Kinder leiden unter sexuellem Missbrauch inmitten des anhaltenden Konflikts im Osten der Demokratischen Republik Kongo

Posted on Posted in Ausbeutung, Gesundheit, Kinderrechte, Menschenrechte

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) kommt es im Zuge des anhaltenden bewaffneten Konflikts zu einem Anstieg des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Region, insbesondere Nord- und Süd-Kivu, ist zum Epizentrum einer humanitären Katastrophe geworden, in der sexuelle Gewalt systematisch als Kriegswaffe eingesetzt wird und sich gezielt gegen Kinder richtet. Obwohl das humanitäre Völkerrecht solche Missbräuche ausdrücklich verbietet, werden Kinder weiterhin gezielt als Kriegstaktik angegriffen, was ihre Verletzlichkeit verschärft und ihre Grundrechte untergräbt.

Den Konflikt verstehen

Die humanitäre Krise im Osten der DR Kongo wurzelt in jahrzehntelangen bewaffneten Konflikten, insbesondere in Nord- und Süd-Kivu. Die Instabilität geht auf die Folgen des Völkermords in Ruanda 1994 zurück, der zu Massenvertreibungen und der Präsenz ausländischer bewaffneter Gruppen in der Region führte und zum Ersten und Zweiten Kongo-Krieg beitrug. Anfang 2025 eskalierten die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der von Ruanda unterstützten Rebellengruppe M23 erheblich. Die M23 rückte auf Goma, die größte Stadt in der Provinz Nord-Kivu, vor und löste damit Befürchtungen einer möglichen Einnahme aus.

Der Zusammenbruch der Regierungskontrolle und der Aufstieg bewaffneter Gruppen haben zu Gesetzlosigkeit und einer Kultur der Straflosigkeit geführt. Bewaffnete Gruppen, darunter auch die M23, setzten sexuelle Gewalt ein, um die lokale Bevölkerung zu terrorisieren und zu kontrollieren (Council on Foreign Relations, 2025). Diese Unsicherheit hat Hunderttausende Kinder dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, wodurch sie einem höheren Risiko von Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt werden.

Das Ausmaß der Krise

Allein in den ersten beiden Monaten des Jahres 2025 wurden im Osten der Demokratischen Republik Kongo fast 10.000 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Gewalt dokumentiert. 35 bis 45 % der Opfer waren Kinder – das bedeutet, dass auf dem Höhepunkt des Konflikts jede halbe Stunde ein Kind vergewaltigt wurde (UNICEF, 2025a).

Das wahre Ausmaß dürfte jedoch weitaus größer sein, da Stigmatisierung, Angst und Unsicherheit viele Überlebende davon abhalten, Missbrauch zu melden oder Hilfe zu suchen (United Nations, 2025a). Zu den Überlebenden gehören auch kleine Kinder. Die Angriffe ereigneten sich an Orten, die einst als sicher galten – in ihren Häusern, in Flüchtlingslagern oder sogar bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Wasserholen.

„Zwei bewaffnete Männer drangen gewaltsam in unser Haus ein … Meine Großmutter schämte sich zu sehr und hatte Angst.“

– Ein 14-jähriges Waisenkind und Opfer sexueller Gewalt (Abdelaziz, 2025)

Ursachen und Dynamiken sexueller Gewalt

Das Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen hat seit Januar 2025 zur Vertreibung von über einer Million Menschen geführt, darunter 400.000 Kinder (OHCHR, 2025; UNICEF, 2025b). Flüchtlingslager – einst als Zufluchtsorte angesehen – sind heute, insbesondere nach ihrer Räumung, zu Schauplätzen der Gewalt geworden, wodurch Kinder zunehmend ungeschützt und schutzlos zurückbleiben.

Der Zusammenbruch der Sicherheits- und Justizsysteme, die Verbreitung von Waffen und die Freilassung von Gefangenen haben zu einem Klima der Straflosigkeit beigetragen. Bewaffnete Männer – sowohl Zivilisten als auch Militärangehörige – verüben Angriffe, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen, und setzen oft Waffen ein, um ihre Opfer zu bedrohen oder zu nötigen (Doctors Without Borders, 2025; UNICEF, 2025b).

Seit der Eskalation der Gewalt im Januar 2025 sind viele Kinder durch Entführungen und die Rekrutierung von Kindern durch bewaffnete Gruppen sexueller Gewalt ausgeliefert. Insbesondere Mädchen sind einem erhöhten Risiko von Vergewaltigung und Zwangsschwangerschaft ausgesetzt (United Nations, 2025b; UNICEF, 2025b).

Die menschlichen Folgen der Krise für Kinder

Kinder im Alter von nur neun Jahren haben grausame sexuelle Übergriffe überlebt, darunter auch extreme Formen der Gewalt mit Genitalverletzungen (Save the Children, 2024). Überlebende erleiden oft schwere körperliche Verletzungen – wie Schäden an den Geschlechtsorganen und Inkontinenz – und sind dem Risiko sexuell übertragbarer Infektionen, einschließlich HIV, ausgesetzt (Doctors Without Borders, 2025).

Viele Mädchen erleben ungewollte Schwangerschaften, lebensbedrohliche Geburtskomplikationen und müssen die Schule abbrechen. Die psychischen Auswirkungen sind ebenso verheerend. Überlebende leiden häufig unter Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Suizidgedanken und verlieren das Vertrauen in die Institutionen, die sie eigentlich schützen sollten (Verelst et al., 2020).

Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung sind allgegenwärtig. Überlebende – insbesondere Mädchen – müssen oft mit Isolation, Zwangsheirat oder Scheidung fertig werden und fühlen sich nicht in der Lage, sich zu äußern oder Hilfe zu suchen (Doctors Without Borders, 2025). Eine andere Überlebende, die beim Feuerholzsammeln vergewaltigt wurde, erklärte, wie Stigmatisierung und Angst sie zum Schweigen brachten.

„Als ich nach Hause kam, blieb ich ruhig und sprach mit niemandem. Ich beschloss, nicht ins Krankenhaus zu gehen, weil ich Angst hatte und mich schämte.“

– Eine 16-jährige Überlebende (Save the Children, 2025)

Hindernisse für medizinische Versorgung, Bildung und Gerechtigkeit für Überlebende

Der anhaltende Konflikt hat viele Gesundheitseinrichtungen zerstört oder abgelegen und unzugänglich gemacht (Doctors Without Borders, 2025). Überlebende müssen oft lange und gefährliche Reisen auf sich nehmen, um medizinische Versorgung zu erreichen – sofern überhaupt eine solche verfügbar ist.

Finanzierungskürzungen und Lieferkettenunterbrechungen haben zu einem gravierenden Mangel an Postexpositionsprophylaxe-Kits (PEP) geführt, die für die HIV-Prävention unerlässlich sind, wenn sie innerhalb von 72 Stunden nach dem Übergriff verabreicht werden. So berichtete beispielsweise ein Krankenhaus, dass 127 Vergewaltigungsopfer keinen Zugang zu PEP hatten (United Nations, 2025a).

Angst vor  Vergeltungsmaßnahmen, Scham und das Risiko der Ausgrenzung halten viele Überlebende davon ab, Hilfe zu suchen, wodurch der Kreislauf von Gewalt und Leid fortbesteht (Doctors Without Borders, 2025). Inzwischen wurden aufgrund des Konflikts über 2.500 Schulen geschlossen, wodurch 1,6 Millionen Kinder – allein 795.000 in Nord- und Süd-Kivu – ohne Bildung blieben (UNICEF, 2025c, 2025d). Der Zusammenbruch der Bildungs- und Unterstützungssysteme erhöht das Risiko von Kindern für Ausbeutung, Missbrauch und Rekrutierung.

Darüber hinaus bleiben die meisten Fälle sexueller Gewalt ungeklärt und ungestraft. Menschenrechtsgruppen warnen, dass dieser Mangel an Gerechtigkeit Täter ermutigt und Missbrauch verschärft (Abdelaziz, 2025). Für manche Überlebende ist das anhaltende Trauma mit einem eindringlichen Ruf nach Gerechtigkeit verbunden.

„Mein größter Wunsch ist es, meine Peiniger eines Tages vor Gericht zu sehen und zu sehen, wie sie verurteilt werden.“

– Eine 15-jährige Überlebende sexueller Gewalt (Save the Children, 2024)

Humanitäre und internationale Reaktionen auf die Krise

Das Ausmaß und die Brutalität sexueller Gewalt gegen Kinder im Osten der Demokratischen Republik Kongo erfordern dringend internationale Aufmerksamkeit und Maßnahmen. Medizinische und psychosoziale Notfallversorgung wird unter schwierigen Bedingungen erbracht, ist jedoch angesichts des Ausmaßes der Krise nach wie vor stark unterfinanziert. Zu ihren Interventionen gehören die Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen, Notfallverhütung, sichere Abtreibungsversorgung, Impfungen und Überweisungen an spezialisierte Dienste (Doctors Without Borders, 2025; Save the Children, 2024).

Diese Bemühungen werden jedoch durch Kürzungen der humanitären Mittel untergraben. Es herrscht anhaltender Mangel an lebenswichtigen Medikamenten, PEP-Kits und psychosozialen Unterstützungsdiensten (United Nations, 2025a). Die instabile Sicherheitslage, unpassierbare Straßen und anhaltende Kämpfe machen es für Überlebende – insbesondere Kinder – gefährlich, innerhalb des kritischen 72-Stunden-Zeitfensters für die PEP-Verabreichung medizinische Hilfe zu erhalten (Gussie, 2025). 

Die weit verbreitete Anwendung sexueller Gewalt gegen Kinder im Osten der Demokratischen Republik Kongo stellt  eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts und der grundlegenden Menschenrechte dar. Solche Taten verstoßen gegen die Genfer Konventionen (1949) und ihre Zusatzprotokolle, die Konvention über die Rechte des Kindes sowie das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das sie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen einstuft.

Kinderschutzexperten und internationale Organisationen haben als Reaktion auf den alarmierenden Anstieg konfliktbezogener sexueller Gewalt gegen Kinder in der Demokratischen Republik Kongo dringende Handlungsaufforderungen veröffentlicht. Dazu gehören die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und ein stärkerer Schutz der Zivilbevölkerung; die Wiederherstellung grundlegender Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und psychosoziale Unterstützung; sowie eine erhöhte, nachhaltige Finanzierung überlebensorientierter Dienste und Rechtshilfe (Office of the Special Representative of the Secretary-General for Children and Armed Conflict, 2025; OHCHR, 2025).

Wichtige Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch in der Demokratischen Republik Kongo

  1. Schutz priorisieren: Alle Konfliktparteien müssen das humanitäre Völkerrecht achten und konkrete Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Zivilisten vor Gewalt und Ausbeutung ergreifen.
  2. Hilfsdienste wiederaufbauen und verbessern: Nationale Regierungen und humanitäre Organisationen sollten sich darauf konzentrieren, die medizinische, psychologische und rechtliche Hilfe für Überlebende schnell wiederherzustellen und auszubauen und sicherzustellen, dass diese Hilfe zugänglich, vertraulich und überlebenszentriert ist.
  3. Stigmatisierung bekämpfen: Gemeindevorsteher, zivilgesellschaftliche Organisationen und humanitäre Organisationen sollten gemeindebasierte Programme umsetzen, die Stigmatisierung reduzieren und die soziale Wiedereingliederung von Überlebenden erleichtern.
  4. Gerechtigkeit schaffen: Nationale Justizbehörden und internationale Rechtsorgane müssen Gesetze und deren Durchsetzung stärken, um Täter zur Rechenschaft zu ziehen und die tief verwurzelte Straflosigkeit zu beenden.
  5. Finanzierung sichern: Die internationale Gebergemeinschaft, einschließlich Regierungen, multilateraler Organisationen und privater Spender, muss dringend Finanzierungslücken schließen, um die Kontinuität und den Ausbau lebensrettender Dienste für Kinder und Überlebende zu gewährleisten.

Humanium, eine internationale Organisation, die sich weltweit für die Förderung und den Schutz von Kinderrechten einsetzt, steht solidarisch mit Kindern in Konfliktgebieten, die von sexueller Gewalt betroffen sind. Wir glauben, dass jedes Kind das Recht hat, frei von Gewalt zu leben, Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten und Gerechtigkeit und Unterstützung bei der Heilung zu erfahren. Unterstützen Sie Humanium durch ehrenamtliches Engagement, eine Spende oder eine Patenschaft für ein Kind. Ihr Engagement hilft uns, eine sicherere Welt zu schaffen, in der jedes Kind ohne Angst aufwachsen kann.

Geschrieben von Or Salama

Übersetzt von Michael Aschenbrenner

Lektorat von Karolina Hofman

Referenzen:

Abdelaziz, S. (2025, March 14). Accounts of child survivors shed light on surge of rape and sexual violence in conflict-torn DRC. Retrieved from CNN World at https://edition.cnn.com/2025/03/14/africa/child-survivors-rape-sexual-violence-drc-intl-cmd/index.html, accessed on July 5, 2025. 

Council on Foreign Relations. (2025, June 9). Conflict in the Democratic Republic of Congo. Retrieved from Global Conflict Tracker at https://www.cfr.org/global-conflict-tracker/conflict/violence-democratic-republic-congo, accessed on July 5, 2025. 

Doctors Without Borders. (2025, June 11). Sexual violence is a persistent emergency in eastern DRC. Retrieved from Doctors Without Borders at https://www.msf.org/sexual-violence-eastern-drc-persistent-emergency, accessed on July 5, 2025. 

Gussie, K. (2025, April 17). Millions of children at risk as violence escalates in DR Congo. Retrieved from Vatican News at https://www.vaticannews.va/en/world/news/2025-04/millions-of-children-at-risk-as-violence-escalates-in-dr-congo.html, accessed on June 22, 2025. 

Office of the Special Representative of the Secretary-General for Children and Armed Conflict. (2025, April 23). DRC: UN officials raise alarm at the dramatic impact of prolonged conflict on women and children, including increased risk of conflict-related sexual violence on displaced people. Retrieved from the United Nations at https://childrenandarmedconflict.un.org/2025/04/drc-un-officials-raise-alarm-at-the-dramatic-impact-of-prolonged-conflict-on-women-and-children-including-increased-risk-of-conflict-related-sexual-violence-on-displaced-people/, accessed on July 5, 2025. 

Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights  (OHCHR). (2025, March 26). UN experts urge immediate action to protect children against trafficking for recruitment and use in hostilities in DRC. Retrieved from OHCHR at https://www.ohchr.org/en/press-releases/2025/03/un-experts-urge-immediate-action-protect-children-against-trafficking, accessed on July 5, 2025. 

Save the Children. (2024, March 7). Children as young as nine face mass sexual violence and mutilation in the DRC – Save the Children. Retrieved from Save the Children at https://www.savethechildren.net/news/children-young-nine-face-mass-sexual-violence-and-mutilation-drc-save-children, accessed on July 4, 2025. 

Save the Children. (2025, June 20). Sexual violence against children in conflict surges 50% in 5 years to worst level ever. Retrieved from Save the Children at https://www.savethechildren.net/news/sexual-violence-against-children-conflict-surges-50-5-years-worst-level-ever, accessed on June 22, 2025. 

United Nations. (2025a, April 11). DR Congo crisis: Children subjected to deliberate, systemic sexual violence. Retrieved from the United Nations at https://news.un.org/en/story/2025/04/1162156, accessed on July 5, 2025. 

United Nations. (2025b, April 23). Sexual violence systematically used as a weapon of war in the DR Congo. Retrieved from the United Nations at https://news.un.org/en/story/2025/04/1162536, accessed on July 10, 2025. 

United Nations Children’s Fund (UNICEF). (2025a, April 11). A child reported raped every half an hour in eastern DRC, as violence rages amid a growing funding crisis. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.org/press-releases/child-reported-raped-every-half-hour-eastern-drc-violence-rages-amid-growing-funding, accessed on June 22, 2025. 

UNICEF. (2025b, February 26). DR Congo: Grave violations against children tripled. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.ch/en/current/press-releases/2025-02-26/dr-congo-grave-violations-against-children-tripled, accessed on July 5, 2025. 

UNICEF. (2025c, February 17). DR Congo: Violence and displacement deprive children of schooling. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.ch/en/current/news/2025-02-17/drc-violence-and-displacement-deprive-hundreds-thousands-children-schooling, accessed on July 5, 2025. 

UNICEF. (2025d, February 17). Thousands more children deprived of education as crisis in eastern DR Congo escalates. Retrieved from UNICEF at https://www.unicef.org/press-releases/thousands-more-children-deprived-education-crisis-eastern-dr-congo-escalates, accessed on July 7, 2025. Verelst, A., Bal, S., De Schryver, M., Say Kana, N., Broekaert, E., & Derluyn, I. (2020).

The impact of avoidant/disengagement coping and social support on the mental health of adolescent victims of sexual violence in Eastern Congo. Retrieved from Frontiers at https://www.frontiersin.org/journals/psychiatry/articles/10.3389/fpsyt.2020.00382/full, accessed on July 7, 2025.