Schutz der LGBTQ+-Jugend in Vietnam

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Im Anschluss an den jüngsten Bericht von Human Rights Watch (HRW) „‚Mein Lehrer sagte, ich hätte eine Krankheit‘: Barrieren für das Recht auf Bildung für LGBT-Jugendliche in Vietnam“, fordert Humanium die vietnamesische Regierung auf, die Rechte von LGBTQ+-Kindern und -Erwachsenen zu schützen.

Das am 12. Februar 2020 veröffentlichte Dokument berichtet über die Bedingungen, die LGBTQ+-Jugendliche[1] in Vietnam in ihrem Umfeld ertragen müssen. Neben rechtlichen Fragen sind LGBTQ+-Jugendliche mit diskriminierenden kulturellen und sozialen Standards konfrontiert (Human Rights Watch, 2020).

Zu den in diesem Bericht beschriebenen Schlüsselthemen gehören: ungeschulte und schlecht geeignete Lehrer in Bezug auf LGBTQ+-Themen, die daraus resultierende gesteigerte Diskriminierung von LGBTQ+-Kindern, die Verbreitung von Mythen, die behaupten, dass gleichgeschlechtliche Zuneigung ein Kind „krank“ macht. Angesichts dieser Diskriminierung weist HRW darauf hin, dass die Regierung „Gesetze zur Verhinderung von Stigmatisierung, Diskriminierung und Mobbing ignoriert hat“ (Hodal, 2020). Stattdessen bringen Erziehungsbehörden dem Kind bei, dass Homosexualität eine Krankheit ist, die einer Behandlung bedarf.

Im Juni 2016 verabschiedete der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Resolution zum „Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“, basierend auf zwei früheren Resolutionen aus den Jahren 2011 und 2014 (Human Rights Watch, 2016). Dies setzte einen wichtigen Schritt in Bezug auf LGBTQ+-Rechte; es bestätigte die globale Unterstützung der UNO für die Gemeinschaft, bei gleichzeitiger Sensibilisierung für Diskriminierung und Bereitstellung von Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Gewalt.

Weltweit haben wir eine größere Akzeptanz der LGBTQ+-Jugendgemeinschaft und mehr Bemühungen zum Schutz der Mitglieder vor Diskriminierung mit Hilfe der UNO gesehen. Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention keine Artikel enthält, die die LGBTQ+-Jugend direkt betreffen, forderte 2016 Ana-Maria Bucataru Staaten auf, die Artikel der Konvention über die Kinderrechte zu verwenden, die sich auf „Bildung (Artikel 28), Gesundheit (Artikel 24), Identität (Artikel 8), Schutz vor Diskriminierung (Artikel 2), angemessenen Lebensstandard und schließlich die Rechte auf Leben, Überleben und Entwicklung (Artikel 6) zu schützen“ beziehen (Bucataru, 2016).

Nach dem Standard der UNO und der Weltgesundheitsorganisation (WHO – World Health Organisation) wird Homosexualität entkriminalisiert und nicht als Krankheit betrachtet. Daher wird heute anerkannt, dass LGBTQ+-Menschen die gleichen Rechte haben wie Menschen außerhalb der Gemeinschaft. Kindern werden dieselben Rechte gewährt.

Insbesondere in Vietnam sind diese Fragen ebenfalls relevant geworden. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP – United Nations Development Programme) weist auf einen besonderen Wendepunkt im Jahr 2012 hin, mit „Medienpräsenz, prominenten und positiven Ereignissen und Unterstützung durch die Öffentlichkeit und die Regierung“ (UNDP und USAID[2], 2014). Der erste Viet Pride fand 2012 statt, mit Unterstützung der UNO. In Bezug auf Medien erschienen von  Mai 2012 bis Juni 2013 über 40 Radioprogramme mit Themen zu Schwulen und Transgendern in den vietnamesischen Nachrichten. Information Connecting and Sharing (ICS) organisierte mit 30 Universitäten Talkshows über sexuelle Vielfalt und gründete gleichzeitig Clubs und kreative Jugendgruppen in Ho-Chi-Minh-Stadt und Ha Noi (UNDP und USAID, 2014).

Graeme Reid, Direktor für LGBTQ+-Rechte bei Human Rights Watch, hat diesen Wandel hin zur Akzeptanz der LGBTQ+-Gemeinschaft erkannt: „Vor allem dank einer dynamischen LGBTQ+-Rechtsbewegung der Zivilgesellschaft haben das soziale Bewusstsein und die Akzeptanz der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität in Vietnam in den letzten Jahren erheblich zugenommen“ (Hodal, 2020).  Es ist wahr: 2015 stimmte Vietnam für die Anerkennung von Transgender-Personen, so dass diejenigen, die sich einer Operation zur Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, ihr Geschlecht auf offiziellen Dokumenten legal ändern können, aber die zur Durchsetzung des Gesetzes erforderliche Gesetzesvorlage ist immer noch nicht verabschiedet (Hodal, 2020).

Tatsächlich hat es Rückschläge gegeben. Im Jahr 2012 sprach Justizminister Ha Hung positiv über Homosexuelle. Im selben Jahr zeigte der stellvertretende Gesundheitsminister Unterstützung für die Legalisierung von Ehen. Im Jahr 2013 handelte Vietnam in diesem Sinne, indem es gleichgeschlechtliche Hochzeitszeremonien entkriminalisierte und gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Zusammenleben gewährte. Im Juni 2014 verabschiedete die Nationalversammlung jedoch ein abgeändertes „Gesetz über Familie und Ehe“ ohne Klausel zum Verbot oder zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe. In der Praxis bedeutete dies, dass gleichgeschlechtliche Partner keine rechtliche Anerkennung erhalten und somit gegenüber heterosexuellen Partnern benachteiligt sind (UNDP und USAID, 2014).

Es gab noch andere Initiativen. Im Jahr 2016 stimmte Vietnam im UN-Menschenrechtsrat positiv für eine Resolution „zum Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“  (Human Rights Watch, 2020). Im Jahr 2019 arbeitete das Bildungsministerium zusammen mit den Organisationen der Vereinten Nationen an einem Lehrplan zur Sexualerziehung, der LGBTQ+-Belange einschließt, aber der Lehrplan wurde leider noch nicht realisiert (Human Rights Watch, 2020).

Tatsächlich waren ihre Bemühungen nicht ausreichend; der HRW-Bericht von 2020 bestätigt dies. Die Diskriminierung von LGBTQ+-Kindern und -Erwachsenen ist kein neues Phänomen. Dieses Verhalten spiegelt die Einstellung der Regierung in der Vergangenheit sowie die sozialen und kulturellen Standards in Bezug auf LGBTQ+-Belange wider, die sich in früheren Berichten gezeigt haben.

Im Jahr 2014 veröffentlichte UNDP in Zusammenarbeit mit USAID einen Bericht, der die Schulbedingungen für LGBTQ+-Jugendliche in Vietnam beschreibt. Aus ihren Recherchen erarbeiteten sie Empfehlungen für zivilgesellschaftliche Organisationen und die Regierung, in denen sie die Bedeutung der rechtlichen Anerkennung von LGBTQ+-Jugendlichen und die Zusammenarbeit mit den UNO-Organisationen hervorhoben. Sie waren an der Vernetzung von LGBTQ+-Organisationen interessiert und betonten die Bedeutung der Medien (Video, Internet und soziale Medien), um eine breitere Akzeptanz von LGBTQ+-Gemeinschaften zu erreichen (UNDP und USAID, 2014).

Ein Jahr später, 2015, erstellte Save the Children („Weltweit Kinder Retten“) einen Bericht, in dem sie die Bedingungen der LGBTQ+-Jugend diskutierten: „LGBT zu sein, ist in der vietnamesischen Kultur stark stigmatisiert“. Infolgedessen berichtete Save the Children über LGBTQ+-Jugendliche, die ihre Gemeinden und ihr Zuhause verlassen und auf der Straße leben, wo sie mit nachteiligen Herausforderungen für ihre Entwicklung und ihr Wachstum konfrontiert sind (Save the Children, 2015).

Der jüngste Bericht von HRW beschreibt die Diskriminierung, unter der die LGBTQ+-Jugendlichen täglich sowohl in der Schule als auch zu Hause leiden. Er basiert auf einer Umfrage unter neunundfünfzig LGBTQ-Jugendlichen, Eltern, Lehrern und anderem Schulpersonal. Das Hauptproblem ist falsche Information, wobei Kindern und Jugendlichen beigebracht wird, dass Homosexualität eine Krankheit ist, statt einer „natürlichen Variation der menschlichen Entwicklung“. Abgesehen von der Desinformation gibt es in Vietnam derzeit keine Institutionen oder Zentren, in denen sich LGBTQ+-Jugendliche über diese Themen informieren können. Sie werden daher im Dunkeln gelassen. In diesem Zusammenhang werden sie verbal und manchmal auch körperlich misshandelt, die ihre schulischen Erfahrungen und ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen. (Human Rights Watch, 2020)

In diesem Bericht beschreibt HRW die Hauptprobleme bezüglich der Bedingungen der LGBTQ+-Jugend in Vietnam. Die Probleme werden vor allem sichtbar in der Fehlinformation über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, in den durch die Lehrer verbreiteten falschen Informationen und am Mangel an Information von offiziellen Quellen oder durch die Fülle falscher Informationen wie z.B. zum  Verständnis von Homosexualität als psychischer Gesundheitszustand. Als Folge davon leiden Kinder unter verbaler Belästigung, körperlicher Misshandlung und erliegen dem Druck, sich heteronormativen gesellschaftlichen Normen anpassen zu müssen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Schulen auf diese Missbräuche nur unzureichend reagiert haben; HRW macht in seinem Bericht den Nutzen eines integrativen schulischen Umfelds deutlich. HRW weist auch auf die Verantwortung der Eltern und die Notwendigkeit hin, dass die Regierung die Menschenrechtsstandards respektiert, um das Recht auf Bildung und Gesundheitsdienste zu gewährleisten mit gleichzeitiger Verhinderung von Mobbing (Human Rights Watch, 2020).

Daher fordert HRW die Nationalversammlung auf, ihre Gesetze bezüglich LGBTQ+-Ehen und Diskriminierung im Bildungsbereich zu überprüfen. Darüber hinaus drängt HRW das Ministerium für Schulwesen und Ausbildung, seine Richtlinien zu überarbeiten und Schulungen für eine diskriminierungsfreie Bildung anzubieten, bei der die Lehrer über Geschlecht und Sexualität unterrichtet werden, wobei auch Kurse über LGBTQ-bezogene Themen enthalten sind. Darüber hinaus fordert HRW das Gesundheitsministerium nachdrücklich auf, die Standards der Weltgesundheitsorganisation bezüglich der Rechte von LGBTQ anzuerkennen. Schließlich empfiehlt HRW dem Außenministerium mit der vietnamesischen Regierung zusammenzuarbeiten, um einen unabhängigen UNO-Experten für Schutz vor Gewalt und Diskriminierung einzuladen (Human Rights Watch, 2020).

In diesem Bericht stellen wir fest, dass LGBTQ+-Diskriminierung sowohl auf der rechtlichen als auch auf der soziokulturellen Seite auftritt. Über die ungerechten Gesetze hinaus, widersetzt sich die vietnamesische Kultur auch gegen die Akzeptanz von LGBTQ+. Dennoch ist es notwendig, dass die Regierung den Schritt zum Schutz ihrer LGBTQ+-Mitglieder macht, indem sie ihre Gesetze überarbeitet und im Rahmen der UNO- und WHO-Standards arbeitet. Durch die Sensibilisierung für dieses Thema hofft Humanium die vietnamesische Regierung zum Handeln zu ermutigen.

Autor: Leah Benque

Übersetzer: Beate Dessewffy

Literaturverzeichnis

Bucataru, Ana-Maria. (2016), “Using the Convention on the Rights of the Child to Project the Rights of Transgender Children and Adolescents: the Context of Education and Transition,” QMHRR 3(1), 59-81.

Hodal, Kate. (2020, February 13), “Vietnam accused of teaching young people that being gay is a ‘disease’,” The Guardian.

Human Rights Watch. (2016, June 30), “UN Makes History on Sexual Orientation, Gender Identity,” HRW.

Human Rights Watch. (2020, February 12) “ ‘My Teacher said I had a disease’ Barriers to the Right to Education for Lgbtq+Youth in Vietnam,” HRW.

Human Rights Watch. (2020, February 12) “Vietnam: Lgbtq+Youth Unprotected – Myths about Sexual Orientation, Gender Identity Undermine Rights,” HRW.

Save the Children. (2015, July), “Being LGBT Young People in Vietnam: Life on the Streets and the Light through the Crack – A Summary of Research Findings,” Save the Children.

UNDP, USAID. (2014), “Being LGBT in Asia: Viet Nam Country Report,” UNDP.


[1] LGBTQ+ ist die Abkürzung für “Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer or Questioning and more”.

[2] United States Agency for International Development