Die ausbeuterischen Praktiken der guatemaltekischen Adoptionsindustrie

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Seit 1996 erleichtert Guatemala internationale Adoptionen, was zu unethischen Praktiken von Babyvermittlungsagenturen geführt hat, die indigene Mütter dazu verleiten, ihre Kinder wegzugeben. Glücklicherweise hat das Land 2008 auf den Aufschrei der Öffentlichkeit reagiert und diese fragwürdigen internationalen Adoptionspraktiken verboten. Dennoch müssen viele guatemaltekische Adoptivkinder, die inzwischen als Erwachsene im Ausland aufgewachsen sind, erschütternde Erfahrungen machen.

Die Realität der Adoption in Guatemala

Guatemala ist das bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas und hat mit erheblichen sozioökonomischen Problemen zu kämpfen, denn etwa 75 % der 14,6 Millionen Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Vor diesem Hintergrund begann das Land 1996 mit internationalen Adoptionen – ein entscheidender Moment nach dem Ende des 36-jährigen Bürgerkriegs (Marker Content, o. D.).

Im Laufe der Zeit entwickelte sich das guatemaltekische Adoptionssystem zu einem kommerziellen Geschäft, was zu einem erheblichen Anstieg der Adoptionskosten von 3.500 auf 45.000 Dollar pro Kind führte. Mit dieser steigenden finanziellen Belastung ist es missglückt, potenzielle Adoptiveltern abzuschrecken, und es wurde außerdem ein Umfeld geschaffen, das unethischen Praktiken von Adoptionsvermittlern Vorschub leistet (Nolan, 2024).

Obwohl in Guatemala sowohl die nationalen als auch die internationalen Gesetze die Zustimmung der leiblichen Mütter für Adoptionen vorschreiben, gab es Fälle, in denen Frauen gezwungen wurden, ihre Babys abzugeben oder unverständliche Dokumente zu unterschreiben. 

Darüber hinaus wurden schwangere Frauen kontaktiert und mit Entschädigungen geködert, was gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstieß (Nolan R, 2024).

Von privatisierter Adoption zu Kindermigration

Zwischen 1977 und 2007 war Guatemala das einzige Land, das eine rein privatisierte Adoption zuließ. Dieser einzigartige Umstand erleichterte die Zusammenarbeit zwischen Anwälten und „Baby-Vermittlern“. Zwischen 1999 und 2007 wurden rund 30.000 Kinder, überwiegend aus indigenen Familien, adoptiert und in die Vereinigten Staaten vermittelt (Washington, o.J.).

Die anhaltende Gewalt im Land führte nicht nur zu einem Anstieg der unethischen Adoptionen, sondern auch zu einer anhaltenden Auswanderungswelle aus dem Land. Im Jahr 2022 überquerten mehr als 60.000 Kinder aus Guatemala ohne ihre Eltern die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Während einige dieser Kinder bei Verwandten in den USA landen, werden andere bei nicht verwandten Paten untergebracht (Washington, o. D.)

Der lange Weg zur Wiedervereinigung

Im Jahr 2008 wurden internationale Adoptionen in Guatemala nach einem öffentlichen Aufschrei verboten. Ein großer Teil der guatemaltekischen Adoptivkinder, die inzwischen als Erwachsene in den Vereinigten Staaten und Europa aufgewachsen sind, musste jedoch eine erschütternde Realität erfahren. Als Reaktion darauf machen einige Adoptierte über die Medien auf ihre Erfahrungen aufmerksam und hoffen auf eine Wiedervereinigung mit ihren biologischen Familien (Acevedo, 2019).

In den meisten Fällen suchen die adoptierten Kinder nach Antworten über ihre Herkunft und sehnen sich danach, mit ihren leiblichen Müttern in Kontakt zu treten. Sie wenden sich an gemeinnützige Organisationen, die die Geschichten der missachteten Kinder Guatemalas aufdecken wollen, in der Hoffnung, etwas über ihre Wurzeln zu erfahren und sie mit ihren leiblichen Müttern zusammenzuführen (Rolz & Rodriguez., 2023).

Trotz der Bemühungen der Organisationen ist der Prozess der Familienzusammenführung langsam und mühsam. Inmitten dieser Herausforderungen gibt es jedoch einen Hoffnungsschimmer – eine wachsende Zahl erwachsener Adoptierter entscheidet sich für die Rückkehr nach Guatemala. Dieser Trend stellt einen potenziellen Weg dar, um die Verbindung zu den leiblichen Familien wiederherzustellen und verlorene Identitäten zurückzuerlangen (Currier, 2024).

Die Rolle der Adoptiveltern und der Gemeinschaft

Die beunruhigenden Ereignisse in Guatemala, Südkorea und Peru führten 1993 zur Erarbeitung des Internationalen Haager Adoptionsübereinkommens. Dieses Übereinkommen soll Familien vor den Risiken schützen, die mit illegalen Adoptionen im Ausland verbunden sind. Durch die Tätigkeit der nationalen Zentralbehörden werden die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention gewahrt und sichergestellt, dass bei internationalen Adoptionen die Grundrechte des Kindes Vorrang haben (Haager Konferenz, o.J.).

Internationale Adoptionen, insbesondere in Ländern wie den USA, in denen eine große Anzahl von Kindern aus Entwicklungsländern adoptiert wird, halten sich streng an internationale Gesetze wie das Haager Übereinkommen. Wenn sie jedoch das Erwachsenenalter erreicht haben, kämpfen die Adoptivkinder oft mit dem Gefühl, nicht zu dem Land zu gehören, in dem sie aufgewachsen sind, insbesondere wenn es sich um eine Adoption zwischen verschiedenen Ethnien handelt (Justia, 2023). 

Deshalb spielen die Adoptiveltern eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Verbindungen zwischen dem Adoptivkind und der Kultur seiner Herkunft. Um adoptierte Erwachsene wirklich zu unterstützen, kann der Aufbau stabiler Unterstützungsnetzwerke, bestehend aus anderen adoptierten Personen und sachkundigen Fachleuten, eine angemessene Bestätigung und Anleitung bieten (Sanchez-Sandoval, 2017).

Humanium setzt sich für den Schutz der Kinderrechte ein. Dazu gehört auch der entschiedene Widerstand gegen illegale Adoptionen in Guatemala. Im Rahmen unserer Partnerschaft mit La Alianza haben wir ein Projekt zur aktiven Bekämpfung dieses Problems ins Leben gerufen. Gemeinsam konnten wir jugendlichen Müttern und ihren Babys, die von Menschenhandel und sexueller Gewalt betroffen waren, lebenswichtige Unterstützung zukommen lassen.

Dein Engagement ist von Bedeutung. Engagiere dich ehrenamtlich, werde Mitglied oder mache eine Spende, wenn dir unsere Mission am Herzen liegt.

Verfasst von Lidija Misic

Übersetzt von Katharina Wilhelm

Korrektur gelesen von Jana Ruf

Literaturverzeichnis:

Acevedo Nicole (2019), A painful truth: Guatemalan adoptees learn they were fraudulently given away. Retrieved from NBC News at https://www.nbcnews.com/news/latino/painful-truth-guatemalan-adoptees-learn-they-were-fraudulently-given-away-n1095066, accessed on April 28, 2024.

Currier Cora (2024), Searching for Guatemala’s Stolen Children. Retrieved from The New Republic at https://newrepublic.com/article/177843/searching-guatemalas-stolen-children-rachel-nolan-review, accessed on April 28, 2024.

Hague Conference on Private International Law (n.d.), Convention of 29 May 1993 on Protection of Children and Co-operation in Respect of Intercountry Adoption. Retrieved from HCCH at https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/full-text/?cid=69, accessed on April 18, 2024.

Justia (2023), International Adoptions & Legal Issues. Retrieved from Justia at https://www.justia.com/family/adoptions/types-of-adoption/international-adoptions/, accessed on April 18, 2024.

Market Content (n.d.), Guatemalan Adoption Retrieved from Market Content at https://www.markercontent.com/articles/lifestyle/guatemalan-adoption-253283, accessed on April 18, 2024.

Nolan Rachel (2024), Guatemala’s baby brokers: how thousands of children were stolen for adoption. Retrieved from The Guardian at https://www.theguardian.com/news/2024/jan/04/guatemalas-baby-brokers-how-tens-of-thousands-of-children-were-stolen-for-adoption, accessed on April 18, 2024.

Rolz Isabella & Rodriguez Jorge (2023), Guatemala’s Forgotten Voices. Retrieved from Think Global Heath at https://www.thinkglobalhealth.org/article/guatemalas-forgotten-voices, accessed on April 18, 2024.

Sanchez-Sandoval Yolanda (2017), Mental health and psychological adjustment in adults who were adopted during their childhood: A systematic review. Retrieved from ScienceDirect at https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0190740917300099, accessed on April 18, 2024.

Washington John (n.d.), Children for Sale–When Guatemalan adoption became big business. Retrieved from Harper’s Magazine at https://harpers.org/archive/2024/04/children-for-sale/, accessed on April 18, 2024.