Trotz der Entwicklung internationaler und nationaler Kindesrechte und der intensiven Arbeit der Zivilgesellschaft ist Zimbabwe immer noch die Heimat zahlreicher Kinderehen und bedroht die Entwicklung und das Wohlbefinden junger Mädchen. Wenn ein Staat unfähig oder nicht bereit ist, schädliche kulturelle Praktiken zu bekämpfen, ist Bildung die einzige Option.
Ein öffentlicher Fall, um Licht auf eine gängige Praktik zu werfen.
Der furchtbare Fall der Anna Machaya
Der Juli 2021 war in Zimbabwe vom Tod der jungen Anna Machaya gekennzeichnet, die an ihren Geburtswehen starb, nachdem sie mit einem über 15 Jahre älteren Erwachsenen verheiratet wurde.
Diese Ereignisse fanden im Zusammenhang mit Praktiken der Apostolischen Kirche statt. Schwanger wie die junge Braut war, starb sie während der Kindesgeburt und wurde von ihrer Kirche in den darauffolgenden Stunden begraben. Weil man einen Ersatz benötigte, erklärte Human Rights Watch, beabsichtigte die Kirche, dem verwitweten Ehemann die jüngere Schwester der Braut – ein neunjähriges Mädchen – als “Notbehelf” zu geben (Mavhinga, 2021).
Obwohl ein solcher Fall für gewöhnlich geheim gehalten wird, brachte er die anhaltenden gefährlichen Praktiken ans Licht, die jungen Mädchen ihre allgemeinen Kinderrechte verweigern. Tatsächlich handelt es sich bei der Kinderehe um eine wilde Praktik in Zimbabwe, insbesondere bei apostolischen Kirchen, die überall im Land Millionen von Anhängern um sich scharen. Die UN urteilt weiter, dass eines von drei Mädchen vor dem 18.
Lebensjahr verheiratet wird: Seit 2008 wurden 8000 Mädchen im ländlichen Zimbabwe zu einer frühen Eheschließung gezwungen oder als Sexsklavinnen gehalten (Linet Sithole, 2019). Diese Praktiken werden von religiösen Sekten, wie den apostolischen Kirchen, aufrechterhalten.
Die Rolle von Religion hinsichtlich Kinderehen in Zimbabwe
Die nur begrenzt vorhanden Daten zeigen, dass Kinderehen in Zimbabwe oft mit Religion verbunden sind, meist bei den apostolischen Sekten, wie etwa den Gruppen Johane Marange und Johane Masowe. In diesen Gruppen ist es für junge Mädchen üblich dazu gezwungen zu werden, ältere Männer unter falschem Vorwand zu heiraten, an welchen die kirchlichen Führungskräfte vom „Heiligen Geist“ geleitet wurden, um entsprechend zu handeln (Annah V. Bengesai, 2021).
Der legale Rahmen
Ein schützender Rahmen…
Zimbabwe ist an einigen Menschen- und Kinderrechtsinstrumenten beteiligt, wie der Konvention über die Rechte des Kindes und die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes. Das Protokoll zur Afrikanischen Charta über Menschen- und Völkerrechte über die Frauenrechte in Afrika (The Protocol to the African Charter on Human and People’s Rights on the Rights of Women in Africa) trat im April 2008 in Kraft. Dieses Protokoll war als Mittel gedacht, den geringe Umsetzung der allgemeinen Menschenrechtsnormen zu bekämpfen und erkannte die Tatsache an, dass Frauen in Afrika weiterhin Opfer von Diskriminierung und schädlichen Praktiken werden.
Jedoch war das zimbabweische Gesetz trotz internationaler Verpflichtungen diffus und widersprüchlich. Abschnitt 70(4) des Strafgesetzes (Criminal Law Act) besagte anfangs, dass die Altersbegrenzung für Geschlechtsverkehr ab 16 Jahren gelte. Schlimmer noch: Das Gesetz über die gewohnheitsrechtliche Eheschließung (Customary Marriage Act) enthielt kein Mindestalter für eine Heirat. Jedoch werden diese Lücken durch die Gesetzesentwurf zur Eheschließung (Marriage Bill) geschlossen, welche das Mindestalter zum Heiraten – in Übereinstimmung mit dem Abschnitt 78 der Verfassung – auf 18 Jahre festlegt. Diese langsamen Bemühungen wurden als „Schneckentempo-Ansatz“ beschrieben (Linet Sithole, 2019).
Dennoch gab es im Jahr 2015 mit dem Mudzuru-Fall einen großen Gesetzesfortschritt für Kinderbräute in Zimbabwe (Constitutional Court of Zimbabwe, 2015). Zwei Frauen, ehemalige Kinderbräute, riefen ein Gericht an, verfassungsgemäße Bestimmungen neu zu interpretieren und auf das Gesetz zur Kinderehe anzuwenden, um diese Praxis anzugehen. In diesem Präzedenzfall urteilte das Gericht, dass Abschnitt 78(1) der Verfassung das legale Heiratsalter auf 18 Jahre festlegt.
Es erklärte zudem, dass jedes Gesetz, jeder Brauch oder jede Praxis, wodurch eine Kinderehe autorisiert wird, verfassungswidrig sei. Letztlich stellte das Gericht fest, dass vom 1. Januar 2016 an keine Person, männlich oder weiblich, eine Ehe schließen darf, einschließlich einer nicht angemeldeten Gewohnheitsrechtvereinigung oder sonstigen Vereinigung, die sich vor der Volljährigkeit aus einer Religion oder Riten ergibt.
Vom rechtlichen Standpunkt aus werden Kinderrechte bezüglich des Verbots der Kinderheirat ordnungsgemäß respektiert und dargelegt. Allerdings weicht in der Praxis die Situation hiervon ab und Kinderehen existieren weiter.
… Dies wird nicht erzwungen
Verglichen mit der Menge mutmaßlicher Kinderehen, die in Zimbabwe stattfinden, ergeben sich sehr wenige Strafverfolgungen und Verurteilungen, und die Regierung ist dafür bekannt, die „Praktik typischerweise zu übersehen“ (Chingono, 2021). Wenn man sich auf den Fall von Memory Machaya konzentriert, als Veranschaulichung für das Versagen des Staates, ist das Scheitern augenscheinlich.
Der Ehemann wurde des Verbrechens, Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen vollzogen zu haben und des Mords angeklagt, indem er es versäumte, seine Ehefrau zum Krankenhaus zu bringen, obgleich er das Risiko erkannte, dass sie vielleicht sterben konnte. Der Gatte wurde für den simplen Umstand, ein Kind zu ehelichen, nicht weiter strafrechtlich verfolgt, obwohl es von Gesetzes wegen verboten war. Die begrenzten Anklagepunkte berücksichtigen nicht die schädlichen Konsequenzen und Verletzung der Rechte des Mädchens.
Es muss erwähnt werden, dass die Eltern auch angeklagt wurden. Jedoch wurde ihnen lediglich zur Last gelegt, das Alter ihrer Tochter verborgen zu haben, indem sie den Ermittlern die Geburtsurkunde einer Cousine gaben und behaupteten, ihr Kind sei zum damaligen Zeitpunkt 22 Jahre alt gewesen.
Während der Tod ihres Kindes die Eltern verstört und voller Schmerz zurückließ, waren sie diejenigen, die ihr Kind in dieser Situation verkauften, in eklatanter Verletzung des nationalen Gesetzes und der Kinderrechte und entgegen dem Interesse ihrer Tochter. Man könnte sich fragen, ob es ein Schritt nach vorne darstellt, das Verhalten der Eltern, die diesen schädlichen Praktiken zustimmen, zu kriminalisieren, als Anreiz für Eltern, sich zu weigern, ihre minderjährigen Töchter zu verheiraten.
Die fehlende Umsetzung kann teilweise mit den starken politischen Bindungen zwischen politischen und religiösen Führern erklärt werden. Die apostolischen Glaubensgruppen befehligen etwa 34 % der Bevölkerung und wurden deshalb von Politikern anvisiert, um für Wahlunterstützung zu werben (Annah V. Bengesai, 2021). Es wurde argumentiert, dass diese religiös-politischen Bindungen vielleicht erklären, weshalb politische Entscheidungsträger dazu tendieren, die Problematik der Kinderehen unter den apostolischen Glaubenssekten übersehen, da sie befürchten, einen signifikanten Anteil ihrer Wählerschaft zu verlieren (Annah V. Bengesai, 2021).
Wege nach vorne zur Bekämpfung der Praktiken: Die Macht der Schulbildung
Die Schulbildung von Mädchen
Schulische Bildung als Quelle des Selbstbewusstseins und der Eigenwahrnehmung
Eines der Schlüsselelemente, das oft von NGOs und internationalen Organisationen befürwortet wird, um der Kinderehe entgegenzuwirken, ist Bildung. Aus dem 2017 erschienenen Global-Education-Monitoring-Bericht geht hervor, dass, die Kinderehe um 64 % verringert würde, wenn man für jedes Mädchen eine zwölfjährige Schulbildung sicherstellte (Malala Fund, 2017).
Gebildete Individuen verfügen über mehr Selbstbewusstsein und eine bessere Fähigkeit, ihre eigene Wahl zu treffen sowie sich Gehör zu verschaffen (Taylor, 2020). An Schulen haben die Mädchen auch eine Chance, über die Illegalität von Kinderehen unterrichtet zu werden. Tatsächlich kann man kein Recht beanspruchen, wenn man sich dessen Existenz nicht bewusst ist.
Bildung als Wirtschaftsbooster
Die Kinderehe ergibt sich aus Ungleichheiten der Geschlechter und gedeiht in weniger entwickelten Gebieten. Eine Kinderbraut – oft dazu gezwungen, ihre schulische Ausbildung abzubrechen – wird sich dennoch nicht in eine Richtung entwickeln, die einen höheren und ansprechenderen Lohn bedingt.
Allerdings werden Mädchen mit sekundärer Bildung (Highschool-Abschluss) beinahe zweimal so viel verdienen wie eine Frau ohne Schulbildung (Taylor, 2020). Jene Einkünfte werden innerhalb der Familie verteilt und kurbeln sowohl das Wirtschaftswachstum des Haushalts als auch der Gemeinschaft an (World Bank, 2017; Lisa, 2021).
Langfristig würde die Durchsetzung der Gesetzen zum Verbot der Kinderehen und folglich die Sicherung der Schulbildung der Mädchen zum Wirtschaftswachstum der Zielregion führen. Staaten als solche, in diesem Fall Zimbabwe, sollten die wirtschaftliche Macht der Bildung nicht negieren. Aktuelle Projekte, die von verschieden Organisationen angeführt und von der Weltbank finanziert werden, bestätigen diese Hypothese und reduzieren das Risiko von Kinderehen um 58 % (World Bank, 2017).
Die Aufklärung von Glaubensgemeinschaften und politischen Entscheidungsträgern
Die Schulbildung der Mädchen ist ein Werkzeug, aber dies ist nicht genug. Tatsächlich treffen junge Mädchen keine Entscheidungen für sich selbst, sondern sie folgen vielmehr den Entscheidungen, die ihre Eltern oder höher gestellte Mitglieder ihrer Gemeinschaft trafen, speziell religiöse Führer. Die Entscheidungsträger aufzuklären stellt daher den Schlüssel dazu dar, Kinderehen zu bekämpfen.
Eltern tendieren in der Tat dazu, zu glauben, dass es ihren Töchtern Sicherheit bietet, sie zu verheiraten und dass eine Eheschließung als eine sinnvolle wirtschaftliche Investition anzusehen ist (Buitenbos, 2021). Eltern und Gemeinschaften sollten über die negativen Auswirkungen von Kinderehen und die nützlichen Folgen davon, Schulbildung für alle Mädchen sicherzustellen (sowohl in sozialer als auch wirtschaftlicher Hinsicht), aufgeklärt werden.
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Verfasst von Lea Allix
Übersetzt von Patrick R.
Korrektur gelesen von Jana Ruf
Quellenverzeichnis:
Buitenbos, D. (2021, November 3). 5 WAYS TO END CHILD MARRIAGE. Accessed from Plan international.