Der 30. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention: Überlegungen zum aktuellen Stand der Kinderrechte in bewaffneten Konfliktsituationen, Zwangsvertreibungen und Migration

Posted on Posted in Frieden, Gewalt, Kinderrechte

Um den 30. Jahrestag der Kinderrechtskonvention (im Folgenden CRC genannt) zu begehen, ist es wichtig, über einige der schwierigsten Probleme nachzudenken, mit denen Kinder heute in der Welt konfrontiert sind: bewaffnete Konflikte, Zwangsvertreibungen und Kindermigration.

In frischer Erinnerung ist uns das Bild von Aylan Kurdi, dem dreijährigen syrischen Jungen, der am 2. September 2015 bei dem Versuch, zusammen mit seiner Familie die gefährliche Reise über das Mittelmeer zu wagen, um Asyl zu suchen, ertrunken ist (Bochenek, 2015).

Das Jahr 2015 wurde wegen der starken Auswirkungen, die bewaffnete Konflikte auf das Leben von Kindern haben, in denen Kinder direkt oder indirekt dem Konflikt ausgesetzt sind (Kadir, Sheonda, Goldhagen, 2019; Coomaraswany, 2010) auch das „Jahr der Angst” (Weston, 2016) für Kinder genannt. Zweifellos diente 2015 als eine Art ‚Weckruf‘ für die Welt und die internationale Gemeinschaft insgesamt, die Folgen bewaffneter Konflikte und Zwangsvertreibungen von Kindern stärker in den Fokus zu nehmen.

Hintergrund und Kontext

Es wird geschätzt, dass derzeit bis zu eine Milliarde Kinder in Gebieten leben, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind und diese alarmierende Zahl bestätigt sich in Menschenrechtskrisen, die Kinder in der ganzen Welt in Ländern wie zum Beispiel Afghanistan, Sudan, Eritrea, Syrien, Guatemala, El Salvador und Mexiko involvieren, mit bisher unbekannten Ausmaßen von Gewalt und Ausbeutung von Kindern (Mikavica and Monaghan, 2016; Wessells, 2017).

Die erschütternde Anzahl von Menschenrechtsverletzungen geht mit der zunehmenden Verbreitung von nicht-internationalen Konflikten in der modernen Kriegsführung einher. Kriege werden nicht mehr von Armeen auf entfernten Schlachtfeldern geführt, bei denen Soldaten die hauptsächlichen Toten und Verletzten sind; in der heutigen Zeit werden Kriege unter der Zivilbevölkerung, in Wohngegenden, Schulen, Krankenhäusern und Kirchen ausgefochten (Trabucchi, 2008).

Dieses beispiellose Ausmaß moderner Kriegsführung verändert durch die Intensität und Brutalität der Gewalt gegen Zivilisten, den strategischen Einsatz von Kindern als Kindersoldaten und das Fehlen von Gemeinschaften und sicheren Anlaufstellen, in denen Kinder sich schützen könnten, das Leben von Kindern auf dramatische Weise (Slone & Mann, 2016).

In der internationalen Gemeinschaft wird weitgehend anerkannt, dass Kinder nicht nur bloße Zeugen bewaffneter Konflikte sind, sondern dass sie als Ziele und für militärische Rekrutierung direkt in diese Konflikte involviert werden (Mikavica und Monaghan, 2016; Coomaraswany, 2010). Zu den direkten Folgen dieser Konflikte, unter denen Kinder leiden, gehören psychische Traumata, Verletzungen, Tod und Krankheit als ein Resultat der Zerstörung von medizinischen und Gesundheitseinrichtungen sowie Behandlungszentren (Kadir, Sheonda, Goldhagen, 2019).

Der UN-Sicherheitsrat hat offiziell sechs schwere Verletzungen von Kinderrechten in besorgniserregenden Situationen weltweit identifiziert (Büro des Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, 2017).

Da Kinder eine höchst verletzliche Gruppe in bewaffneten Auseinandersetzungen sind, werden sie auf die verschiedensten Weisen in Konflikte hineingezogen, wie die sechs schweren Verletzungen zeigen, von denen die folgenden von höchster Bedeutung sind: Rekrutierung oder Einsatz von Kindern als Soldaten, Töten oder Verstümmelung von Kindern, Vergewaltigung oder sexuelle Gewalt, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe und Verschleppung von Kindern (Mikavica und Monaghan, 2016; Büro des Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, 2017).

Es ist nicht überraschend, dass diese sechs schweren Verletzungen von Kinderrechten sowohl Ursache als auch Resultat von Zwangsvertreibungen sind (Mikavica und Monaghan, 2016). Beim Thema Zwangsmigration ist zu bedenken, dass die Kinder aus Kriegszonen, vor der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, vor der Gewaltausübung durch organisierte Kriminalität sowie vor katastrophalen Menschenrechtssituationen fliehen, die ihren Schutz als Flüchtlinge in jedem Fall rechtfertigen (Bochenek, 2015; Mikavica und Monaghan, 2016).

Hindernisse im Schutz von Menschenrechten von Kindern im Kontext der CRC überwinden

Wegen ihres Alters und ihres sozialen Status werden Kinder oftmals nicht als gleichberechtigte Personen im Menschenrechtssystem gesehen (Roche-Mair, 2018). Kinderrechte enden – entsprechend der CRC – jedoch nicht am Rand von Kriegsgebieten, denn im Kern können diese Rechte ihnen von Regierungen oder bewaffneten Gruppen nicht aberkannt werden (Wessells, 2017).

Die CRC etabliert internationale Standards für den Schutz, das Überleben und die Entwicklung aller Kinder und ohne jede Diskriminierung. Die 194 Länder, die die Konvention ratifiziert haben, haben sich – neben der Wahrung von Kinderrechten insgesamt – verpflichtet, Kinder vor Gewalt, wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung sowie allen Formen von Missbrauch zu schützen (Human Rights Watch, 2014).

Der CRC untergeordnet ist das Fakultativprotokoll für einen Kommunikationsprozess von 2011, das 2014 in Kraft trat, ein robuster Mechanismus, der im Bereich Kinderrechte eine große Wirkung erzielt (Grover, 2015). Indem die partizipativen Rechte der Kinder entsprechend Artikel 12 der CRC anerkannt werden und indem die Verletzung ihrer Menschenrechte in Fällen wiedergutgemacht wird, in denen nationale Mittel nicht vorhanden oder unangemessen sind, erweitert dieses Hauptrahmenwerk den Zugang zu internationaler Gerechtigkeit für Kinder (Human Rights Watch, 2014; Grover, 2015).

Ein Hauptmerkmal des Fakultativprotokolls für Kommunikation des CRC besteht darin, dass es dem Ausschuss für Kinderrechte erlaubt, auf Einzel- und Gruppenbeschwerden bei Verletzungen von Kinderrechten zu antworten und Nachforschungen anzustellen. Bei Überlegungen zum aktuellen Klima in Sachen Kinderrechte ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass erst die Anerkennung der Stimmen von Kindern den Kinderrechten eine konkrete Bedeutung verleiht.

Im Einklang mit seiner Methodologie und seinem partizipativen Ansatz stärkt Humanium die Stimmen von Kindern, indem ihre Fähigkeit, ihre Wünsche zu verwirklichen, unterstützt wird und sie darin bestärkt werden, ihre Ziele innerhalb lokaler Gemeinschaften zu verfolgen.

Insbesondere im Bereich Traumatherapie hat Humanium große Kompetenzen und arbeitet aktiv daran, vergangene Traumata zu heilen. So etwa im immer noch vom Genozid belasteten Ruanda oder in Indien, wo das Problem der Kinderarbeit mit der Reintegration von Kindern in öffentliche Schulen angegangen wird und gleichzeitig ihre emotionalen wie psychischen Hilfsstrukturen gestärkt werden, damit sie in Zukunft auf eigenen Beinen stehen können.

Geschrieben von Jennifer Prashad

Übersetzt von Bettina Wind

Literaturnachweise:

Bochenek, M. G. (2015). “Children’s Rights as Human Rights.” Ethics and International Affairs, 29(4), 473-488.

Coomaraswany, R. (2010). “The Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on the Involvement of Children in Armed Conflict – Towards Universal Ratification” International Journal of Children’s Rights, 18(4), 535-549.

Grover, S. (2015). Children Defending their Human Rights under the CRC Communications Procedure. Berlin: Springer Press.

Human Rights Watch, (November 17, 2014) 25th Anniversary of the Convention on the Rights of the Child. Online unter: https://www.hrw.org/news/2014/11/17/25th-anniversary-convention-rights-child. 

Kadir, A, Sheonda, S, & Goldhagen, J. (2019). “Effects of armed conflict on child health and

development: A systematic review” PLOS ONE 14(1).

Mikavica, D & Monaghan, C. (2016). “The Children and Armed Conflict Agenda and Forced Displacement” Policy Dialogues, 11(3), 126-131.

Büro des Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, (2017) Die sechs schweren Verletzungen. Online unter: https://childrenandarmedconflict.un.org/six-grave-violations/.

Roche-Mair, A. (2018). “Challenges to the Protection of Children’s Human Rights and the Perpetuated Marginalization of Children in Transnational Justice” Georgetown Journal of International Law, 49

Slone M. & Mann, S. (2016). “Effects of War, Terrorism and Armed Conflict on Young Children: A Systematic Review” Child Psychiatry Human Development, 47(6), 950-965.

Trabucchi, E. (2008). “Rape Warfare and International Humanitarian Law” Human Architecture: Journal of the Sociology of Self Knowledge, 6(4), 39-48.

Weston, B. H. (2016). “Human Rights Index #47: Children in Armed Conflict” The Iowa Review, 49(2).

Wessells, M. (2017). “Children and Armed Conflict: Interventions for Supporting War-Affected Children” Peace and Conflict: Journal of Peace Psychology, 23(1), 4-13.