menschen“, oder zu einem Thema, das Schwarze und Braune nicht mit einbezieht und das nur zu Lösungen führt, die Schwarze und Braune nicht mit einbeziehen.„.
Isra Hirsi, 16 Jahre alt (City Pages, 2019).
Obwohl junge als auch erwachsene Menschenrechts- und Umweltrechtsverteidiger*innen mehr und mehr Aufmerksamkeit erregen, werden junge Umweltaktivist*innen immer noch kaum anerkannt, unterstützt und beschützt. Bekannte junge Umweltrechtsverteidiger*innen sind z.B. Timoci Naulusala, Mari Copeny, Aditya Mukarji, Lilly Platt, Nadia Nazar, Holly Gillibrand, Jamie Margolin, Autumn Peltier (die auch unter dem Namen „Wasserkämpferin“ bekannt ist) und Greta Thunberg sowie jeder Jugendlicher, der in diesem Artikel zitiert wird. Die meisten von ihnen setzen sich jedoch außerhalb des Rampenlichts für mehr Umweltschutz ein.
Wie setzen sich Kinder für den Umweltschutz ein?
Junge Umweltrechtsverteidiger*innen setzen sich für Menschen- und Umweltrechte ein. Sie wollen sowohl der Umweltzerstörung und dem Raubbau an der Natur, als auch den Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeiten, die eine Folge der Umweltzerstörung sind, entgegenwirken. Dabei setzen sich diese Kinder oft großen persönlichen Risiken aus. Viele junge Umweltrechtsverteidiger*innen gehören der indigenen Gemeinschaft des Landes an, in dem sie sich für den Umweltschutz stark machen. Durch ihre Zugehörigkeit zu einer indigenen Minderheit sind sie besonders gefährdet, da ihre Arbeit sie höheren Risiken aussetzt.
„Bei Umweltungerechtigkeit scheint man absichtlich zu schweigen. Den meisten Menschen ist es egal, was sie der Umwelt antun. Ich bemerkte, dass Erwachsene nicht bereit waren, die Führung zu übernehmen, und entschied mich deshalb es selbst zu tun. Für mich ist Umweltungerechtigkeit ein Akt der Ungerechtigkeit“.
Leah Namugerwa,15 Jahre alt (Amnesty International, 2019)
Junge Umweltaktivist*innen setzen sich oft für den Widerstand gegen Unternehmen und Aktivitäten ein, die die Gesundheit, die Lebensweise und die Existenz vieler Gemeinschaften andauernd bedrohen. Dazu gehören die Agrarindustrie, Waldrodung, Abholzung, Bergbau, Fracking und die Errichtung von Plantagen, Pipelines und Staudämmen. Obwohl sich vor allem Erwachsene für den Umweltschutz engagieren, spielen Kinder ebenfalls eine wichtige Rolle. Einige Kinder nehmen an Protesten und anderen Aktionen teil oder führen diese an. Sie sprechen mit lokalen Medien, politischen Entscheidungsträgern, der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft, und machen so auf die Rechtsverstöße aufmerksam, die die Umweltzerstörung vielen Gemeinschaften zufügt. Diese Aktionen finden online oder offline statt. Es gibt ein immer größeres Bewusstsein sich auf intersektionalen Umweltschutz zu konzentrieren, denn viele Aspekte sind vom Umweltschutz untrennbar, wie zum Beispiel Rassengleichheit, soziale Ungleichheit und die Rechte indigener Menschen.
« Indigene Gemeinschaften sind zuerst betroffen. Sie werden wegen Infrastrukturprojekten und Missachtung ihrer Länder vertrieben. Es geht dabei nicht nur darum, dass schwarze, braune und indigene Gemeinschaften Opfer der Verschmutzung sind, die von der Ölindustrie verursacht wird. Es geht noch viel weiter. Wessen Lebensraum wird hier eigentlich zugunsten von Infrastruktur zerstört? »
Xiye Bastida, 17 Jahre alt (Vox, 2019).
Junge Umweltrechtsverteidiger*innen arbeiten auch mit den Vereinten Nationen (UNO) zusammen. Ein Beispiel für diese Zusammenarbeit ist eine richtungsweisende Individualbeschwerde gegen Deutschland, Frankreich, Brasilien, Argentinien und die Türkei, die 16 junge Umweltrechtsverteidiger*innen aus 12 Ländern im Jahr 2019 beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes eingereicht haben. Den Ländern wurde vorgeworfen, nicht genug für die Rechte der Kinder zu tun. Die Beschwerde forderte die betreffenden Staaten dazu auf die globale Klimakrise sofort anzugehen und hielt sie wegen ihrer gefährlichen Untätigkeit zur Rechenschaft. Während der Verkündung der Beschwerde in New York sagte die 14-jährige Alexandria Villaseñor:
„Wir sind hier als Opfer der Umweltverschmutzung, die seit Generationen unser Land, Luft und Meere rücksichtslos verseucht, und als Kinder, deren Rechte verletzt werden. Aber heute schlagen wir zurück„.
Alexandria Villaseñor, 14 Jahre alt (Indigenous Peoples Major Group for Sustainable Development, 2019).
Die Rechte junger Umweltrechtsverteidiger*innen
Für Kinder gelten alle Menschenrechte, sowie zusätzliche Kinderrechte; diese beinhalten u.a. das Recht von Erwachsenen beschützt zu werden, und die entsprechende Pflicht Erwachsener, Kinder zu beschützen. Kinder, die sich gegen die Zerstörung der Umwelt und deren Folgen einsetzen, fordern oft ihre grundlegendsten Rechte ein, die sie als Menschen und als Kinder besitzen. Diese beinhalten ihr Recht auf Beteiligung, das Recht auf Gehör, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht sowie ihr Recht auf Leben, Nicht-Diskriminierung, Wasser, Gesundheit und auf eine sichere, gesunde und nachhaltige Umwelt.
„Mit euren leeren Worten habt ihr mir meine Träume und meine Kindheit gestohlen. Und trotzdem bin ich noch eine von denen, die Glück haben. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Beginn eines Massenaussterbens und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum. Wie könnt ihr es wagen?„
Greta Thunberg, 17 Jahre alt (NPR, 2019).
Besondere Recht für junge Umweltrechtsverteidiger*innen
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Bedeutung von Umweltaktivist*innen bei der 40. Sitzung des Menschenrechtsrates im März 2019 anerkannt. Laut Resolution sind Umweltrechtsverteidiger*innen, und dabei vor allem Kinder, besonders gefährdet, da sie oft unter Gewalt und Vergeltungsaktionen zu leiden haben (Generalversammlung der Vereinten Nationen, 2019). Die Vereinten Nationen riefen die Staaten dazu auf, „ein sicheres und ermutigendes Umfeld für Initiativen von Kindern und Jugendlichen zu garantieren, die sich für den Umweltschutz einsetzen.“ Sie erkannten damit die wichtige Rolle von jungen Umweltaktivist*innen, die Bedeutung ihrer Arbeit und deren Schutzbedürfnis an (Generalversammlung der Vereinten Nationen, 2019).
2018 widmete der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes seinen „Day of General Discussion (DGD)“ dem Thema „Kinder als Menschenrechtsverteidiger schützen und stärken“. In Abschnitt 4.4.6 des Abschlussberichts wird speziell auf junge Umweltaktivist*innen Bezug genommen. Demnach hätten sie möglicherweise ungleichen Zugang zu Ressourcen und benötigten besonderen Schutz. Außerdem sollten durchsetzbare Bestimmungen für den Wirtschaftsbereich entwickelt werden, um diesen Schutz zu gewährleisten (KRK, 2018). 2016 konzentrierte sich der „Day of General Discussion (DGD)“ außerdem auf das Thema „Kinderrechte und die Umwelt“. Es wurde darauf verwiesen, dass Kinder, die sich für die Umwelt einsetzen, oft unter gewaltsamen Angriffen leiden. „Alle Staaten sollten ein sicheres und ermutigendes Umwelt für Umweltaktivist*innen schaffen und sich besonders um Aktivist*innen kümmern, die jünger als 18 Jahre sind.“ (KRK, 2016).
Es gibt keine verbindlichen internationalen Menschenrechte, die speziell für junge Umweltrechtsverteidiger*innen gelten. Es ist jedoch von höchster Bedeutung, dass diese Kinder besonders geschützt werden.
Internationale Gesetzgebung
Junge Umweltaktivist*innen üben viele ihrer grundlegendsten Menschenrechte aus. Diese sind in den Kerninstrumenten des internationalen Rechts verankert, zum Beispiel in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK und den zwei zugehörigen Fakultativprotokolle(1)) und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Diese sind unter anderem das Recht auf Gehör (UN-Kinderrechtskonvention, 2009), das Recht auf Beteiligung, das Recht auf eine gesunde Umwelt, das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 13, KRK), Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 14, KRK), Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Artikel 15, KRK), Schutz der Privatsphäre (Artikel 16, KRK) und Zugang zu Information (Artikel 17, KRK). Außerdem berufen sich Kinder, die sich für den Umweltschutz einsetzen, oft auf ihr Recht auf Nicht-Diskriminierung (Artikel 2, KRK), das Kindeswohl (Artikel 3, KRK) und ihr Recht auf Leben (Artikel 6, KRK). Dies sind nur einige der wesentlichen Kinderrechte; jedes Kind besitzt nach internationalem Recht und nationalen Gesetzgebungen in seinem jeweiligen Aufenthaltsland weitere Rechte.
Regionale Gesetzgebung
Das Abkommen von Escazú befasst sich mit Fragestellungen zur Umweltgerechtigkeit in Lateinamerika und der Karibik. Obwohl Kinder darin nicht explizit erwähnt werden, gewährt Artikel 9 „Menschenrechtlern, die sich Umweltthemen widmen“, verbindlichen Schutz. Das Abkommen war ein wichtiger Meilenstein, da in Lateinamerika jedes Jahr dutzende oder sogar hunderte Menschenrechtsaktivist*innen, die sich für den Umweltschutz und den Schutz indigener Völker einsetzen, getötet werden. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben dies immer wieder angeprangert. Das Abkommen war ein „historischer Meilenstein für die Umweltdemokratie“ und wurde weitgehend durch die unermüdliche Arbeit der Zivilbevölkerungen in Lateinamerika ermöglicht (Civicus, 2018).
Obwohl es viele weitere regionale Mechanismen gibt, die sich mit Umweltrechten befassen, wie zum Beispiel die Kampala-Konvention, die sich auf die Rechte von Binnenvertriebenen konzentriert, gibt es nur wenige, die Umweltaktivist*innen explizite Rechte einräumen. Viele Staaten und internationale Organisationen haben nicht-bindende Konzepte entwickelt, um diese Rechte zu garantieren. Dies bezieht sich auf z.B. auf Richtlinien, wie das Positionspapier Großbritanniens aus dem Jahr 2019 zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen (HM Government, 2019). Solche Konzepte gehen jedoch nicht weit genug, da sie legislative Rechte oder Pflichten zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen nicht verankern. Außerdem können sie nicht verhindern, dass Staaten auch in Zukunft über Menschenrechtsverteidiger*innen hinwegsehen und deren Interessen bei Entscheidungen nicht berücksichtigen.
Geschrieben von Josie Thum
Übersetzt von Katharina Haas
Korrekturgelesen von Sibylle Daymond
Glossar :
- Für Länder, die diese Verträge ratifiziert haben.
Bibliografie :
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