Der andauernde Bürgerkrieg in Syrien führte global zu einer weitreichenden Vertreibung. Dies hat große Auswirkungen auf Schweden, da das Land eine beträchtliche Zahl an Geflüchteten aus Syrien aufnimmt. Wegen länger andauernder Familientrennungen durch die sozialen Dienste bestehen jedoch Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der UN-Kinderrechtskonventiondurch Schweden. Diese Situation stellt die Regulierungen zur schnellen Familienzusammenführung in Frage und wirft humanitäre Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte der Familien der Geflüchteten und des Wohlergehens ihrer Kinder auf.
Die Auswirkungen des Bürgerkriegs in Syrien auf Schweden
Der Bürgerkrieg in Syrien dauert nun schon 13 Jahre an und hat eine beispiellose Vertreibungskrise ausgelöst: Weltweit sind mehr als 65 Millionen Menschen durch die unerbittlichen Wirren des Konflikts und des Krieges geflohen. Diese Krise hat tiefgreifende humanitäre Konsequenzen: Unzählige Familien und Gemeinschaften wurden vertrieben und suchen fern ihrer Heimat Sicherheit und Zuflucht (UNCHR, 2023).
Außerdem verschlimmerte sich diese ernste Lage im Februar 2023 noch durch die verheerenden Erdbeben. Laut Schätzungen waren 8,8 Millionen Einwohner der Arabischen Republik Syrien davon betroffen. Häuser und lebenswichtige Infrastruktur wurden weitreichend zerstört. Dies verschlechterte die ohnehin schon schwierige Situation der von den Wirren des Konflikts und der Vertreibung betroffenen Menschen weiter (UNCHR, 2023).
Inmitten dieses komplexen Szenarios ist Schweden von dieser humanitären Notlage stark betroffen. Zwischen 2010 und 2018 machten Geflüchtete aus Syrien 40% der Asylanträge in Schweden aus (Wessels J, 2023). Durch den deutlichen Anstieg der Geflüchtetenzahlen lebten bis zum Jahr 2018 185.991 Menschen, die in Syrien geboren sind, in Schweden. Diese hohe Zahl verdeutlicht ihre Position als eine der größten Gruppen von Neuankömmlingen (Balikci Z, 2020).
Familientrennung bei Geflüchteten enthüllt
Von Schweden als einem der Unterzeichnerländer der UN-Kinderrechtskonvention wird erwartet, dass es die Interessen von Kindern ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit – ob schwedische Staatsangehörige, Menschen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis oder Asylwerber – in den Vordergrund stellt.
Neben dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen sollten Kinder Anspruch auf Familieneinheit haben. Kommunale Unterstützungsdienste dürfen nur eingreifen, wenn die Eltern ihren Verantwortlichkeiten nicht nachkommen können oder ein Risiko für das Wohlergehen des Kindes darstellen (Migrationsverket, 2023).
Es wurden jedoch Bedenken geäußert, ob soziale Dienste sich an das Gesetz halten. Durch das Meldesystem für Kindesmisshandlung in Schweden kann jede Einzelperson oder Einrichtung einen Verdacht an die Sozialdienste melden, was zu langwierigen Untersuchungen führt. Diese Untersuchungen können durch Beschwerden von Dritten oder Familienmitgliedern ausgelöst werden (Muhammad H. L. A. et al.).
Während der Untersuchungen trennen die Sozialdienste in Schweden Mütter und Kinder, manchmal über einen längeren Zeitraum. Berichten zufolge schaffen die Unterstützungsdienste sogar Anreize für die Kinder, sich von ihren Familien fernzuhalten. Trotz der Regularien zur schnellen Zusammenführung von Kindern mit ihren Familien geschieht das nur bei einem von zehn Kindern. Die Mehrheit lebt bis zum 18. Lebensjahr getrennt von der Familie (Muhammad H. L. A. et al.).
Die Konsequenzen von Gesetzen gegen körperliche Bestrafung bei Kindern
In Syrien ist körperliche Bestrafung durch Gerichtsbeschluss verboten, aber in allen anderen Situationen, vor allem im häuslichen Bereich, ist sie erlaubt (Owen S, 2016). Im Gegensatz dazu dürfen Eltern in Schweden ihre Kinder nicht körperlich bestrafen. Dieses Gesetz wurde 1979 eingeführt. Damit ist Schweden das erste Land, in dem körperliche Bestrafung komplett verboten ist (End Corporal Punishment, 2020).
Wenn ein Elternteil in Schweden gegen dieses Gesetz verstößt, könnte dies eine Gefängnisstrafe nach sich ziehen. Das betroffene Kind wird jedoch nicht von seiner Familie oder von seinen Verwandten getrennt (End Corporal Punishment, 2020). Dies verdeutlicht die Gratwanderung zwischen dem Durchsetzen von rechtlichen Konsequenzen für bestimmte Handlungen und dem Ziel, die Familieneinheit möglichst zu bewahren und eine Trennung nur in absoluten Notfällen zu genehmigen, wie es die Grundsätze der Sozialarbeit und der Kinderfürsorge fordern. (Chak M. F, 2022).
Des weiteren wurden Fälle bekannt, bei denen Babys sofort nach der Geburt aus dem Krankenhaus geholt wurden, und Fälle, bei denen Kinder während des Unterrichts gewaltsam aus den Schulen geholt und dann unter die Aufsicht eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin gestellt wurden, ohne die Eltern zu benachrichtigen. Die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter schicken diese Kinder in andere Gemeinden, bis sie eine Pflegefamilie für sie gefunden haben, und halten die Identität und den Standort der Pflegefamilie bewusst vor den Eltern geheim (Uddin R, 2022).
Manche Kinder sind vor ihren Pflegefamilien geflüchtet, um zu ihren biologischen Familien zurückzukehren, und wurden dabei von schwedischen privaten Sicherheitskräften misshandelt und festgenommen (Daldorph B, 2015). Zusätzlich wurden mindestens zwei Fälle gemeldet, in denen syrische Kinder gewaltsam von ihren Familien getrennt wurden und sich das Leben nahmen, weil sie nicht in der Lage waren, Berufung einzulegen oder nach Hause zurückzukehren (Chak M F, 2022).
Diese besorgniserregenden Vorkommnisse aus dem wirklichen Leben unterstreichen die tiefe emotionale Erschütterung und die negativen Folgen, die Kinder erleben, wenn sie gewaltsam von ihren Familien getrennt werden, und bekräftigen die Haltung gegen solche Praktiken, die vom Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen befürwortet und durch wissenschaftliche Beweise und Erkenntnisse der Sozialarbeit gestützt wird (Chak M. F, 2022).
Reaktionen in Schweden auf Familientrennungen
Der Nationale Rat für soziale Angelegenheiten hat bereits eine Kampagne gestartet, um das Bewusstsein für dieses Thema auf kommunaler Ebene zu stärken. In Zusammenarbeit mit den Schulen zielt die Kampagne darauf ab, neu angekommene geflüchtete Kinder unter Berücksichtigung verschiedener wirtschaftlicher, sozialer, ethnischer und kultureller Faktoren unterzubringen.
Um diese Bemühungen weiter zu verstärken, ist es jedoch unerlässlich die Unterstützungsprogramme zu intensivieren, wobei der Schwerpunkt auf der Aufklärung der Neuankömmlinge über ihre Rechte, Verantwortlichkeiten und die schwedischen Gesetze, vor allem im Bereich der Kinderfürsorge, liegen sollte (Basem S, 2022).
Die Organisation Human Rights Watch rät Schweden dringend davon ab, Kinder von ihren Müttern zu trennen, es sei denn, es ist für das Wohlergehen des Kindes unerlässlich. Es wird empfohlen, den direkten Kontakt zwischen dem Kind und weiteren Familienmitgliedern zu fördern, inklusive beaufsichtiger Besuche, und sie in Entscheidungen über die Betreuung des Kindes einzubeziehen (Human Rights Watch, 2022).
Außerdem ist es entscheidend, dass die Eltern umfassend über den Prozess informiert sind und durch klare Anweisungen wissen, wie sie Einspruch gegen Entscheidungen einlegen können. Sie sollten durchgängig über den Aufenthaltsort ihrer Kinder informiert werden und die Gewissheit haben, dass ihre Kinder in Sicherheit sind und es ihnen gut geht.
Wenn die Trennung der Kinder von ihren Müttern unvermeidlich ist und eine erweiterte familiäre Betreuung nicht möglich ist, ist es wichtig, proaktiv eine langfristige Unterbringung nach der Rückkehr zu planen, um unnötige Wechsel von Pflegefamilie zu Pflegefamilie und emotionalen Stress für die Kinder zu minimieren (Human Rights Watch, 2022).
Wir von Humanium setzen uns für die Rechte jedes Kindes ein, vor allem in Krisensituationen wie dem Bürgerkrieg in Syrien, der schreckliche Auswirkungen auf Millionen von Familien hatte. Sie können dazu beitragen, indem Sie Pate für ein Kind werden, spenden oder uns ehrenamtlich unterstützen. Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass jedes Kind, unabhängig von seinen Lebensumständen, die Fürsorge erhält, die es verdient.
Geschrieben von Lidija Misic
Übersetzt von Katharina Haas
Korrektur gelesen von Beate Dessewffy
Quellenverzeichnis:
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