Migrantenkinder in Italien erfahren aufgrund der etablierten Migrationspolitik des Landes systematische Diskriminierung und Ausgrenzung. Anstatt Schutz und Möglichkeiten zu bieten, isolieren italienische Gesetze und Praktiken junge Migranten zunehmend von der Gesellschaft und nehmen ihnen die Rechte auf Bildung, Gesundheitsversorgung und Sicherheit – Rechte, die unter internationalem Recht garantiert sind. Das sich verschlechternde politische Klima und gezielte Gesetzesänderungen marginalisieren weiterhin eine der vulnerabelsten Gruppen des Landes.
Migration nach Italien in Zahlen
2022 wurde verzeichnet, dass sich 138.420 Nicht-EU-Bürger „illegal“ in Italien aufhielten, während 2021 92.070 Fälle registriert wurden. Schätzungen der tatsächlichen Zahl irregulärer Migranten in Italien übersteigen jedoch 500.000 (ECRI, 2024). Allein in den ersten Monaten 2024 erreichten rund 55.000 Menschen, darunter mehr als 6.350 unbegleitete Kinder, Italien über das Meer. Noch besorgniserregender ist, dass Statistiken einen signifikanten Anstieg der Nutzung anderer Einreiserouten nach Italien belegen (Human Rights Watch, 2025).
Italienische Gesetze gefährden die Rechte von Migranten
Italien wird von einer rechtsradikalen nationalistischen Partei regiert, welche „offshore processing“ von Asylanträgen eingeführt hat, repressive Migrationskontrollen an Länder mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz auslagert und humanitäre Rettungsaktionen auf dem Meer verhindert. Dies geschah mindestens 25-mal im Zeitraum zwischen Februar 2023 und September 2024 (Human Rights Watch, 2025).
Die Behörden sind ermächtigt, Geldstrafen zu verhängen und NGO-Flugzeuge zurückzuhalten, die versuchen, Migranten auf dem Meer zu helfen (Human Rights Watch, 2025). Diese Massnahmen verstoßen gegen Italiens internationale Verpflichtungen unter der Kinderrechtskonvention, die das Land 1991 ratifiziert hat.
Italien hat kürzlich Gesetze verabschiedet, die den Schutz von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen direkt betreffen. Dadurch sind sie zunehmend fragiler für Menschenrechtsverletzungen, insbesondere bei Verletzungen ihres Rechts auf Leben und Sicherheit. Zu den betroffenen Gesetzen gehören das Gesetz 132/2018 vom 1. Dezember 2018 über Einwanderung und Sicherheit und das Gesetz 50/2023 vom 6. Mai 2023, gemeinhin als „Cutro-Gesetz“ bezeichnet, benannt nach der kalabrischen Stadt, in der ein tragischer Schiffbruch 2023 Anlass für die Ausarbeitung des Gesetzes war (Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 2023).
Zu den unmittelbaren Folgen des Gesetzes gehören grössere Schwierigkeiten für Migranten und Asylsuchende beim Zugang zu Verfahren zur Feststellung des Flüchtlingsstatus und zum internationalen Schutz. Es führt ausserdem zu prekären Lebensbedingungen in Aufnahmezentren für Migranten und einer weiteren Einschränkung der Verfügbarkeit psychologischer und rechtlicher Dienste (Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 2023).
Zusätzlich werden die 2023 eingeführten beschleunigten Grenzverfahren zur Bearbeitung von Asylanträgen von Personen aus von Italien als „sicher“ eingestuften Ländern weiterhin rechtlich herausgefordert (Amnesty International, 2024). Zu diesen Herausforderungen kommt noch hinzu, dass das Zampa-Gesetz im März 2027 in Kraft tritt, aber erst noch vollständig implementiert werden muss.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes soll unbegleiteten Migrantenkindern geholfen werden, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Rechtsbeistand zu bekommen. Italien hat jedoch bisher nicht genügend Mittel und Kapazitäten, um diese Dienste bereitzustellen (Forced Migration Review, 2025).
Diskriminierung und systemischer Rassismus gegenüber Migrantenkindern
In Italien sind seit Jahren rassistische Diskurse, Stigmatisierung und negative Stereotypen gegenüber Migranten weit verbreitet. Das Vorherrschen von Gewalt gegen Individuen ethnischer Minderheiten, die in diesem Zusammenhang gemeldet werden, betreffen Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen afrikanischer Abstammung. Allein 2022 wurden den Behörden 47 Fälle derartiger gewalttätiger Übergriffe gemeldet, wovon die meisten körperliche Angriffe auf Migranten betreffen, die teilweise zu schweren Verletzungen führten (United Nations High Commissioner for Human Rights, 2019; ECRI, 2024).
Der UN Independent Expert Mechanism to Advance Racial Justice and Equality in Law Enforcement hat neben anderen Anzeichen für systemischen Rassismus Bedenken hinsichtlich Racial Profiling durch die Polizei, der unverhältnismässigen Inhaftierung von Afrikanern und Menschen afrikanischer Abstammung und des Mangels an umfassenden rassenbezogenen Daten geäussert (Human Rights Watch, 2025).
Innerhalb von Italien erzeugt der Ausschluss von Migranten aus der Gesellschaft tiefe soziale Spannungen und ein spürbares Gefühl der Unsicherheit. Die anhaltenden Herausforderungen, mit denen ethnisch-religiöse Gruppen, insbesondere Muslime, aufgrund von institutionellem Rassismus und gesellschaftlichen Einstellungen konfrontiert sind, geben weiterhin Anlass zur Sorge (Committee on the Elimination of Racial Discrimination examines the report of Italy, 2016; UNHCR, 2018).
Darüber hinaus gibt der tief verwurzelte Rassismus gegenüber Afroitalienern in der Gesellschaft großen Anlass zur Sorge, da er auf eine Zurückhaltung diese Gruppe voll zu akzeptieren hindeutet (Committee on the Elimination of Racial Discrimination examines the report of Italy, 2016; UNHCR, 2018).
Berichte internationaler Organisationen haben Italien wiederholt für sein Versagen verurteilt, die rechtliche Ausgrenzung von Migranten anzusprechen. So wird ein System aufrechterhalten, das soziale Ungleichheiten verfestigt. Auch heute noch ist der Mangel an relevanten offiziellen Daten eine der grössten Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ausmasses der Diskriminierung von Migranten und der Auswirkungen von Antidiskriminierungsmassnahmen, denen Migranten ausgesetzt sind (ECRI, 2024; European Student Think Tank, 2025).
Bürokratische Hürden und Risiko von Ausgrenzung
Migrantenkinder in Italien erleben oft Verzögerungen bei der Beantragung von Aufenthaltsgenehmigungen oder Ausweisdokumenten – Verfahren, die für den Zugang zu grundlegenden Menschenrechten unerlässlich sind. Ohne diese Dokumente sind sie von öffentlichen und privaten Dienstleistungen ausgeschlossen. Dieser Mangel an Rechtsschutz kann den Zugang zu staatlichen Leistungen blockieren, Einbürgerungsanträge verzögern oder verhindern und sogar die Registrierung eines legalen Wohnsitzes unmöglich machen (ECRI, 2024).

Das Wohnen ist ein weiterer Bereich, in dem Kinder gefährdet sind. Obwohl Empfänger von internationalem Schutzstatus und unbegleitete Minderjährige gesetzlich Zugang zum Aufnahme- und Integrationssystem haben sollten, wird aufgrund von Platzmangel nicht allen eine Unterkunft angeboten.
Selbst wenn ihnen ein Platz garantiert wird, dürfen Kinder in der Regel nur sechs Monate bleiben. Danach wird von ihnen erwartet, dass sie sich eine eigenständige Unterkunft suchen, was eine unrealistische Erwartung für viele junge Migranten ohne familiäre oder finanzielle Unterstützung ist (ECRI, 2024).
Eingeschränkter Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Schutz
In Italien ist allen Kindern unabhängig von ihrem Einwanderungsstatus Bildung gesetzlich garantiert. Migrantenkinder werden jedoch häufig in Klassen unter ihrem Fähigkeitsniveau eingeteilt hauptsächlich aufgrund von Sprachproblemen.
Diese Fehleinstufung führt zu Verzögerungen im schulischen Fortschritt und trägt zu höheren Schulabbrecherquoten im Vergleich zu italienischen Gleichaltrigen bei. Auch Mobbing wird unter Migrantenkindern häufiger berichtet, was ihre Entfremdung vom schulischen Umfeld weiter verstärkt (ECRI, 2024; Journal of Ethnic and Migration Studies, 2011).
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Asylsuchende und Schutzberechtigte ist zwar gesetzlich garantiert, in der Praxis passiert sie jedoch uneinheitlich. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ist mit bürokratischen Hürden verbunden und erfordert oft einen finanziellen Beitrag – obwohl theoretisch Ausnahmen für Menschen mit eingeschränkten Mitteln verfügbar sind.
In der Praxis haben viele Migranten aufgrund fehlender Informationen, Sprachbarrieren und eines Mangels an kulturellen Vermittlern Schwierigkeiten, von diesen Ausnahmen zu profitieren. Diese Lücken werden oft durch unzureichende Schulung und Sensibilisierung lokaler Beamter und Gesundheitsdienstleister verschärft (ECRI, 2024).
Migrantenkinder ohne regulären Aufenthaltsstatus sind besonders anfällig für Armut und Ausbeutung. Viele leben in inoffiziellen Siedlungen oder sind obdachlos. Die Angst vor Abschiebung hält sie und ihre Familien davon ab, Arbeitsmissbrauch zu melden, insbesondere in Bereichen wie der Landwirtschaft und der Hausarbeit, wo Ausbeutung oft vorkommt. Die gemeinsame Erfahrung wird von Migranten als „erniedrigende Lebensbedingungen und Obdachlosigkeit“ beschrieben (United Nations High Commissioner for Human Rights, 2019).
Mehr Unterstützung für Migrantenkinder in Italien
Einige positive Entwicklungen, wie die Einrichtung von Aufnahmezentren für unbegleitete Migrantenkinder, verdienen Anerkennung. Negative politische Aussagen erschweren jedoch weiterhin die Bemühungen Migranten zu integrieren, während die Arbeit von NGOs, die entscheidende Unterstützung leisten, weiterhin unter Druck stehen (United Nations, 2023; ECRI, 2024).
Um die Bedingungen für Migrantenkinder zu verbessern, sind praktische Massnahmen erforderlich. Insbesondere muss Italien konkrete Schritte unternehmen, um die Unterstützung in Schlüsselbereichen zu stärken. Im Bildungsbereich wäre dies z. B. die Sicherstellung von genug Schulplätzen in der Nähe von Aufnahmezentren und Migrantengemeinschaften, zuverlässigen Transportmöglichkeiten zur Schule und zurück und angemessener Sprachförderung (ECRI, 2024).
Darüber hinaus sind institutionelle Reformen notwendig. Die Einrichtung einer unabhängigen Gleichstellungsbehörde und die Stärkung des Nationalen Büros gegen Rassendiskriminierung würden dazu beitragen, die Bemühungen zur Verringerung von Ungleichheit zu koordinieren. Ein nationaler Handlungsplan gegen Rassismus, unterstützt durch Sensibilisierungskampagnen, könnte zu einer inklusiveren Politik und Einstellungen beitragen (ECRI, 2024).
Derzeit fehlen in Italien detaillierte Daten zu den sozioökonomischen Bedingungen nach ethnischer Herkunft. Diese Lücke behindert die Entwicklung effektiver Antidiskriminierungsmassnahmen. Die Befolgung internationaler Empfehlungen, beispielsweise des Ausschusses für die Rechte des Kindes, ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Rechte von Migrantenkindern voll respektiert und geschützt werden (Committee on the Rights of the Child, 2017; Committee on the Elimination of Racial Discrimination, 2023).

Humanium als Kinderrechtsorganisation, die weltweit zahlreiche Projekte durchführt, setzt sich weiterhin für die Rechte von Kindern auf Bildung, Gesundheit und Schutz ein. Wenn Sie die konkreten Anliegen von Humanium zur Verbesserung des Lebens von Kindern unterstützen möchten, können Sie spenden, sich ehrenamtlich engagieren oder Mitglied werden.
Geschrieben von Moïra Phuöng Van de Poël
Übersetzt von Kathrin Lukas
Korrektur gelesen von Helga Burgat
Quellen:
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Committee on the Elimination of Racial Discrimination examines the report of Italy (2016, December 2). Italy reviewed. Retrieved from Committee on the Elimination of Racial Discrimination examines the report of Italy at https://www.ohchr.org/en/press-releases/2016/12/committee-elimination-racial-discrimination-examines-report-italy, accessed in May 2025.
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