Polen ist das Land, das seit Beginn des Konflikts die größte Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine aufgenommen hat. Sowohl die polnische Regierung als auch die polnische Bevölkerung haben von Anfang an sehr viel Unterstützung angeboten. Unter all den Flüchtlingen, die in Polen angekommen sind, befinden sich sehr viele Kinder, die in polnische Schulen eingeschrieben und in polnischen Kinderbetreuungseinrichtungen aufgenommen wurden.
Tausende von Ukrainern verlassen ihr Land
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat zu einer der größten Flüchtlingskrisen in Europa und zu einer schweren humanitären Krise geführt. Seit Beginn des Konflikts hat Russland kontinuierlich gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, indem es Zivilisten und schutzbedürftige Gruppen direkt angegriffen hat (Amnesty International, 2022).
Infolgedessen haben Millionen von Flüchtlingen die Ukraine verlassen und sind in benachbarte Länder geflohen oder wurden innerhalb des eigenen Landes vertrieben. Nach Angaben des UNCHR wurden seit Kriegsbeginn 8.046.560 Flüchtlinge in ganz Europa registriert (UNHCR, 2023).
Der Krieg hat extreme Auswirkungen auf die Kinder. Wie UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell erklärte, „hat der Krieg eine der schnellsten groß angelegten Vertreibungen von Kindern seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht“ (UN, 2022). Bereits einen Monat nach Kriegsbeginn war mehr als die Hälfte der ukrainischen Kinder vertrieben worden (von den 4,3 Millionen Kindern wurden 2,5 Millionen innerhalb der Ukraine vertrieben und 1,8 Millionen flohen in andere Länder) (UNICEF, 2022).
Das Hauptziel der ukrainischen Flüchtlinge war Polen (UNICEF, 2022). Fast 1,4 Millionen Menschen sind dort angekommen (UNICEF, 2022), unter ihnen mehr als 40 % Kinder („Notes from Poland“ – NFP, 2022). Tausende von Kindern sind auch in anderen Ländern wie Rumänien, Moldawien, der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei angekommen (UNICEF, 2022).
Die Reaktion der polnischen Regierung auf den Konflikt
Sowohl die polnische Zentralregierung als auch das polnische Volk haben ein hohes Maß an Empathie und Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Die polnische Regierung hat allen Ukrainern den Grenzübertritt erlaubt, auch denjenigen, die sich nicht ausweisen konnten, weil sie keine Ausweispapiere bei sich hatten.
Während des Grenzübertritts stellte der Kommandeur des Grenzschutzes eine Genehmigung aus, die ukrainischen Staatsbürgern den Aufenthalt in Polen für fünfzehn Tage erlaubte. Nach diesem Zeitraum mussten die Ukrainer entscheiden, ob sie länger bleiben wollten (STATISTA, 2023). Darüber hinaus wurden Aufnahmestellen eingerichtet, um den Flüchtlingen eine vorübergehende Bleibe in Polen sowie medizinische Grundversorgung und einige Lebensmittel bereitzustellen. Zusätzlich haben polnische Züge kostenlose Fahrkarten für ukrainische Bürger angeboten.
Ukrainische Flüchtlingskinder in polnischen Schulen
Nach Angaben der Polnischen Presseagentur (PAP) befinden sich in Polen etwa 700.000 bis 800.000 ukrainische Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Zahlen korrekt sind oder ob die große Mehrheit dieser Kinder keine polnischen Schulen besucht (NFP, 2022).
Die Zahl der ukrainischen Kinder, die in polnischen Schulen eingeschrieben sind, ist viel geringer, da viele Kinder an Online-Kursen teilnehmen, die von Schulen in der Ukraine angeboten werden, und mehrere Kinder in andere Länder gezogen oder sogar in die Ukraine zurückgekehrt sind. Im September 2022 waren nur 185.000 ukrainische Flüchtlinge an polnischen Schulen eingeschrieben; im Laufe des Schuljahres stieg die Zahl auf 200.000 (NFP, 2022).
Die Ungewissheit, mit der ukrainische Kinder aufgrund der Tatsache, dass sie ihr Zuhause, ihre Freunde und ihre Familie zurücklassen mussten, konfrontiert sind, kann schwerwiegende Auswirkungen auf ihre körperliche und geistige Gesundheit haben (UNICEF, 2022). Der Schulunterricht hat im Leben der ukrainischen Kinder eine sehr wichtige Rolle gespielt; er hat ihnen ein Gefühl von Normalität, Hoffnung und Stabilität gegeben.
Die Rolle der Lehrer ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Kinder sich in diesem neuen Schulumfeld wohlfühlen. Dementsprechend wurden zahlreiche Spiele und verschiedene Aktivitäten eingeführt, damit die Kinder sich entspannen können und spüren, dass ihre neuen Lehrer und Kollegen sie unterstützen. (UNICEF, 2022).
Es ist wichtig zu erwähnen, dass es auch ukrainische Schulen in Polen gibt. Diese Schulen folgen dem ukrainischen Lehrplan für die Kinder, deren Familien so schnell wie möglich in die Ukraine zurückkehren möchten (UNICEF, 2022). Die Nachfrage nach diesen Schulen ist jedoch viel größer als das Angebot an freien Plätzen. Im September 2022 waren 1.500 Kinder in diesen Schulen eingeschrieben („Unbreakable Ukraine“, 2022).
Die Schwierigkeiten der ukrainischen Kinder in polnischen Schulen
Die Sprachbarriere
Einige der Schwierigkeiten, mit denen ukrainische Kinder in polnischen Schulen zu kämpfen haben, sind das Ergebnis eines eher schlechten Bildungssystems, das über nicht genügend Ressourcen verfügt – was teilweise auf die Covid-Pandemie zurückzuführen ist (NFP, 2022). Eines der größten Probleme für ukrainische Kinder ist die polnische Sprache; insbesondere für die vierzehnjährigen ukrainischen Kinder, die die achte Klasse besuchten. Diese Kinder mussten als Voraussetzung für den Besuch der weiterführenden Schulen die „Grundschulprüfungen“ bestehen.
Etwa 7.100 ukrainische Flüchtlinge haben diese Prüfungen abgelegt (NFP, 2022). Obwohl den ukrainischen Schülern einige Zugeständnisse gemacht wurden (sie erhielten unter anderem mehr Zeit und durften Wörterbücher benutzen), waren sie gegenüber den polnischen Schülern, die mit dem Inhalt der Prüfung vertraut waren und die Sprache beherrschten, eindeutig im Nachteil.
Um dies zu vermeiden, haben einige NGOs in Polen Sommercamps angeboten, um Flüchtlingen zu helfen, ihr Polnisch zu verbessern und andere Kinder kennenzulernen; mehr als 100.000 Kinder haben an diesen Aktivitäten teilgenommen (UNICEF, 2022).
Der Rückgang an Lehrkräften
Eine weitere Hürde, mit der das polnische Bildungssystem zu kämpfen hatte, war der Rückgang an Lehrkräften. Dieses Problem trat bereits vor dem Krieg in der Ukraine auf. Im Jahr 2022 gab es in Polen etwa 689.000 Lehrer. Dies waren 6.000 weniger als im Vorjahr (NFP, 2022). Darüber hinaus haben mehrere Lehrer erklärt, dass das Bildungsministerium ihnen keine ausreichende Unterstützung und keine angemessenen Lehrmittel und Materialien zur Verfügung gestellt hat, um die Ankunft der Flüchtlingen, die besondere Bedürfnissen hatten, zu bewältigen (NFP, 2022).
Trotz all dieser Schwierigkeiten wurde die hervorragende Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge durch die polnischen Schulen sogar vom polnischen Bildungsminister gelobt. Er erklärte, dass die ukrainischen Kinder von den Lehrern und Schülern hervorragend aufgenommen wurden und es keine Probleme zwischen den polnischen und ukrainischen Schülern gab. (NFP, 2022) Einige NGOs haben Lehrer unterstützt, indem sie den Kindern psychosoziale Betreuung angeboten sowie ukrainische Lehrer und Übersetzer eingestellt haben, um die Kommunikation zu erleichtern (UNICEF, 2022).
Kinderbetreuungseinrichtungen in Polen helfen ukrainischen Kindern
Heimkinder sind eine der am schutzbedürftigsten Gruppen; daher bemühen sich die polnischen Behörden, sicherzustellen, dass die Kinder umfassend geschützt und betreut werden. Polnische Kinderbetreuungseinrichtungen unterscheiden sich sehr stark von denen in der Ukraine; Kinderbetreuungseinrichtungen in Polen haben eine viel höhere Qualität (Open Democracy, 2022). Tatsächlich gibt es in Polen keine großen Kinderbetreuungseinrichtungen mehr, da sie nicht als angemessene Betreuungsform für die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder angesehen werden.
Die aktuelle polnische Politik stellt sicher, dass Kinder entweder in Pflegefamilien oder in kleinen Kinderbetreuungseinrichtungen (auch „familienähnliche Gruppenheime“ genannt) untergebracht werden (UNICEF, 2022). In diesen Einrichtungen können die Kinder lernen, spielen und sich entwickeln; sie werden auch in den örtlichen Schulen eingeschrieben.
Es wurden auch Betreuer aus der Ukraine eingestellt. Die ukrainischen Kinder haben festgestellt, dass sie in den polnischen Kinderbetreuungseinrichtungen viel individueller behandelt werden; die Kinder werden nach ihrer Meinung gefragt und die Betreuer sprechen einzeln mit ihnen. Außerdem haben sie mehr Zeit für Freizeit und zum Spielen (Open Democracy, 2022).
Gewährleistung einer sicheren Zukunft für ukrainische Kinder
Es ist wichtig, dass die Solidarität, die ukrainische Kinder erfahren haben, fortgesetzt wird. Die polnische Regierung sollte weiterhin mit NGOs und anderen Ländern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass diese schutzbedürftigen Kinder beschützt werden, indem ihnen Hilfe und psychologische Unterstützung angeboten wird. Der Zugang zu Bildung muss verbessert werden, und es ist von entscheidender Bedeutung, ukrainischen Flüchtlingen zu helfen, wieder mit ihren Verwandten zusammen zu kommen.
Wir von Humanium unterstützen die Integration ukrainischer Flüchtlinge in Polen. Humanium setzt sich für eine Welt ein, in der alle Kinderrechte, die eine Integration ermöglichen, respektiert werden. Wenn Sie uns bei der Umsetzung von Kinderrechten weltweit unterstützen wollen, melden Sie sich für unseren Newsletter an, werden Sie Mitglied oder übernehmen Sie eine ehrenamtliche Tätigkeit bei Humanium. Sie können auch eine Patenschaft für ein Kind übernehmen oder spenden. Setzen Sie sich mit uns für die Rechte der Kinder weltweit ein!
Geschrieben von Marina Pérez Ortega
Übersetzt von Elke Schöpf
Korrektur gelesen von Beate Dessewffy
Referenzen:
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