Ein Aufruf an Indien zum Beitritt zur „Safe Schools Declaration“

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Schulen sind die Säulen, über denen die „Flamme der Bildung“ hell erstrahlt. Durch die Konzeption der sogenannten Safe Schools Declaration (auf Deutsch: Erklärung zum Schutz von Schulen in bewaffneten Konflikten) wurde die besondere Notwendigkeit des Schutzes von Bildungseinrichtungen nun auch schriftlich anerkannt. In diesem Zusammenhang rief Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, Indien kürzlich dazu auf, sich dem Abkommen anzuschließen.

Das „Was“ und „Warum“ der Safe Schools Declaration 

Eine Zunahme an Angriffen auf Schüler, Lehrer, Schulen und Universitäten sowie die Nutzung von Bildungsinfrastruktur durch das Militär veranlassten die Regierungen von Norwegen und Argentinien zusammen mit Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zur Ausarbeitung einer heute als Safe Schools Declaration (GCPEA, n.d.) bekannten Erklärung. 

Als einzige internationale Vereinbarung zum Schutz von Bildung in bewaffneten Konflikten, stellt die Safe Schools Declaration ein zwischenstaatliches politisches Abkommen dar, welches darauf abzielt, Bildungseinrichtungen vor Angriffen zu schützen als auch eine sichere Bildung in bewaffneten Konflikten zu gewährleisten. Hierfür wurden eine Reihe von Verpflichtungen festgelegt (GCPEA, n.d.). Die Erklärung wurde im Mai 2015 während der „Osloer Konferenz über sichere Schulen“ (Oslo Conference on Safe Schools) verabschiedet und bis Juni 2021 hatten bereits 109 Staaten das Dokument indossiert. Leider steht Indien noch nicht auf der Liste der Unterzeichner (Norwegisches Außenministerium, 2021). 

Indiens Vergangenheit mit Anschlägen auf Schulen

Auch wenn die Zahl der Übergriffe und Anschläge auf Schulen deutlich abgenommen hat, gab es doch einige Vorfälle in Indien, die verheerende Folgen nach sich zogen. Laut einem im Jahr 2009 veröffentlichten Bericht von Human Rights Watch, wurde in den Staaten Bihar und Jharkhand die Schulbildung von zehntausenden Kindern aus marginalisierten und benachteiligten Gemeinden unterbrochen. Die Gründe hierfür waren Ausschreitungen zwischen Aufständischen der Naxaliten (Anm.: eine maoistisch orientierte Gruppierung) und der Polizei (Human Rights Watch, 2009). Die durch Bombenanschläge der Naxaliten auf staatliche Schulen entstandenen Schäden reichten von kleineren baulichen Beschädigungen bis hin zum völligen Einsturz der Einrichtungen (Human Rights Watch, 2009).

Zur Aufstandsbekämpfung besetzten Polizei und paramilitärische Kräfte längerfristig – manchmal sogar jahrelang – Schulgelände und -gebäude. Auch wenn es unterschiedliche Formen der Besetzung gab, die manchmal von kompletten Schulschließungen bis hin zu lediglich teilweisen Gebäudebesetzungen reichten, so litt doch stets die Bildung der Kinder darunter. (Human Rights Watch, 2009). 

Während dieser teilweisen oder vollständigen Schulbesetzungen, blieb vielen Schülerinnen nichts anderes übrig als die Schule zu verlassen. Einige konnten zwar auf andere Schulen in der näheren Umgebung wechseln, ein großer Teil von ihnen brach die Ausbildung jedoch ganz ab (Human Rights Watch, 2009). Wenn die Schule einen Standortwechsel beschloss, landeten die Schüler häufig in einem akademischen Umfeld, welches für eine hochwertige Ausbildung nicht gerade förderlich war.

Ausgediente Lagerhallen und Reiseunterkünfte mussten u.a. als alternative Schulstandorte herhalten. Weitere Folgen der langfristigen Schulbesetzungen waren sowohl eine deutliche Abnahme an Schuleinschreibungen als auch ein Rückgang an Schülern, die eine höhere Bildungslaufbahn einschlugen (Human Rights Watch, 2009). 

Die momentane Lage in Indien mag diesbezüglich zwar nicht mehr so schlimm oder dringlich sein wie zuvor. Doch die Schäden, die durch nur eine einzige geschlossene, besetzte oder angegriffene Schule entstanden sind, bringen eine Flut an negativen, Generationen übergreifenden Folgen mit sich.

Diese Folgen wirken sich nicht nur auf den Einzelnen aus, sondern auch auf das wirtschaftliche, soziale und politische Gefüge des Landes. Es ist somit von entscheidender Bedeutung, zum Schutz der Schulen und den von ihnen beherbergten Menschen aufzurufen. 

Welche Schritte hat Indien bereits unternommen? 

Indiens Gesetze verbieten es bereits, Schulen für militärische Zwecke zu nutzen. Demzufolge ist es Sicherheitskräften untersagt, das Gelände von Bildungseinrichtungen zu betreten (The Manoeuvres Field Firing And Artillery Practice Act, 1938). Überdies hat die indische „Nationale Kommission zum Schutz der Kinderrechte“ (National Commission for Protection of Child Rights) zu Protokoll gegeben, dass die Nutzung von Schulen durch Sicherheitskräfte „gegen Geist und Buchstaben“ des indischen Gesetzes über das „Recht auf freie und verpflichtende Bildung“ (Right to Free and Compulsory Education Act) verstoße. Weiter erklärt sie, dass Schulen niemals ein Ort sein dürften, an dem Sicherheitskräfte Unterschlupf finden (Sheppard, 2021).

In seinem Jahresbericht mit dem Titel „Kinder und bewaffnete Konflikte“ teilte UN Generalsekretär Antonio Guterres mit, dass die Vereinten Nationen erst jüngst im Jahr 2020 die viermonatige Nutzung von sieben Schulen durch indische Sicherheitskräfte aufdecken konnten (Secretary-General, 2021). Wie oben erwähnt, hat die indische Regierung zwar Anstrengungen unternommen, um Schulgelände vor Angriffen und Besetzungen zu schützen, jedoch zeigt sich hier offenkundig eine Realität, die sich direkt und nachteilig auf die Bildung der Kinder auswirkt. 

Die Folgen des Beitritts zur Safe Schools Declaration 

Die Teilnahme an der Deklaration hat zu zahlreichen positiven Ergebnissen geführt, wobei die größten Fortschritte in Afrika erzielt wurden (Sheppard, 2021). Im Juni 2020 erklärte die Zentralafrikanische Republik als erstes afrikanisches Land die militärische Besetzung zum Straftatbestand. Um den Schutz in den Schulen zu gewährleisten, begann die Afrikanische Union im Januar dieses Jahres damit, von anderen Ländern Unterstützung bei der Friedenssicherung anzufordern. Zudem wird Nigeria im Oktober 2021 Gastgeberland der vierten internationalen Safe Schools Declaration Konferenz sein (Sheppard, 2021).

Eines liegt klar auf der Hand, und zwar, dass Kinder um jeden Preis geschützt werden müssen. Leider ist es jedoch oft so, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Schulen sind Orte des Lernens, des Wachstums. Kinder begeben sich dort hin in der Hoffnung, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen und das nötige Rüstzeug zu erhalten, um der Verwirklichung ihrer Träume ein Stück näher zu kommen.

Es ist eine Tragödie, wenn Schulen Schauplätze von Gewalt und Gräueltaten werden. Die Anerkennung dieser möglichen Gefahr macht es für Indien umso wichtiger, Teil einer internationalen Übereinkunft zu werden, die den landesweiten Schutz von Kindern, Lehrern und anderen schulischen Mitarbeitern zum Ziel hat.

Bei Humanium setzen wir uns dafür ein, das Bewusstsein für die Belange von Kindern zu schärfen und deren Rechte weltweit zu schützen, sei es das Recht auf Nahrung, Bildung, Schutz, Gesundheit oder Freiheit. In seinem Bestreben, weltweit den Schutz sowie die Gleichheit von Kinderrechten zu gewährleisten, hat Humanium im September 2020 eine gemeinsame Erklärung an den UN-Menschenrechtsrat (HRC) über die Situation von Kindern in bewaffneten Konflikten unterzeichnet. Die Unterzeichner forderten die UN-Mitgliedsstaaten dazu auf, konkrete Maßnahmen zur Entwicklung von geschlechtsspezifischen Aktionsplänen zu ergreifen sowie den Dialog mit anderen Staaten zu intensivieren mit dem Ziel, Kinder vor Angriffen im Bildungsbereich zu schützen. 

Wenn Sie Humanium dabei unterstützen möchten, Kinder vor den schädlichen Folgen anhaltender globaler Probleme zu bewahren, können Sie dies sehr gerne mit einer Patenschaft für ein Kind, einer Spende oder durch ein ehrenamtliches Engagement tun.

Geschrieben von Aditi Partha

Übersetzt von Melanie Dauphin

Korrigiert von Katrin Glatzer

Für mehr Informationen:

Safe Schools Declaration

Bibliographie: 

GCPEA (n.d.). The Safe Schools Declaration. Retrieved from GCPEA, accessed on 30 July 2021. 

Human Rights Watch. (2009). Sabotaged Schooling. New York : Human Rights Watch. Retrieved from Human Rights Watch, accessed on 30 July 2021 

Norvegian Ministry of Foreign Affairs (2021). Safe School Declaration. Retrieved from Government.no, accessed on 30 July 2021.

Secretary-General, U. (2021). Children and armed conflict . General Assembly Security Council: United Nations. Retrieved from United Nations General Assembly Security Council, accessed on 30 July 2021.

Sheppard, B. (2021, May 29). Safe Schools Declaration Protects Education for Millions. Retrieved from Human Rights Watch, accessed on 30 July 2021.

Sheppard, B. (2021, June 23). UN Head Urges India to  Join Safe Schools Declaration. Retrieved from Human Rights Watch, accessed on 30 July 2021.

The Manoeuvres Field Firing And Artillery Practice Act 1938 (n.d). Government of India, Ministry of Law And Justice, Legislative Department. Retrieved from Government of India, accessed on 30 July 2021.