Besorgniserregende Entwicklung der Vorschriften zur Kinderarbeit in den USA 

Posted on Posted in Armut, Ausbeutung, Kinderarbeit, Kinderrechte, Menschenrechte

Seit 1938 sorgen die Kinderarbeitsgesetze in den USA für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und Schutz junger Arbeitskräfte. Obwohl die Sklaverei schon vor langer Zeit abgeschafft wurde, ist jedoch in einigen Bundesstaaten aufgrund des wirtschaftlichen Drucks und der Forderungen der Industrie in letzter Zeit ein Rückschritt der Vorschriften für Kinderarbeit zu beobachten. Dennoch bleibt die Sicherheit am Arbeitsplatz weiterhin ein wichtiges Anliegen, wie die gemeldeten Todesfälle von jungen Arbeitskräften in gefährlichen Berufen zeigen.

Die Kinderarbeitsgesetze der USA von 1938 bis heute 

Kinderarbeit gibt es in verschiedenen Formen. Nicht jede Art von Arbeit, die von Kindern verrichtet wird, gilt als schädlich. So können Aufgaben wie die Mithilfe im Familienbetrieb oder das Verdienen von Taschengeld bestimmte Fähigkeiten und Wachstum fördern.

Als Kinderarbeit gelten jedoch jene Tätigkeiten, die das geistige, körperliche, soziale oder moralische Wohlbefinden beeinträchtigen und die Bildung behindern. Dazu zählen unter anderem gefährliche Arbeiten, die den Schulbesuch verhindern oder übermäßige Arbeit erfordern (International Labour Organization, n.d.).

Schon in der Vergangenheit hatten die USA mit den Kinderrechten Mühe. Erst mit dem entscheidenden Fair Labor Standards Act (FLSA) von 1938, der Kinder vor der Ausbeutung als Arbeitskraft schützen sollte, wurde das Thema Kinderarbeit formal angegangen (Ritter A. J., 2015).

Das Gesetz legte strenge Richtlinien fest, insbesondere das Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren und die Beschränkung der Arbeitszeiten für Kinder bis 18 Jahre. Darüber hinaus wertete der FLSA risikoreiche Berufe aus und schloss junge Arbeitskräfte davon aus, um ihre Sicherheit zu gewährleisten (Filter A. J. et al., 2023).

Vor der Verabschiedung des FLSA gab es in den USA keine bundesweit geltenden Vorschriften zum Thema Kinderarbeit. Diese Lücke führte häufig zu Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Bundesstaaten, sodass viele Kinder risikoreichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren, z. B. in berüchtigten Minen oder Fabriken.

Eine der schwierigsten Herausforderungen stellte sich im Jahr 1982, als Präsident Ronald Reagan eine Flexibilisierung der Vorschriften vorschlug. Diese sollte es 14- und 15-Jährigen gestatten, längere Arbeitszeiten zu leisten, insbesondere in Branchen wie im Fast Food und im Einzelhandel. Ein Zusammenschluss verschiedener Gruppen erwirkte jedoch eine Blockade der vorgeschlagenen Änderungen (Filter A. J. et al., 2023).

In den vergangenen zwei Jahren haben zehn Staaten den Schutz für junge Arbeitskräfte geschwächt. Für das Jahr 2023 wurden sieben Gesetzentwürfe zum Abbau des Kinderarbeitsschutzes vorgeschlagen. In den vorgeschlagenen Gesetzesentwürfen werden die Beschränkungen für gefährliche Arbeiten gelockert, sodass Kinder ab 14 Jahren in bestimmten schwierigen Umfeldern wie z. B. Fleischkühlhäusern arbeiten dürfen.

Außerdem wird vorgeschlagen, Jugendlichen im Alter von 14,5 Jahren zu erlauben, kurze Strecken für die Arbeit zu fahren, und 14- bis 17-Jährigen eventuell zu gestatten, im Rahmen eines „arbeitsbezogenen Lernprogramms“ mit staatlicher Genehmigung risikoreiche Arbeiten auszuführen (Sherer J. et al., 2023).

Wirtschaftlicher Druck treibt Änderungen im Kinderarbeitsrecht voran

Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks will die Industrie mehr Flexibilität bei der Beschäftigung jüngerer Arbeitskräfte. Für große Unternehmen schafft die Anstellung von Kindern Arbeitsplätze und senkt die Arbeitskosten. Als Reaktion auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes haben daher mehrere US-Bundesstaaten damit begonnen, den Schutz der Kinderarbeit zu lockern.

Initiativen starteten im Jahr 2022, als Staaten wie Iowa, Arkansas, New Jersey und New Hampshire Gesetze erließen, die es Kindern im Alter von 14 bis 17 Jahren gestatteten, in Nachtschichten, zu längeren Arbeitszeiten und in zuvor eingeschränkten Funktionen zu arbeiten (Filter A. J. et al., 2023).

Die Zahl der arbeitenden Kinder im Alter von 15 bis 17 Jahren schwankt seit 2003 und erreichte im Sommer desselben Jahres einen Höchststand von 3,3 Millionen. Sie sank auf 1,9 Millionen im Jahr 2011 und stieg anschließend bis 2017 auf 2,5 Millionen an. Im Sommer 2017 waren etwa 2,5 Millionen dieser Kinder in nichtlandwirtschaftlichen Branchen beschäftigt, wie aus den vom GAO analysierten Daten des US-Handelsministeriums und des Arbeitsministeriums hervorgeht (United States Government Accountability Office, 2018).

In Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs nahm die Zahl der arbeitenden Kinder ab, was darauf hindeutet, dass die Familien finanziell stabiler waren oder dass es weniger Beschäftigungsmöglichkeiten gab. Als sich die wirtschaftlichen Bedingungen wieder verbesserten, stieg die Zahl der arbeitenden Kinder erneut an. Dies deutet darauf hin, dass viele Familien auch in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben und auf das zusätzliche Einkommen ihrer Kinder angewiesen sind.

Kinderarbeit und Sicherheit am Arbeitsplatz

Laut dem Bericht „2023 Death on the Job“ des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO „starben im Jahr 2021 in den USA 350 Arbeitskräfte unter 25 Jahren bei der Arbeit, darunter 24 Arbeitskräfte unter 18 Jahren“ (Sainato M, 2023).

Vor kurzem wurde ein Gesetzentwurf erneut eingebracht, der es 16- und 17-Jährigen erlauben soll, unter elterlicher Aufsicht in mechanisierten Betrieben der Holzindustrie zu arbeiten, was aufgrund der tragischen Todesfällen von Kindern in dieser Branche zu erheblichen Kontroversen führte.

Die Arbeit in der Holzindustrie ist einer der gefährlichsten Arbeitsbereiche in den Vereinigten Staaten. Mit Rekordzahlen besetzt sie landesweit die Spitze der Branchen mit den höchsten Todesfallraten am Arbeitsplatz (Sainato M, 2023).

Im Juni 2023 kam es in Wisconsin zu einem tragischen Vorfall, als der 16-jährige Teenager Michael Schuls bei der Arbeit in einem Holzfällerunternehmen ums Leben kam. Dem landesweiten Trend zufolge hat Wisconsin in den letzten Jahren einen enormen Anstieg an Beschwerden über Kinderarbeit zu verzeichnen.

Es handelt sich um einen der Staaten, der versucht, die Gesetze hinsichtlich Kinderarbeit zu lockern. Dieser bedauerliche Vorfall verdeutlicht die potenziellen Gefahren, denen junge Arbeitskräfte in gefährlichen Branchen ausgesetzt sind (Marcus J, 2023).

Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass in den USA die Ausbeutung von Migrantenkindern, die häufig in risikoreichen Berufen eingesetzt werden, weit verbreitet ist. Die gute Nachricht ist, dass sich das US-Arbeitsministerium dieses Problems inzwischen annimmt. Unternehmen, die gegen die Gesetze zur Kinderarbeit verstoßen, werden mit Geldbußen in Millionenhöhe bestraft.

Aufgrund der großen Armut und der begrenzten sicheren Möglichkeiten sehen sich junge Migrant:innen jedoch immer noch dazu gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen zu arbeiten. Die restriktive Einwanderungspolitik setzt sie zusätzlich der Ausbeutung und Schuldknechtschaft aus (Hernandez K, 2023).

Das Problem ist, dass Aufgaben, die für Erwachsene relativ sicher sind, für Kinder äußerst gefährlich sein können. Ihr Körper ist kleiner und schwächer, sodass sie sich leichter verletzen können. In der Landwirtschaft werden scharfe Werkzeuge und schädliche Pestizide verwendet, und oft fehlt es an korrekten Waschräumen.

Andere gefährliche Arbeiten sind das Tragen schwerer Gegenstände auf dem Bau, der Umgang mit Strahlung in Kernkraftwerken und das Einatmen schädlicher Dämpfe in Branchen wie der Leder- und Glasindustrie. Immer wieder kommt es vor, dass Kinder durch Blei und Quecksilber im Bergbau und bei der Glasherstellung vergiftet werden (The World Counts, n.d.).

Neue staatliche Gesetze stehen im Widerspruch zu umfangreichen Untersuchungen, die zeigen, dass lange Arbeitszeiten der Gesundheit und Entwicklung von Kindern schaden. Junge Menschen sind anfälliger für Verletzungen am Arbeitsplatz und empfindlicher für Exposition von schädlichen Chemikalien als Erwachsene. Darüber hinaus sind junge Erwachsene, die die Schule abbrechen, um zu arbeiten, mit einem geringeren Verdienst und einer höheren Arbeitslosenquote konfrontiert (Sherer J. et al., 2023).

Herausforderungen für die Zukunft: Gleichgewicht zwischen Wachstum und Kindeswohl schaffen

Die Priorität liegt bei der Beseitigung der schwersten Formen der Kinderarbeit, die die Gesundheit, die Sicherheit oder das Wohlergehen der Kinder gefährden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Sklaverei, Zwangsarbeit, Menschenhandel, Kinderprostitution und gefährliche Kinderarbeit (International Labour Organization, n.d.).

Um die genannten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen und das Wohlergehen der jungen Arbeitskräfte zu gewährleisten müssen Arbeitgeber und politische Entscheidungsträger eng zusammenarbeiten und strenge Vorschriften, wirksame Überwachungssysteme und umfassende Unterstützungsmechanismen einführen.

Um dies zu erreichen, sollten Arbeitgeber auf ein gerechtes Arbeitsumfeld, faire Löhne und Vielfalt Wert legen. Die politischen Entscheidungsträger sollten im Gegenzug die Arbeitsnormen und deren Durchsetzung stärken, indem sie eine angemessene Finanzierung sicherstellen und strengere Strafen verhängen.

Für junge und zugewanderte Arbeitskräfte sollte die Möglichkeit bestehen, Gewerkschaften zu gründen, insbesondere in Branchen wie der Landwirtschaft und der Hausarbeit. Dies ist ein fairer und wirksamer Weg, um Lücken im Arbeitsrecht zu schließen, gleiche Rechte für alle zu gewährleisten und Kinder zu schützen (Sherer Jennifer et al., 2023).

Die Aufgabe von Humanium besteht darin, das Bewusstsein für die Bedeutung des Schutzes von Kindern vor gefährlicher Arbeit zu schärfen und für Schutzmaßnahmen einzutreten. Wenn Sie uns unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Spende, Ihre ehrenamtliche Tätigkeit oder Ihre Mitgliedschaft.

Geschrieben von Lidija Misic

Übersetzt von Helga Burgat

Korrektur gelesen von Carolyn Deloffre

Bibliographie:

AFL-CIO (2023), Death on the Job: The Toll of Neglect, 2023. Retrieved from AFL-CIO at https://aflcio.org/reports/death-job-toll-neglect-2023, accessed on August 17, 2023.

Filter A. John et al. (2023), States are weakening their child labor restrictions nearly 8 decades after the US government took kids out of the workforce. Retrieved from The Conversation at https://theconversation.com/states-are-weakening-their-child-labor-restrictions-nearly-8-decades-after-the-us-government-took-kids-out-of-the-workforce-205175, accessed on August 15, 2023.

Hernandez Kristian (2023), How U.S. policy drives child migrants into dangerous jobs. Retrieved from The Center for Public Integrity at https://publicintegrity.org/inequality-poverty-opportunity/immigration/how-u-s-policy-drives-childhood-migration-into-dangerous-jobs/?gclid=CjwKCAjwivemBhBhEiwAJxNWNwOaxnQR5M8bdjHQmUZU-UK_qavLUMx3PIeCUtFMLQlt0g9-2rzcQRoCo6MQAvD_BwE, accessed on August 17, 2023.

International Labour Organization (n.d.), What is child labour? Retrieved from ILO at https://www.ilo.org/ipec/facts/lang–en/index.htm, accessed on August 17, 2023.

Marcus Josh (2023), Teen dies in sawmill accident in one of 14 states looking to roll back child labour laws. Retrieved from The Independent at https://www.independent.co.uk/news/world/americas/wisconsin-sawmill-accident-child-labour-b2370029.html, accessed on August 17, 2023.

Ritter A. Jessica (2015), America’s shameful child rights record. Retrieved from Al Jazeera at http://america.aljazeera.com/opinions/2015/6/americas-shameful-child-rights-record.html, accessed on August 15, 2023.

Sainato Michael (2023), ‘Dumb and dangerous’: US sees surge in efforts to weaken child labor regulations. Retrieved form The Guardian at https://www.theguardian.com/law/2023/may/01/us-surge-efforts-reduce-child-labor-regulations, accessed on August 15, 2023.

Sherer Jennifer et al. (2023),  Child labor laws are under attack in states across the country. Retrieved from Economic Policy Institute at https://www.epi.org/publication/child-labor-laws-under-attack/, accessed on August 15, 2023.

United States Government Accountability Office (2018). Working children – Federal Injury Data and Compliance Strategies Could Be Strengthened. Retrieved from: https://www.gao.gov/assets/gao-19-26.pdf, accessed on August 15, 2023.

The World Counts (n.d.), Child Labor Working Conditions. Retrieved from The World Counts at https://www.theworldcounts.com/stories/child-labor-working-conditions, accessed on August 18, 2023.