Der aktuelle Kampf der Migrantenkinder in Spanien

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2024 steht Spanien weiterhin vor signifikanten Herausforderungen im Hinblick auf den Zustrom an begleiteten und unbegleiteten Migrantenkindern, die in das Land einreisen und Asyl, Zuflucht oder bessere Lebensbedingungen suchen. Als eines der Haupteinreiseländer nach Europa ist Spanien durch seine geografische Lage ein wichtiges Transitland für Migranten. Zu den am stärksten gefährdeten Personen dieser Migrationsströme gehören Kinder, die oft schweren Risiken ausgesetzt sind, darunter Ausbeutung, Menschenhandel und der Verlust der Grundrechte.

Der allgemeine Kontext der Migration nach Spanien

Spanien, am südwestlichen Rand Europas gelegen, ist zu einem Einfallstor für Migranten, insbesondere aus Nord- und Westafrika geworden, die vor Krieg, Armut und Instabilität fliehen. Viele Migranten versuchen, das Mittelmeer zu überqueren oder über die Kanarischen Inseln einzureisen, während andere auf dem Landweg über die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla, in Nordafrika gelegen, ankommen (Statista Research Department, 2024). Die Zahl der Migranten, die unvorschriftsmäßig nach Spanien einreisen, schwankte in den letzten Jahren, die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen stieg jedoch bemerkenswert an.

Diese Kinder haben in der Regel lange und gefährliche Reisen hinter sich und kommen oft nachdem sie extreme Entbehrungen ertragen mussten, auf spanischem Boden an. Darunter fallen lebensgefährliche Seereisen, lange Wanderungen durch die Wüste und in einigen Fällen werden sie Opfer von Schmugglern oder Menschenhändlern (Statista Research Department, 2024).

Sobald sie spanischen Boden erreichen, stehen diese Kinder vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die von unzureichendem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung bis hin zu Schwierigkeiten, sich in den komplexen Asyl- und Kinderschutzsystemen Spaniens zurechtzufinden, reichen (PBS News, 2024).

Steigende Zahlen und das am stärksten betroffene Gebiet

Von Januar bis August 2024 kamen 31.155 irreguläre Migranten in Spanien an, 66,2 % mehr als im gleichen Zeitraum 2023 (Spanish Interior Ministry, 2024). Obwohl  die genaue Anzahl der Minderjährigen unter ihnen noch nicht feststeht, wird jedoch befürchtet, dass sie aufgrund der allgemeinen Zunahme die geschätzte Anzahl von 5.100 Minderjährigen, die 2023 als irreguläre Migranten nach Spanien einreisten, übersteigen wird, besonders wenn man bedenkt, dass in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 bereits 1500 Kinder ins Land kamen (ReliefWeb, 2024).

Bis Mitte August 2024 reisten mehr als 22.000 der genannten 31.155 irregulären Migranten auf die Kanarischen Inseln ein, was ein Anstieg von 126 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres ist (Spain in English, 2024). Die hohe Konzentration von Migranten, die auf den Kanarischen Inseln ankommen und mehr als 80 % der Gesamtzahl der Migranten in Spanien ausmachen, hat zu einem enormen Druck auf die lokalen Ressourcen und Dienste geführt, besonders wenn es um die Versorgung unbegleiteter Minderjähriger geht. 

Der erwähnte Anstieg überlastete die Aufnahmeeinrichtungen der Region, die für die Unterbringung von rund 2.000 Minderjährigen vorgesehen waren. Anfang August 2024 befanden sich fast 6.000 minderjährige Migranten auf den Kanarischen Inseln, wobei erwartet wird, dass diese Zahl ansteigen wird. (InfoMigrants, 2024).

Herausforderungen bei der Versorgung und Unterstützung von Migrantenkindern 

Viele minderjährige irreguläre Migranten sind unbegleitet und müssen von den lokalen Behörden systematisch versorgt werden. Da die lokalen Unterbringungs- und Versorgungskapazitäten jedoch größtenteils überschritten wurden, können diese Kinder nicht den Schutz und alle Rechte wahrnehmen, auf die sie Anspruch haben.

In den betroffenen Regionen mangelt es nicht nur an Platz, sondern auch an Fachkräften, die für die Arbeit mit den jungen Migranten ausgebildet sind. Eine besondere Herausforderung ist es, Fachkräfte zu finden, die bereit sind, auf den Inseln zu arbeiten, die ungefähr 1.300 Kilometer (800 Meilen) vom spanischen Festland entfernt sind (Africanews, 2024). Somit erhalten die Kinder und Jugendlichen, die die Inseln nach einer Reise erreichen, die Tausende das Leben gekostet hat, nicht den Schutz, auf den sie nach spanischem und europäischem Recht Anspruch haben, einschließlich ihres Grundrechts auf Gesundheitsversorgung.

Lebensbedingungen und psychische Folgen

Viele von ihnen leben in unhygienischen Einrichtungen in überfüllten Zentren, die ihre Gesundheit unmittelbar gefährden. Auf der Insel Lanzarote stellten die Behörden provisorische Zelte auf, um die Neuankömmlinge unterzubringen, was weit von dem angemessenen Lebensstandard entfernt ist, auf den die Kinder Anspruch haben. Es wurden auch Fälle von Missbrauch und Misshandlung gemeldet. Vertreter der lokalen Behörden nannten die Situation auf den Kanarischen Inseln eine echte humanitäre Katastrophe (Africanews, 2024).

Aufgrund schwerer Traumata und der häufigen Trennung oder des Todes von Bezugspersonen  und Geschwistern benötigen diese Kinder psychologische Unterstützung und intensive Betreuung. Doch sobald sie scheinbar in Sicherheit sind, finden sie sich im Chaos vieler anderer weinender Kinder, unhygienischer Bedingungen und überlasteter Fachkräfte wieder.

Das Beispiel eines Jungen aus dem Senegal, der dauernd ohnmächtig wurde, nachdem er Zeuge davon wurde, wie seine Eltern auf tragische Weise starben, als sie versuchten, mit einem Boot die Kanarischen Inseln zu erreichen und ihre Körper vor den Augen des Jungen über Bord geworfen wurden, zeichnet ein klares Bild des Leids und der Traumata, die diese Kinder erleben, sowie der Situationen, mit denen die Menschen, die mit ihnen arbeiten, umgehen müssen (PBSNews, 2024).

EU-Rechtsschutz für irreguläre minderjährige Migranten

Die ernste Situation in der Region kann nicht nur als nationales Problem betrachtet werden. In der Europäischen Union (EU) wird irregulären minderjährigen Kinder oder solchen ohne legalen Aufenthaltsstatus Schutz geboten durch mehrere wichtige Rechtsinstrumente, darunter die Charta der Grundrechte der EU, das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) sowie die nationalen Kinderschutzgesetze der einzelnen Länder (Official Journal of the European Communities, 2000).

In diesen Verordnungen wird betont, dass die Rechte des Kindes, einschließlich des Zugangs zu Bildung, Gesundheitsversorgung und angemessenen Lebensbedingungen, unabhängig vom Einwanderungsstatus gewahrt werden müssen, und dass die EU als Ganzes daran arbeiten muss, umfassende Möglichkeiten zu finden, um sicherzustellen, dass die Situation vor Ort dem bestehenden Rechtsrahmen entspricht.

Spanische Gesetzgebungsbemühungen und lokale Spannungen

Die regionale Regierung der Kanarischen Inseln, die mit dem Zustrom überfordert war, suchte nationale Unterstützung durch einen Gesetzentwurf, der die obligatorische Verteilung dieser Minderjährigen auf andere Regionen Spaniens vorsah.

Das bestehende freiwillige System war unzureichend, da die Inseln bereits die Verantwortung für über 6.000 der oben genannten unbegleiteten Minderjährigen übernommen hatten, was ihre Kapazitäten weit überstieg. Ziel des Gesetzentwurfs war es, eine gerechtere Verteilung der Verantwortlichkeiten in ganz Spanien sicherzustellen und die überfüllten Zentren auf den Kanarischen Inseln zu entlasten (InfoMigrants, 2024).

Trotz dieser Bemühungen wurde der Gesetzentwurf vom spanischen Kongress abgelehnt, so dass das spanische Festland nur verpflichtet ist, erwachsene irreguläre Migranten auf seinem Gebiet zu verteilen, während die Kanarischen Inseln einen Weg finden müssen, mit dem wachsenden Zustrom von Minderjährigen an ihren Küsten umzugehen. Die lokalen Behörden und Bürger sind mit der Situation nach wie vor unzufrieden, was zu wachsenden Spannungen zwischen der Bevölkerung und den jungen Migranten führt.

Ein anhaltendes Problem ist, dass unzufriedene Einheimische minderjährige Migranten beschuldigen, Verbrechen zu begehen, die sie oftmals nicht begangen haben. In einem Fall versuchten Einheimische sogar, in das Aufnahmezentrum für ausländische Minderjährige einzudringen, um Minderjährige, die sie eines Anschlags beschuldigten, zur Rede zu stellen (Morel, 2024). 

Akuter Bedarf an umfassenden Lösungen 

Die Situation in Spanien bleibt ernst, doch es wurden einige positive Schritte unternommen. Zum Beispiel stellte die EU den Kanarischen Inseln 2024 14 Millionen Euro zur Verfügung, um ihre Bemühungen, die Krise zu bewältigen, zu unterstützen (Pawlowski, 2024). Obwohl finanzielle Hilfe notwendig ist, müssen umfassendere Strategien für die Verwaltung der Migration umgesetzt werden.

Spanien könnte seine Einwanderungsgesetze ändern, um klarere und leichter zugängliche Kriterien für die Regelungen bereitzustellen und bürokratische Barrieren zu reduzieren, die Minderjährige oft lange Zeit in einer rechtlichen Grauzone verbleiben lassen. Darüber hinaus wäre auch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den autonomen Regionen Spaniens unerlässlich, da uneinheitliche regionale Praktiken und eine ungerechte Verteilung der Kinder innerhalb des Landes diese daran hindern, Zugang zu Rechten und Dienstleistungen zu erhalten, die allen Kindern unabhängig von ihrem Einwanderungsstatus zustehen.

Eine einheitliche, nationale Vorgehensweise durch einen gemeinsamen Rahmen oder stärkere Koordinierungsmechanismen verbunden mit rechtlicher, finanzieller und operativer Unterstützung durch die EU-Mitgliedstaaten könnte sicherstellen, dass alle Regionen gemeinsame Standards einhalten. Es ist auch wichtig, das Bewusstsein für die Situation in Spanien und für die Dringlichkeit von Maßnahmen in der Region zu schärfen, da dies helfen kann, die internationalen Behörden zu einer effektiven Arbeit zur Lösung der Situation zu bewegen.

Bei Humanium setzen wir uns für das Wohl von Kindern auf der ganzen Welt ein, einschließlich der Kinder, die sich in den gefährlichen Wellen der Migration befinden. Sie können zu unserem Anliegen beitragen, indem Sie spenden, sich ehrenamtlich engagieren oder eine Patenschaft für ein Kind übernehmen. Ihre Unterstützung hilft uns, gefährdeten Kindern die Chance auf Bildung, Gesundheitsversorgung und eine bessere Zukunft zu geben.

Geschrieben von Zeljka Mazinjanin

Übersetzt von Kathrin Lukas

Korrektur gelesen von Beate Dessewffy

Quellenverzeichnis:

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