Das Thema der Gewalt gegen Kinder durch ihre Stiefeltern in Angriff nehmen

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Kindesmisshandlung ist ein allgegenwärtiges globales Problem. Schätzungen zufolge werden Millionen von Kindern zu Hause, in der Schule oder in der Gemeinschaft misshandelt. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Kinder, die in Stieffamilien leben, besonders gewaltgefährdet sind, da der Aufbau starker emotionaler Bindungen zu nicht biologischen Familienmitgliedern eine Herausforderung darstellt.

Zur Verhinderung der schwerwiegenden physischen und psychischen Folgen von Kindesmisshandlung empfiehlt es sich, Präventivmaßnahmen wie Beratung, Unterstützung durch Sozialarbeiter:innen und positive Erziehungsmethoden zu fördern. Vor allem aber liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, solche Gewalttaten als Kindesmisshandlung zu erkennen, sie entsprechend zu melden und auf diese Weise gefährdete Kinder zu schützen.

Kindesmisshandlungen durch Stiefeltern

Gewalt gegen Kinder ist weltweit ein weit verbreitetes Verbrechen. Allerdings wird nur ein kleiner Teil der Fälle den Kinderschutzbehörden gemeldet, denn es wird berichtet, dass jährlich nur etwa 1 % der Kinder in der Bevölkerung gemeldet werden. Studien zeigen, dass Kinder, die in Stieffamilien leben, aus verschiedenen Gründen besonders gefährdet sind, Opfer von Gewalt zu werden.

Manche Stiefeltern fühlen sich mit den Kindern ihres Partners nicht so verbunden wie mit ihren eigenen, während andere ungelöste Probleme aus früheren Beziehungen in ihre neuen Familien mitbringen. Diese Faktoren können zu dysfunktionalen Stieffamilien führen und damit das Risiko von Misshandlungen erhöhen (Debowska et al., 2020).

In der Studie über Kindesmisshandlung aus dem Jahr 1984 wird deutlich, vor welchen Herausforderungen Stieffamilien im Vergleich zu leiblichen Familien stehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Stieffamilien in der Regel in einem stressreicheren Umfeld leben, was das Risiko von Kindesmisshandlung erhöhen kann (Debowska et al., 2020).

Bei Stiefeltern mit schwachen emotionalen Bindungen oder geringem Selbstwertgefühl und geringer Selbstkontrolle besteht ebenfalls ein höheres Risiko, ihre Kinder zu misshandeln. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, bei dem Kinder, die Misshandlungen erfahren, mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst zu Misshandlungstätern werden, wie dies die Weltgesundheitsorganisation (2022) festgestellt hat.

Statistiken aus den USA zufolge heiraten zahlreiche geschiedene Paare in diesem Land innerhalb von zehn Jahren neu. Leider sind nicht alle Partner bereit, gemeinsam die Elternschaft zu übernehmen und eine enge Bindung zu ihren nicht leiblichen Kindern aufzubauen.

Die kanadischen Psychologen Martin Daly und Margo Wilson fanden heraus, dass „solche Kinder 40-mal häufiger sexuell missbraucht oder körperlich misshandelt werden als Kinder, die bei ihren biologischen Eltern leben“ (Glenn W. A, 2019). Diese alarmierenden Statistiken verdeutlichen den Bedarf an Unterstützung und Beratung für Stieffamilien, um gesunde Beziehungen zu fördern und Kindesvernachlässigung zu verhindern.

Martin Daly führte auch den Begriff „Cinderella-Effekt“ ein, um das Phänomen zu beschreiben, dass Stiefkinder mit größerer Wahrscheinlichkeit Vernachlässigung durch ihre Stiefeltern erleiden. Der Name leitet sich von dem Märchen „Aschenputtel“ ab, in dem eine Stiefmutter ihre Stieftochter misshandelt.

Diese Darstellung von Stiefeltern als Bösewichte, die Kinder misshandeln, wurde in der Literatur von berühmten Autoren wie Shakespeare und Dickens aufgegriffen. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Gründe für den Cinderella-Effekt vielschichtig sind und von einer Vielzahl von Faktoren ausgehen können (Debowska et al., 2020).

Schädigende Auswirkungen von Gewalt in der Kindheit

Kindesmisshandlung ist eine schwere Form der Schadenszufügung und umfasst die körperliche, emotionale oder sexuelle Misshandlung eines Kindes. Kinder, die während ihrer frühen Kindheit Gewalt erfahren, sind dem Risiko ernsthafter psychischer und physischer Gesundheitsschäden ausgesetzt. In den schwersten Fällen kann die Misshandlung von Kindern sogar zum Tod führen.

Untersuchungen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Opfer von Kindesmisshandlung mit einer Reihe negativer Folgen belastet ist, darunter „Verhaltensprobleme, Probleme mit Gleichaltrigen, Depressionen, Ängste, Entwicklungsverzögerungen, unregelmäßiger Schulbesuch und unangemessenes Sexualverhalten“ (Government of Canada, 2009).

Ein negatives familiäres Umfeld kann die Entwicklung eines Kindes und seine zukünftigen Beziehungen beeinträchtigen. Kinder, die eine mangelhafte Kommunikation und fehlende Kontrolle durch ihre Bezugspersonen mitbekommen, können diese Verhaltensweisen verinnerlichen und sie als akzeptable Formen der Erziehungsmaßnahmen ansehen.

Kindesmisshandlung tritt häufig zusammen mit Gewalt in der Ehe auf und belastet Kinder, die damit konfrontiert werden, zusätzlich. Erwachsene, die als Kinder missbraucht wurden, können Schuldgefühle und ein geringes Selbstwertgefühl empfinden, haben Probleme mit der Selbstkontrolle und wiederholen missbräuchliche Verhaltensmuster. Es ist zwar schwierig, das Vertrauen wieder aufzubauen, aber es ist durchaus möglich (Government of Canada, 2009).

Konkrete Berichte über Gewalt durch (Stief-)Eltern

Kindesmisshandlung ist ein ernstzunehmendes Problem, von dem weltweit Millionen Kinder betroffen sind. Leider sind Fälle von Gewalt, die durch Stiefeltern ausgeübt werden, keine Seltenheit. Eine von den kanadischen Gründern der evolutionären Psychologie durchgeführte Untersuchung ergab, dass „die Häufigkeit von Kindstötungen in Stieffamilien 60-mal höher und die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch etwa acht Mal höher ist als in biologisch verwandten Familien “ (Brody E J, 1998).

Auch in Brasilien ergab eine im Jahr 2010 durchgeführte Untersuchung, dass brasilianische Mütter ihre Kinder eher misshandeln, wenn sie einen Partner haben, der nicht der biologische Vater des Kindes ist (Alexandre G. C. et al., 2010).

Kindesmisshandlung ist auch in den Vereinigten Staaten ein weit verbreitetes Problem, von dem Kinder aller Bevölkerungsgruppen und Ethnien betroffen sind, wobei indigene Kinder und afroamerikanische Kinder zu den am stärksten betroffenen Gruppen gehören.

Die Vernachlässigung der Grundbedürfnisse eines Kindes ist die häufigste Form der Kindesmisshandlung. Zur Lösung dieses Problems ist es von entscheidender Bedeutung, alle Familien, einschließlich Stieffamilien, zu unterstützen und anzuleiten, um gesunde Beziehungen und ein sicheres Umfeld für Kinder zu fördern.

„Im Jahr 2021 wurden Berichten zufolge etwa 210.746 Kinder von ihren Müttern und 132.363 Kinder von ihren Vätern missbraucht.“

– Statista Research Department, 2023

Wie kann man Gewalt in Stieffamilien verhindern und thematisieren?

Die erfolgreiche Erziehung von Kindern wird in hohem Maße durch positive Erziehungsmethoden beeinflusst, bei denen eine offene Kommunikation zwischen allen Bezugspersonen im Vordergrund steht, um ein harmonisches Umfeld für das Kind zu schaffen.

Obwohl das Kind eine enge Beziehung zum leiblichen als auch zum Stiefelternteil pflegen sollte, deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass in Fällen, in denen die Beziehung zum Stiefelternteil distanziert oder konfliktreich ist, eine engere Beziehung zum leiblichen Elternteil nicht unbedingt das Ausmaß der Depression verringert.

Aus diesem Grund kann eine psychologische Beratung für alle Familienmitglieder ein hilfreicher Schritt sein, um ein gesundes familiäres Umfeld zu fördern und die optimale Entwicklung des Kindes zu gewährleisten (Hornstra et al., 2021). Stiefeltern müssen sich die Zeit nehmen, nach und nach in ihre Rolle hineinzuwachsen und engere Beziehungen zu ihren Stiefkindern aufzubauen. Sobald sich Veränderungen ergeben und Kinder sich in einer neuen Umgebung wiederfinden, brauchen sie Anleitung und Unterstützung.

Wenn Erziehungsberechtigte es schwer finden, sich anzupassen, können sie die Hilfe von Familientherapeut:innen, Kinderpsycholog:innen, Elterncoaches oder Sozialarbeiter:innen in Anspruch nehmen. Glücklicherweise bieten viele gemeinnützige und staatliche Einrichtungen Beratungsdienste an, darunter auch solche, die sich an einkommensschwache Familien richten.

Diese Ressourcen stellen eine wertvolle Hilfe für Familien dar, die von einer Anleitung zu positiven Erziehungsstrategien profitieren können (Deal R, n.d.). Kommt es jedoch trotz aller Präventivmaßnahmen zu Gewalt in Stieffamilien, obwohl sie oftmals von Lehrern und Lehrerinnen, Vollzugsbeamten oder Sozialdienstleistern gemeldet werden, sollte es in der Verantwortung aller liegen, einem betroffenen Kind zu helfen.

Humanium setzt sich dafür ein, dass Kinder ihre Vorstellungen in ihren lokalen Gemeinschaften verwirklichen können. Unser Team aus Menschenrechtsvertreter:innen, Lebensberater:innen, Psycholog:innen, Führungskräften und Therapeut:innen hat eine Methodik entwickelt, die sich auf den Schutz und die Hilfe für Kinder konzentriert, um ihr Wohlergehen zu fördern. Sie können sich uns bei der Schaffung einer sichereren und besseren Welt für Kinder anschließen, indem Sie ehrenamtlich mitarbeiten, spenden oder unser Anliegen sponsern.

Geschrieben von Lidija Misic

Übersetzt von Claudia Flanner

Korrektur gelesen von Beate Dessewffy

Literaturhinweise:

Alexandre G.C, et al. (2010). The presence of a stepfather and child physical abuse, as reported by a sample of Brazilian mothers in Rio de Janeiro. Retrieved from the National Library of Medicine at https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21030083/, accessed on March 25, 2023.

Brody E. Jane (1998). Genetic Ties May Be Factor In Violence in Stepfamilies. Retrieved from The New York Times at https://www.nytimes.com/1998/02/10/science/genetic-ties-may-be-factor-in-violence-in-stepfamilies.html, accessed on March 25, 2023.

Deal Ron (n.d.). Stepparenting: It Takes Two. Retrieved from Focus on the Family at https://www.focusonthefamily.com/parenting/stepparenting-it-takes-two/, accessed on March 25, 2023.

Debowska et al. (2020). Violence against children by stepparents. Retrieved from ResearchGate at https://www.researchgate.net/publication/340828678_Violence_against_children_by_stepparents, accessed on March 25, 2023.

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Hornstra et al. (2021). Dissonant relationships to biological parents and stepparents and the well-being of adult children. Retrieved from Sage Journals at https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/02654075211031984, accessed on March 25, 2023.

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