Die soziale Integration unbegleiteter Minderjähriger in Spanien:  Zentrale Herausforderungen und Lösungen

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Aufgrund seiner geografischen Lage kommt eine beachtliche Zahl unbegleiteter Minderjähriger in Spanien an. Viele von diesen Minderjährigen integrieren sich jedoch nicht vor ihrem 18. Geburtstag vollständig in die Gesellschaft, was äußerst wichtig ist, weil sie ab diesem Alter nicht mehr unter der Vormundschaft des Staats stehen. Die meisten von ihnen erreichen die Volljährigkeit, ohne einen Arbeitsplatz gefunden zu haben und ohne selbständig zu sein, was zur sozialen Isolation führt. Ihr Rechtsstatus verändert sich ebenso und sie gelten nun als irreguläre Bürger. 

Ein Verständnis von Integration

Integration bedeutet, dass sich die Einwanderer an eine andere Lebensweise anpassen, ohne ihre eigene Kultur und Identität zu verlieren (ECRE, 2002). Sie gilt als ein langfristiger und mehrdimensionaler Prozess in dem Sinne, dass sie die Teilnahme eines solchen Individuums an allen Bereichen der Gesellschaft (kulturell, rechtlich, wirtschaftlich, sozial und bildungspolitisch) impliziert. Sie erfordert Anstrengungen sowohl von dem Aufnahmeland als auch von den dort ankommenden Migranten; Staaten müssen Maßnahmen zur Förderung der Integration von Migranten in die Gesellschaft umsetzen (ECRE, 2002; Spanisches Einwanderungsgesetz, 2009). 

Soziale Integration ist kein Recht als solches. Jedoch müssen wesentliche Rechte (wie das Recht auf Bildung, das Recht auf Gesundheit, und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, unter anderen) erfüllt werden, um die erfolgreiche Integration von Kindern sicherzustellen. 

Das Profil unbegleiteter Minderjähriger in Spanien

Das Phänomen unbegleiteter Minderjähriger in Spanien hat erhebliche soziale Auswirkungen (Hernández, 2007). Spanien ist eines der europäischen Länder, das aufgrund der Nähe seiner südlichen Städte (insbesondere Ceuta und Melilla) und der Kanarischen Inseln zum afrikanischen Kontinent eine große Zahl unbegleiteter Minderjähriger aufnimmt und somit ein wichtiger Einreisepunkt für Migrationsströme ist (Collantes, 2021). 

Im Jahr 2020 war die Mehrheit dieser unbegleiteten Minderjährigen männlich (3.228, das heißt 97,61%) und nur 79 Mädchen wurde identifiziert (2,38%). Die Mehrheit kam aus Marokko (42.12%), gefolgt von Mali, Algerien, Senegal, der Republik Guinea und Gambia (Memoria del Gobierno, 2020). Tatsächlich kamen im Jahr 2020 etwa 3.307 unbegleitete Minderjährige in kleinen Booten und instabilen Schiffen an den  Küsten Spaniens an (ein Anstieg von 15,1% im Vorgleich zum Vorjahr [Memoria del Gobierno, 2020]). 

Erfolglose Integration unbegleiteter Minderjähriger in die spanische Gesellschaft

Die soziale Integration dieser Minderjährigen ist immer noch eine Herausforderung in Spanien (De Ussel, 2010). Es gibt mehrere Indikatoren dafür, dass unbegleitete Kinder sich nicht vollständig in die spanische Gesellschaft integrieren. Ein deutlicher Indikator ist die Stigmatisierung von unbegleiteten Minderjährigen durch einige Teile der Gesellschaft (Monteverde, 2013). Sie sind häufig Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt (STATISTA, 2022). 

Die eindeutige Folge ihrer erfolglosen Integration in die Gesellschaft sind die großen Herausforderungen, auf die sie mit 18 Jahren stoßen, wenn sie nicht mehr unter der Vormundschaft des Staats stehen. Viele erreichen die Volljährigkeit, ohne eine Aufenthaltsgenehmigung zu besitzen und somit ohne eine Arbeitserlaubnis beantragen zu können; beide sind notwendige Voraussetzungen für den Prozess der sozialen Integration (Pelayo, 2010). 

Einige der Schwachstellen, die immer noch zu finden sind, sind unzureichende Spanischkenntnisse, die angewandten Verfahren zur Altersbestimmung, die Verzögerungen im spanischen Verwaltungssystem, der Mangel an bildungspolitischen Maßnahmen, die direkt auf unbegleitete Minderjährige ausgerichtet sind, die schlechten Bedingungen in den Schutzzentren und die Knappheit an für diese Minderjährige bereitgestellten Ressourcen (Fundación Raíces, 2017).

Mögliche Lösungen für das derzeitige Problem

Ein anderer Ansatz für die Altersbewertung

Die Altersbestimmung ist äußerst wichtig, um die Integration unbegleiteter Minderjähriger in die Gesellschaft zu gewährleisten, weil sie nicht mehr unter der Vormundschaft des Staats stehen und vollkommen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden würden, wenn ihr Alter falsch eingeschätzt wird und man davon ausgeht, dass die Minderjährigen über 18 Jahre alt sind (Aragoneses und Zuppiroli, 2018).

Daher sollten Altersbewertungen nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen eindeutige Zweifel am Alter des betreffenden unbegleiteten Minderjährigen bestehen, und ebenfalls, wenn der Minderjährige kein anderes Dokument besitzt, das sein Alter belegt. Eine Änderung des spanischen Rechtsrahmens für unbegleitete Minderjährige ist notwendig, um andere Methoden einzubeziehen, welche die Rechte unbegleiteter Minderjähriger sowie ihre physische und psychische Unversehrtheit vollständig respektieren (CRC, 2010).

Verbesserung des spanischen Verwaltungssystems

Die Legalisierung der Papiere von unbegleiteten Minderjährigen spielt eine wesentliche Rolle für ihre soziale Integration in die Gesellschaft. Die Verzögerung bei der Bearbeitung ihrer Papiere stellt eine Schwäche des derzeitigen spanischen Verwaltungsrechtsystems dar und verhindert die Integration zahlreicher unbegleiteter Minderjähriger in die Gesellschaft, was sie sehr vulnerabel macht (Fanjul, Gálvaez, Zuppiroli, 2021). Daher müssen unbegleitete Minderjährige ohne Papiere viele Hindernisse beim Zugang zu anderen Rechten überwinden, vor allem zu ihrem Recht auf Bildung und Gesundheit. 

Entscheidungen über die Zukunft von unbegleiteten Minderjährigen sollten so schnell wie möglich getroffen werden, und zu diesem Zweck sollte die Formalisierung der Dokumente von unbegleiteten Minderjährigen, die sich in sehr vulnerablen Situationen befinden, Vorrang vor anderen Dokumenten haben, deren Formalisierung nicht so dringend ist. Spanien muss seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, die Vormundschaft für einen Minderjährigen zu übernehmen, sobald festgestellt wird, dass sich dieser in einer Situation der Vernachlässigung befindet, wie es in Artikel 172 des spanischen Zivilgesetzbuches heißt. Eine bessere Koordination zwischen den autonomen Gemeinschaften und der zentralen spanischen Regierung sowie zwischen diesen autonomen Gemeinschaften ist erforderlich (Lorca, 2022).

Ein anderer Ansatz für die Bildung

Bildung ist einer der wirksamsten Methoden, um die vollständige Integration unbegleiteter Minderjähriger in die Gesellschaft zu gewährleisten, da sie sich auf ihre soziokulturelle und wirtschaftliche Integration auswirkt (ECRE, 2022). Dennoch stehen in Spanien unbegleitete Minderjährige vor einigen Hürden, da es keine Bildungsmaßnahmen gibt, die direkt an unbegleitete Minderjährige, ihren Zugang zum Arbeitsmarkt und das Problem sozialer Integration angepasst sind (Aragoneses und Zuppioli, 2018).

Daher ist es wichtig, die Umsetzung von Ausbildungsprogrammen für Lehrkräfte in Betracht zu ziehen, damit alternative Methoden entwickelt werden, deren Schwerpunkt die besonderen Bedürfnisse von Einwandererkindern wie Sprachprobleme, ihre persönliche Entwicklung in der Aufnahmegesellschaft und ihre Orientierung auf dem Arbeitsmarkt sind (Iglesias, 2022). Die Schulen sollten den Kindern psychologische Unterstützung zur Verfügung stellen, da viele von ihnen unter Traumata und Stress leiden, sowie interkulturelles Training, um das Bewusstsein für die Existenz verschiedener Kulturen und die Wichtigkeit, sie zu respektieren, zu schärfen (Hernández, 2007). 

Verbesserung der Bedingungen in den Schutzzentren

In vielen Zentren ist die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen zu hoch, sodass sie nicht angemessen betreut werden können und ihre Bedürfnisse und Rechte nicht erfüllt werden (AI, 2021). Die Bedingungen und die Behandlung der Minderjährigen in den Schutzzentren müssen verbessert werden: Individuelle Programme sollten entwickelt werden, um die Integration der unbegleiteten Minderjährigen von Fall zu Fall zu gewährleisten.

Solche Programme müssen ihren Bedürfnissen entsprechen und ihr Alter berücksichtigen, um sie auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, insbesondere wenn sie etwa 16 Jahre alt sind. Schließlich muss der Staat mehr Mittel bereitstellen, um das Fachwissen und Kenntnisse der Fachleute zu verbessern, die sich um unbegleitete Minderjährige kümmern, damit ihre Methoden in allen Fällen die Rechte der Kinder respektieren.

Die Unterstützung von Humanium für die soziale Integration unbegleiteter Minderjähriger 

Es ist daher wesentlich, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Integration unbegleiteter Minderjähriger in die spanische Gesellschaft zu gewährleisten. Indem man ihnen hilft, einen Arbeitsplatz zu finden, eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen und die Staatsbürgerschaft zu erwerben, stellt man das sicher, dass diese Kinder sozial abgesichert sind und nicht am 18. Geburtstag vollständig ausgeschlossen werden. 

Bei Humanium unterstützen wir die soziale Integration unbegleiteter Minderjähriger in die Gesellschaft. Humanium setzt sich für eine Welt ein, in der die Rechte aller Kinder, die eine Integration ermöglichen, respektiert werden. Wenn Sie uns bei der Umsetzung der Kinderrechte weltweit unterstützen wollen, abonnieren Sie unseren Newsletter oder werden Sie Mitglied oder Freiwilliger. Sie können auch eine Patenschaft für ein Kind übernehmen oder eine Spende tätigen. Setzen Sie sich mit uns für die Rechte der Kinder weltweit ein!

Geschrieben von Marina Pérez Ortega

Übersetzt von Felix Lunn

Korrektur gelesen von Jana Wegener

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