Rekrutierung von Minderjährigen im Fußball: die Regelung für junge Spieler

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Die rasche Kommerzialisierung des Fußballs und sein Wachstum zu einem lukrativen Finanzmarkt treiben hochrangige Akteure des Sports zur Ausbeutung von Kindern aus Profitgründen. Die Anreize liegen auf der Hand: Allein der europäische Fußballmarkt ist schwindelerregende 25 Milliarden Pfund wert, und sein wichtigstesKapital sind junge Sportler in gefährdeten Positionen (Deloitte, 2019).

In den letzten Jahren gab es eine wachsende Zahl von Untersuchungen über die weit verbreitete illegale Praxis der Anwerbung von Minderjährigen unter Missachtung der Branchenvorschriften. Ohne die strikte Einhaltung dieser Bestimmungen und angesichts von Schlupflöchern in den Rahmenregelungen selbst werden Kinder unter 18 Jahren jedoch an Verhandlungstische gedrängt, an denen sie kaum Verhandlungsmacht oder Kompetenz haben.

Rekrutierung von Minderjährigen im Profifußball

Die informelle Anwerbung von Minderjährigen für Profifußballmannschaften ist ein altbekanntes Problem in diesem Sport. Lionel Messi, eines der Aushängeschilder des Fußballs, ist dafür bekannt, dass er im Alter von 13 Jahren seinen ersten „Vertrag“ auf einer Serviette unterzeichnete, mit dem er sich informell für eine Karriere beim FC Barcelona verpflichtete (Bona, 2021). Auch wenn dies angeblich nicht bindend ist, ist der Akt der Teilnahme eines Minderjährigen an einer vertragsähnlichen Vereinbarung ein deutlicher Hinweis auf die dunkle Seite des Sports.

Mit enormen finanziellen Anreizen – Spieler wie Cristiano Ronaldo von Manchester United bringen allein durch Trikotverkäufe Hunderte von Millionen Pfund ein – konkurrieren Fußballvereine aggressiv um die Anwerbung junger Talente. Dies birgt ernste Gefahren für Minderjährige, die von Kinderarbeit, Zwangsmigration und anderen ausbeuterischen Praktiken bedroht sind (Rigg, 2018). Der Wettlauf um aufstrebende Talente hat viele Vereine dazu gebracht, internationale und nationale Regeln zu umgehen, um finanzielle Vorteile zu erzielen (Riggs, 2018).

In den letzten Jahren gab es eine Welle von Ermittlungen gegen die Praktiken großer europäischer Fußballvereine, denen vorgeworfen wird, die Anwerbung von Minderjährigen zu institutionalisieren. Gegen den Manchester City Football Club wird derzeit ermittelt, weil er illegale Zahlungen an Minderjährige unter dem Vorwand überhöhter Sponsorenverträge und verdeckter Gehaltszahlungen an Manager und andere Akteure, die junge Spieler unterstützen, verschleiert hat (Roan, 2022).

In ähnlicher Weise wurde dem FC Barcelona im Jahr 2014 der Handel mit Spielern untersagt, nachdem festgestellt worden war, dass er zehn ausländische Spieler unter 18 Jahren unter Vertrag genommen hatte, was einen Verstoß gegen die Regeln des Sportverbands darstellt (Marin, 2014). Die spanischen Nachbarvereine Real Madrid und Atletico Madrid wurden mit ähnlichen Verboten belegt (Hytner, 2019).

Als Reaktion auf die strengere Überwachung scheinen die Fußballvereine die Grenzen der bestehenden Bestimmungen zu überschreiten, indem sie Schlupflöcher in der Kinderschutzarchitektur ausfindig machen. Der Chelsea Football Club, gegen den seit langem eine Untersuchung der Abläufe in seiner Spielerakademie läuft, hat behauptet, dass die bestehenden Vorschriften zwar verhindern, dass ausländische Spieler unter 18 Jahren zu einheimischen Vereinen geholt werden, nicht aber, dass Minderjährige an Probetrainings teilnehmen können (Hytner, 2019). Ebenso wurde dem Verein vorgeworfen, die Ausbildungskosten von Kindern als Vorauszahlung für künftige Vertragsleistungen zu finanzieren (Hytner, 2019).

Diese und andere Taktiken, wie zum Beispiel der Einsatz von Kindern in vermeintlich „wettbewerbsfreien“ Spielen, müssen vom Dachverband des Sports, der Fédération Internationale de Football Association (FIFA), viel strenger überwacht werden.

Kinderrechte und das Kindeswohl

Die Praxis der Rekrutierung von Minderjährigen setzt Kinder einer Vielzahl von Menschenrechtsrisiken und einem Umfeld aus, das möglicherweise nicht ihrem besten Interesse entspricht. Im Jahr 2014 bekräftigte die FIFA-Disziplinarkommission, dass internationale Transfers selten dem Kindeswohl dienen, da sie ein Kind in einem Alter, in dem es sich noch entwickelt, aus seiner häuslichen Umgebung entfernen (Rowlands, 2014).

Der internationale Transfer von Kindern birgt weitere Risiken. Ohne gültige rechtliche Gründe für ihre Migration können Kinder illegal in Länder gebracht werden, wodurch sie außerhalb der Grenzen des Rechtssystems eines Landes bleiben und von institutionellem Schutz ausgeschlossen werden (Rigg, 2018).

Das Transferieren birgt auch schwerwiegende Reputationsrisiken und Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes, da junge Athleten in Positionen gedrängt werden, die eine hohe Sichtbarkeit, Erwartungen und Druck mit sich bringen. Ohne eine voll entwickelte Handlungsfähigkeit können diese Kinder in Sanktionen, öffentliche Kritik und Bestrafungen für Vereinbarungen verwickelt werden, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen (Rigg, 2022).

Auch aus wirtschaftlicher Perspektive werden Kinder durch die Anwerbung benachteiligt und dem Risiko der finanziellen Ausbeutung ausgesetzt. Da Kinder nicht rechtlich als Nutznießer ihrer Dienste unter Vertrag genommen werden können, erhalten andere Erziehungsberechtigte und Helfer (Eltern, Manager oder Agenten) wahrscheinlich eine finanzielle Vergütung, um sich die Dienste eines Kindes zu sichern.

Es gibt keine Garantie dafür, dass diese Zahlungen jemals das Kind erreichen, und es gibt auch keine Möglichkeit, die Rechte der Kinder auf Leistungen durchzusetzen, da ihr Vertragsverhältnis selbst rechtswidrig ist. Wenn gegen Vereine Sanktionen verhängt werden und ihnen der Umgang mit Minderjährigen untersagt wird, können Kinder durch die Maschen fallen und haben kaum Möglichkeiten, sich zu wehren oder eine Entschädigung zu erhalten.

Zusätzlich zu den institutionellen Herausforderungen stellt der Profisport an sich schon ein hohes Maß an Intensität dar das ein Risiko für Kinder und die Verwirklichung ihres Rechts auf freie und volle Entfaltung darstellt (Artikel 27,KRK). Organisiertes intensives Training setzt Minderjährige körperlich und geistig so stark unter Druck, dass sie möglicherweise nicht in der Lage sind, dem standzuhalten (Farstad, 2007).

Der internationale Rechtsrahmen

In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNKRK) ist ein breites Spektrum von Menschenrechten für alle Kinder verankert. Im Bereich des Sports sind einige dieser Rechte besonders wichtig. Die Artikel 9 und 10 garantieren das Recht des Kindes auf ein Familienleben, einschließlich des Schutzes vor einer Trennung von der Familie, wenn dies nicht dem „Wohl des Kindes“ entspricht (Artikel 9, UNKRK).

Artikel 32 schützt Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung und bekräftigt insbesondere die Notwendigkeit, ein angemessenes Mindestalter und entsprechende Arbeitsbedingungen für Minderjährige festzulegen und angemessene Sanktionen für Einrichtungen vorzusehen, die sich nicht daran halten (Artikel 32, UNKRK). Der Verkauf von Kindern und der Kinderhandel werden in Artikel 35 (Artikel 35, UNKRK) ebenfalls verboten.

Leider haben sich weder die UNKRK noch der Ausschuss für die Rechte des Kindes ausdrücklich mit der Notwendigkeit eines Mindestalters im Sport befasst (Farstad, 2007). Es gibt daher weder ein gesetzliches Mindestalter für die Teilnahme am Profisport noch formale Leitlinien: So hat der Ausschuss beispielsweise in Fällen von Kinderheirat ein Mindestalter von 18 Jahren empfohlen, während er für den Bereich der Beschäftigung eine breitere Kategorie von 15 bis 18 Jahren vorgeschlagen hat, die vom internationalen Arbeitsrecht und dem Wohl des Kindes abhängt (Farstad, 2007).

In Ermangelung einer formellen Definition besteht die einzige Möglichkeit den Standpunkt des Ausschusses in dieser Frage zu interpretieren darin, die bestehenden Artikel zusammenzulesen, um zu ermitteln, was als „angemessen“ oder dem Wohl des Kindes entsprechend anzusehen ist. Dies ist bereits im Gange: Die EU-Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, die Richtlinie 94/33/EG (über Kinder bei der Arbeit) auf den Sport anzuwenden, um die Bestimmungen über Kinderarbeit im Sportkontext zu berücksichtigen (Farstad, 2007).

Die unvollkommene Antwort der FIFA

Die Maßnahmen der FIFA zum Schutz der Rechte von Minderjährigen im Fußball sind in dem Reglementbezüglich Status und Transfer von Spielern (RSTP) enthalten. Dieses Reglement wurde seit 2001 viermal überarbeitet und dient in erster Linie dazu, den Kinderhandel und den Missbrauch von Kindern durch Vereine, die junge Spieler transferieren, zu verhindern. Artikel 19 dieser Bestimmungen verbietet ausdrücklich den internationalen Transfer von Spielern unter 18 Jahren (Yilmaz, 2018).

Von dieser Regel gibt es jedoch vier Ausnahmen. So sind internationale Transfers von Kindern unter 18 Jahren erlaubt (Yilmaz, 2018):

1. Wenn die Familie des Kindes aus Gründen, die nichts mit Fußball zu tun haben, in das Zielland zieht.

2. In Europa können 16- bis 18-jährige Kinder transferiert werden, wenn die Vereine die höchsten nationalen Standards für Bildung und Kindeswohl garantieren.

3. Wenn die Familie des Kindes im Umkreis von 50 km von der Landesgrenze des Ziellandes lebt.

4. Wenn das Kind fünf Jahre vor der Überstellung im Zielland gelebt hat.

Oberflächlich betrachtet gewährleisten diese Bestimmungen, dass Kinder vor internationalen Transfers und nationaler Unterstützung geschützt werden, wenn diese Transfers bestimmte Ausnahmen erfüllen. Im Gegensatz zur UNKRK scheinen sie jedoch dem Kind die Entscheidungsgewalt über seine Entwicklung zu nehmen (Yilmaz, 2018). Dies steht im Gegensatz zu Artikel 12 der UNKRK, der Kindern das Recht einräumt, bei allen sie betreffenden Entscheidungen entsprechend ihrem Alter und ihrem Reifegrad gehört zu werden (Artikel 12, UNKRK).

Darüber hinaus ist das FIFA-Regelwerk darauf ausgelegt, Vereine bei Verstößen gegen seine Bestimmungen zu sanktionieren, sieht aber kein System zur Wiederherstellung der Rechte von Kindern vor, wenn diese bereits verletzt wurden. Die Kinder sind somit lediglich Gegenstand der FIFA-Bestimmungen, die sich an die Vereine und nicht an die Spieler richten.

Zukünftige Aussichten

Da Nichtregierungsorganisationen (NRO), der öffentliche Sektor und private Sportgremien daran arbeiten, die Rechte von Kindern zu regeln und zu schützen, müssen diese Institutionen alle Entscheidungen auf das Wohl des Kindes und internationale Rechtsstandards ausrichten. Es gibt eine Reihe von praktischen Maßnahmen, die ergriffen werden könnten:

  • Der Ausschuss für die Rechte des Kindes sollte formelle Empfehlungen oder Leitlinien für die Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention im Sportkontext vorlegen, so wie er es bei anderen Formen des Kindesmissbrauchs, z. B. der Kinderehe, getan hat.
  • Sanktionen, die bei Verstößen gegen die FIFA-Regeln verhängt werden, müssen dem Ausmaß des Vergehens angemessen sein. Finanzielle Sanktionen sind keine ausreichende Abschreckung oder Abhilfe für die Verletzung von Kinderrechten und die sich daraus ergebenden Folgen.
  • Es sollten Unterstützungsnetzwerke eingerichtet werden, die jungen Sportlern, die Opfer von Missbrauch im Fußball geworden sind, Abhilfe und Hilfe bieten.
  • Die FIFA als Standardsetzer des Fußballs sollte bei der Entwicklung von Leitfäden für die erwartete Praxis und von Richtlinien, die sich nicht nur auf internationale Transfers beziehen, eine führende Rolle spielen. Dies wird Unstimmigkeiten bei der Einhaltung der Kinderrechte im Fußball in allen Ländern, die diesen Sport betreiben, verhindern.

Humanium verurteilt den Missbrauch von jungen Sportlern aufs Schärfste und setzt sich für das Recht des Kindes auf Freizeit und Spiel ein. Wir arbeitendaran, eine Welt zu schaffen, in der Kinder ihre Rechte in vollem Umfang wahrnehmen können, indem wir das Bewusstsein für diese Probleme schärfen und mit lokalen NRO zusammenarbeiten, um eine Veränderung herbeizuführen. Wenn Sie zu unserer Sache beitragen möchten, können Sie spenden, ehrenamtlich mitarbeiten oder Mitglied werden.

Geschrieben von Vanessa Cezarita Cordeiro

Übersetzt von Mathilda Castel

Korrektur gelesen von Beate Dessewffy

Für weitere Informationen:

FIFA Protection of Minors: Guide to submitting a Minor Application

Child Protection in Sport Unit NSPCC – Standards for Safeguarding and Protecting Children in Sport

Premier League Youth Development Rules

Referenzen:

Bona, G. (2021, August 10). “When will Messi’s ’napkin contract‘ be displayed in the club’s museum?” Retrieved from SPORT, accessed 30 April 2022.

Deloite Press Release (2019, May 29). “European football market worth €28.4 billion (£25.1 bn) as Premier League clubs lead the way to record revenues.” Retrieved from Deloitte, accessed 30 April 2022.

Farstad, S. (n.d). “Protecting children’s rights in sport: The use of minimum age.” Retrieved from University of Nottingham, accessed 21 April 2022.

Hytner, D. (2019, January 28). “Chelsea investigated by FIFA over more than 100 young player cases.” Retrieved from The Guardian, accessed 21 April 2022.

Martin, R. (2014, April 6). “After scandal, Barcelona football club banned from trades.” Retrieved from NPR Radio Weekend Edition Sunday, accessed 21 April 2022.

Rigg, M., SRI. (2018, September 30). “Minors in football and recruitment strategies.” Retrieved from SRI, accessed 21 April 2022.

Roan, D. (2022, April 7). “Man City: Dar Spiegel alleges three-year Premier League investigation.” Retrieved from BBC Sport, accessed 21 April 2022.

Rowlands, N. (2014, April 2). “Barcelona confirm appeal against transfer ban for breaking FIFA rules about signing youngsters.” Retrieved from The Mirror, accessed 21 April 2022.

Yilmaz, S., Esson, J., & Darby, P. (2018, July 15). “Children’s rights and the regulations on the transfer of young players in football.” Retrieved from International Review for the Sociology of Sport, accessed 21 April 2022.